Im vergangenen Jahr konzentrierte sich ein Großteil der politischen Debatte in den Vereinigten Staaten von Amerika über den Krieg in der Ukraine auf die Frage, welche Waffen wir nach Kiew liefern und wie schnell und in welchen Mengen wir sie dorthin bringen können. Aber die Vereinigten Staaten müssen der Ukraine nicht nur die Mittel an die Hand geben, um Russlands brutale Invasion zurückzuschlagen – wir müssen auch darüber nachdenken, wie ein wirklich stabiler Frieden aussehen könnte, wenn die Kämpfe aufgehört haben.

Das bedeutet nicht, auf sofortige Verhandlungen zwischen der Ukraine und einem Putin-Regime in Moskau zu drängen, das immer noch auf Eroberung aus ist, geschweige denn eine Art Waffenstillstand zu akzeptieren. Ersteres wäre angesichts der aktuellen Lage auf dem Schlachtfeld bestenfalls aussichtslos, und Letzteres würde es Putin nur ermöglichen, sich neu zu formieren, bevor er die Kampfhandlungen wieder aufnimmt. Praktisch alle bisherigen Erfahrungen – in Syrien und anderswo – deuten darauf hin, dass der Kreml diplomatische Gespräche, ausgehandelte Waffenstillstände und sogar formelle Verträge zur nuklearen Rüstungskontrolle nur als vorübergehende taktische Hilfsmittel ansieht, die nach Ablauf ihrer Nützlichkeit wieder verworfen werden.

Ebenso wenig sollten die USA und ihre Verbündeten von Kiew erwarten, sich mit einem Regime zusammenzusetzen, das dem Land das Recht abspricht, als souveräne und unabhängige Nation zu existieren, und das allem Anschein nach weiterhin entschlossen ist, die Ukraine von der Landkarte zu tilgen. Für die Ukrainerinnen ist dieser Krieg existenziell – eine Realität, die durch jedes Massengrab, das in befreiten Gebieten entdeckt wird, und jeden russischen Raketeneinschlag in Wohnblocks unterstrichen wird. Für jeden verantwortungsbewussten ukrainischen Politiker wäre es (unter anderem) strategisch unklug, etwas anderes als den vollständigen Rückzug der russischen Streitkräfte aus dem gesamten seit 2014 besetzten Gebiet der Ukraine anzustreben. Doch auch mit einem Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine allein lässt sich der Frieden nicht gewinnen.

Auch mit einem Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine allein lässt sich der Frieden nicht gewinnen.

Auch der wirtschaftliche Wiederaufbau wird nicht ausreichen, so wichtig er auch für die Erholung der Ukraine von diesem grundlosen und brutalen Angriff sein wird. Bei der Organisation des Wiederaufbaus sind bereits einige Fortschritte erzielt worden, wobei die Europäische Union weitgehend die Führung übernommen hat. Ein wichtiger Bestandteil der wirtschaftlichen Erholung der Ukraine ist die EU-Mitgliedschaft selbst – auch wenn sich die EU-Regierungschefs immer noch weigern, den Antrag Kiews zu beschleunigen. Die Vereinigten Staaten sollten ihrerseits auf die EU und ihre Mitgliedstaaten einwirken, die Ukraine so schnell wie möglich in die EU aufzunehmen. Parallel sollten die amerikanische Diplomatie und die amerikanischen Hilfsbemühungen darauf ausgerichtet sein, Kiew davon zu überzeugen, wie wichtig es ist, die für einen EU-Beitritt erforderlichen Reformen so schnell wie möglich durchzuführen.

Der wirtschaftliche Wiederaufbau wird jedoch sinnlos sein, solange die Ukraine weiter Opfer russischer Aggressionen bleibt – und die Ukraine wird noch anfälliger sein, wenn der Kreml im Besitz der Teile des ukrainischen Territoriums bleibt, die er seit 2014 annektiert hat. Wenn die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten keinen glorifizierten Waffenstillstand in der Ukraine wollen, müssen sie Kiew konkrete Sicherheitsgarantien für die Zeit nach dem Krieg geben. Die NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine ist die beste verfügbare Option, würde voraussichtlich aber Garantien der nuklear bewaffneten NATO-Mitglieder – also der Vereinigten Staaten, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs – für die Zeit zwischen dem Antrag Kiews und dem formellen Beitritt erfordern.

Diese Garantien wiederum erfordern eine vollständige Rückkehr zu den international anerkannten Grenzen der Ukraine von vor 2014, sei es durch Befreiung oder durch Verhandlungen. Jede diplomatische Lösung zur Beendigung des Krieges sollte zudem ausdrücklich das Recht der Ukraine auf einen NATO-Beitritt oder zu jeder anderen Sicherheitsvereinbarung beinhalten, die Kiew für angemessen hält. Bloße „Zusicherungen“ der ukrainischen Sicherheit, wie sie im völlig unzureichenden Budapester Memorandum von 1994 enthalten sind, reichen offensichtlich nicht aus. Jede Regierung in Kiew wäre töricht, sich auf etwas anderes zu verlassen als auf ausdrückliche, formelle Sicherheitsgarantien der NATO oder ihrer atomar bewaffneten Mitgliedstaaten.

Für jede Form eines stabilen und dauerhaften Friedens werden diese Sicherheitsgarantien der Dreh- und Angelpunkt sein.

Für jede Form eines stabilen und dauerhaften Friedens, der aus dem Krieg hervorgeht, werden diese Sicherheitsgarantien der Dreh- und Angelpunkt sein. Sie werden das Bedürfnis der Ukraine nach einer Versicherung gegen künftige russische Aggressionen befriedigen und Moskau gleichzeitig von solchen Aggressionen abschrecken. Trotz all seines Getöses hat Putin eine direkte militärische Konfrontation mit – oder eine Aggression gegen – NATO-Mitgliedstaaten sowohl vor als auch während des derzeitigen Konflikts gewissenhaft vermieden. Zumindest scheint er sich der katastrophalen Folgen bewusst zu sein, die eine offene Auseinandersetzung mit der NATO und den Vereinigten Staaten sowohl für Russland als auch für sein eigenes Regime haben würde.

Dies ist ein klärender Moment für Amerikas Kriegsziele in der Ukraine: Mit dem Verlauf des Krieges sind der ukrainische Sieg und ein formelles Nachkriegsbündnis mit Kiew zum einzigen akzeptablen Ergebnis für amerikanische Interessen geworden. Und es ist der einzige Weg, um sicherzustellen, dass aus dem Blutvergießen ein stabiler, dauerhafter Frieden resultiert. Ja, das bedeutet ein besiegtes Russland – aber auch ein Russland, das nicht in der Lage sein wird, in Europa zu wüten und seinen Krieg gegen die Ukraine wieder aufzunehmen. Es wird auch in aller Deutlichkeit zeigen, dass sich nackte Aggression nicht auszahlt, sondern dass sie genau zu dem Szenario führt, das ein Aggressor am meisten fürchtet.

Die USA haben sich der Sache Kiews und seinem Sieg verschrieben.

Ob es uns gefällt oder nicht, die USA haben sich der Sache Kiews und seinem Sieg verschrieben. Im vergangenen Jahr haben die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten der Ukraine moderne HIMARS- und GLSDB-Raketenartillerie, Schützenpanzer wie den Bradley und den Stryker, fortschrittliche Boden-Luft-Raketensysteme wie den Patriot und den IRIS-T und jetzt auch eine ganze Reihe moderner Panzer wie den Leopard 2, den Challenger 2 und den M1 Abrams zugesagt. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Darüber hinaus wäre eine ukrainische Niederlage oder ein territorialer Kompromiss (außer vielleicht eine Verhandlungslösung für den Status der Krim) für Amerikas eigene strategische Interessen katastrophal. Neben unserem grundlegenden Interesse daran, Putins Aggression eindeutig zu besiegen, ist es ebenso wichtig, dass ein Land, das einen Krieg beginnt, nicht mit Territorium belohnt wird. Dies würde zu Instabilität in Europa führen, da der Kreml unweigerlich eine zweite Runde mit Kiew anstreben und auch weltweit dieses Modell fahren würde.

Was sind die Folgen für die Vereinigten Staaten in nächster Zeit? Zuallererst sollten sich die USA und ihre Verbündeten darüber im Klaren sein, dass das übergeordnete Ziel ihrer Politik die Befreiung des gesamten ukrainischen Territoriums von vor 2014 ist. Dies kann entweder mit militärischen Mitteln oder durch Verhandlungen erreicht werden, aber in beiden Fällen muss die Ukraine über die Fähigkeit verfügen, die russischen Streitkräfte zu vertreiben. Ernsthafte Diplomatie kann nur dann eine Chance haben, wenn die Ukraine eine glaubwürdige militärische Bedrohung für Russlands Position im Donbass und auf der Krim darstellt. Gespräche zu befürworten, solange eine solche Bedrohung nicht besteht, bedeutet im Grunde, einen russischen Sieg zu fördern, der den amerikanischen Interessen schweren Schaden zufügen würde.

Die Ukraine muss so schnell wie möglich mit allen militärischen Mitteln ausgestattet werden, die sie für einen Sieg benötigt.

Die Folgen für die Politik der USA und ihrer Verbündeten liegen auf der Hand: Die Ukraine muss so schnell wie möglich mit allen militärischen Mitteln ausgestattet werden, die sie für einen Sieg benötigt. Das bedeutet die Lieferung von F-16, ATACMS-Kurzstreckenraketen und anderem Gerät, das notwendig ist, um Russlands militärische Position in der Ukraine zu bedrohen. Selbst wenn das Pentagon der Meinung ist, dass die Ukraine diese Waffen momentan nicht braucht, sollten die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten zumindest damit beginnen, die Ukrainer an diesen Waffensystemen auszubilden. So sind sie bereit, sie einzusetzen, sobald die amerikanischen und europäischen Entscheidungsträger unweigerlich ihre Meinung ändern.

Sobald die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten die Ukraine uneingeschränkt militärisch unterstützen, werden sie vielleicht zum ersten Mal in diesem Konflikt ein echtes diplomatisches Druckmittel gegenüber dem Kreml haben. Die volle Unterstützung Kiews wird ein unmissverständliches und unglaublich wichtiges Signal an Putin senden, dass die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten der Ukraine unwiderruflich und langfristig verpflichtet sind. Russland kann in der Ukraine nicht gewinnen und es wäre besser für Putin, einen würdevollen Abgang aus der Ukraine auszuhandeln, wenn er eine völlige Demütigung vermeiden will. Im Moment jedoch glaubt der Kreml immer noch, dass Russland die Unterstützung der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten überdauern kann – vielleicht in der Hoffnung, dass die Republikaner im Kongress die Militärhilfe für die Ukraine zurückfahren, oder in Erwartung bevorstehender Wahlen, die putinfreundliche Politikerinnen an die Spitze der NATO-Staaten bringen könnten. Es liegt nun an den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten, Putin das Gegenteil zu beweisen.

Schließlich müssen die Grundlagen für eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und vorläufige Sicherheitsgarantien sowohl im Inland als auch in Europa geschaffen werden. Dies scheint in gewisser Weise bereits organisch zu geschehen, denn Persönlichkeiten wie der neu gewählte Präsident der Tschechischen Republik und der frühere amerikanische Außenminister Henry Kissinger, der sich zuvor gegen die Mitgliedschaft der Ukraine in der Allianz ausgesprochen hatte, befürworten diese.

Es wäre falsch anzunehmen, dass der ukrainische NATO-Beitritt – oder auch nur vorläufige Sicherheitsgarantien der Vereinigten Staaten, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs – so reibungslos verlaufen würde wie die geplante Aufnahme Schwedens und Finnlands. Die seit Langem bestehenden politischen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der NATO, die während der Leopard-Panzer-Affäre zutage getreten sind, werden wahrscheinlich zum Vorschein kommen, wenn das Bündnis eine ukrainische Mitgliedschaft in Betracht zieht. Die Propagandamaschine des Kremls wird zweifellos auf Hochtouren laufen und das Schreckgespenst eines Atomkriegs heraufbeschwören, unterstützt von selbsternannten Realisten in den Vereinigten Staaten und in Europa, die nach wie vor darauf drängen, Russlands imperialem Machtstreben Rechnung zu tragen.

Die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine stellt eine langfristige Investition in die Stabilität und Sicherheit Europas dar.

In Wirklichkeit stellen die Sicherheitsgarantien und die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine eine langfristige Investition in die Stabilität und Sicherheit Europas dar. Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten können den Frieden gewinnen, indem sie die Ukraine zu einem unattraktiven und unappetitlichen Ziel für künftige russische Aggressionen und imperiale Vergrößerungsbestrebungen machen. Wie die finnische Premierministerin Sanna Marin im Januar dieses Jahres feststellte, wäre Russland weder 2014 noch 2022 in die Ukraine einmarschiert, wenn Kiew zu diesen Zeitpunkten bereits Mitglied der NATO gewesen wäre.

Zwei Jahrzehnte lang hat Putins Russland auf der ganzen Welt Tod und Zerstörung gesät und gleichzeitig sein Bestes getan, um Demokratien zu zerstören – auch die Vereinigten Staaten. Ein ukrainischer Sieg über Russland und die Mitgliedschaft in der NATO sind die beste Chance, die die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten seit langem hatten, um Putin in die Schranken zu weisen und die russische Abenteuerlust abzuschrecken. Damit würde nicht nur eine akute Bedrohung für die europäische Sicherheit und die amerikanischen Interessen beseitigt, sondern auch die junge Demokratie, die in der Ukraine Wurzeln schlägt, geschützt und Amerikas eigene strategische Position weltweit gestärkt.

Das ist eine Chance, die wir uns nicht entgehen lassen dürfen.

Die Originalversion des Artikels erschien zuerst beim US-Analyseportal The Liberal Patriot.

Aus dem Englischen von Lucie Kretschmer