Während Russland in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine immer mehr Rückschläge einstecken muss, kommt jetzt Unterstützung aus dem Iran. Quellen in der Ukraine, den USA und der EU berichten, dass Russland von der Islamischen Republik mit kostengünstigen, niedrig fliegenden Drohnen vom Typ Shahed-136 beliefert wurde, die der Ukraine laut The Economist erhebliche militärische Probleme bereiten. In großen Verbänden durchdringen sie die ukrainische Luftabwehr, töten Zivilisten und zerstören die zivile Infrastruktur. Darüber hinaus sollen iranische Ausbilder auf der von Russland besetzten Krim stationiert sein, um die russischen Streitkräfte beim Einsatz der Drohnen zu unterstützen. Damit hilft der Iran Russland unmittelbar beim Erreichen seiner derzeitigen Etappenziele in diesem Krieg. Es geht darum, die ukrainische Bevölkerung zu demoralisieren und ihren Widerstandswillen zu brechen.
Die USA und die EU verhängten neue Sanktionen gegen Personen und Einrichtungen im Iran, die an der Lieferung von Drohnen an Russland beteiligt sind. Die Ukraine kündigte an, die diplomatischen Beziehungen zum Iran abzubrechen, und der litauische Außenminister forderte in deutlichen Worten weitere empfindliche Sanktionen gegen den Iran. Nachdem die US-Geheimdienste bereits im Sommer 2022 die Lieferung von Drohnen vorausgesagt hatten, warnen sie jetzt davor, dass der Iran auch ballistische Raketen liefern könnte, um Russland bei der Aufstockung seiner rapide schwindenden Bestände unter die Arme zu greifen. Damit würde Teheran noch massiver in den Krieg eingreifen und der Druck, gegen den Iran vorzugehen, würde weiter steigen.
Teheran zeigt sich von der wachsenden Empörung unbeeindruckt. Die ständige Vertretung Irans bei den Vereinten Nationen dementierte die Lieferungen, worüber sich selbst einige konservative iranische Experten spöttisch äußerten. Auch wenn es zwischen Moskau und Teheran ein gegenseitiges Einvernehmen gegeben haben mag: Für Moskau wäre es peinlich, offen zuzugeben, derzeit so erfolglos zu agieren, dass es auf den Iran angewiesen ist. Aus der Sicht Teherans ist eine gewisse Distanz durchaus von Nutzen, da die Mehrheit der iranischen Bevölkerung zur Ukraine hält und nicht zum alten imperialen Feind Russland. Dennoch sind die Machthaber der Islamischen Republik offensichtlich zu dem Schluss gelangt, dass die Vorteile eines Bündnisses mit Russland die damit verbundenen Nachteile überwiegen.
Diese Ansicht ist in der Grundhaltung der konservativen Hardlinerfraktion verankert, die derzeit in Teheran den Ton angibt: Der Westen ist im Niedergang begriffen, wie der demütigende Rückzug der USA aus Afghanistan und die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den westlichen Demokratien zeigen. Der Osten hingegen befindet sich im Aufschwung und in Eurasien entsteht unter der Führung Russlands und Chinas eine neue multipolare Welt. Nach dieser Lesart wurde der Iran von den Weltmächten durch das Atomabkommen JCPOA trickreich dazu gebracht, seinen Einfluss aufzugeben, ohne die ihm versprochenen Sanktionserleichterungen zu bekommen, die seine Wirtschaft wieder angekurbelt hätten. Selbst als die Regierung Biden zusammen mit ihren europäischen Verbündeten das Abkommen wiederzubeleben versuchte, sei jeglicher ökonomischer Nutzen für den Iran nur von kurzer Dauer gewesen, da ein neuer republikanischer Präsident das Abkommen ohnehin aufkündigen werde – möglicherweise schon 2025. Tatsächlich haben die Hoffnungsträger der US-Republikaner mehr als deutlich gemacht, dass sie genau das tun würden.
Die Lieferung von Drohnen gehört aber auch zu Irans eigener Abschreckungsstrategie.
Aus dieser Perspektive ergab es für Teheran wenig Sinn, im Tausch gegen eine ungewisse und in jedem Fall kurzlebige wirtschaftliche Erleichterung seine nuklearen Fortschritte rückgängig zu machen und auf die damit verbundenen Druckmittel zu verzichten. Dieses Kalkül untermauerte die außenpolitische Doktrin des „Blicks nach Osten“, der Ebrahim Raisis konservative Regierung folgt. Irans Vollmitgliedschaft in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), die im September 2022 auf dem Gipfeltreffen in Samarkand (Usbekistan) offiziell besiegelt wurde, ist ein konkretes Ergebnis dieser Politik.
Für die aktive militärische Unterstützung Russlands durch den Iran war jedoch weder die Ostausrichtung noch die SOZ-Mitgliedschaft an sich ausschlaggebend. Schließlich zeigten die meisten Mitglieder der SOZ, insbesondere die zentralasiatischen Staaten und Indien, wenig Begeisterung für Putins abenteuerlichen Kurs. Im Unterschied zu diesen Ländern ist der Iran jedoch vom Westen isoliert und daher eher bereit, zu Russland zu halten, wenn er sich davon sicherheitspolitische und wirtschaftliche Vorteile verspricht. Moskaus und Teherans gemeinsame ideologische Opposition gegen die in ihren Augen hegemoniale Weltordnung unter Führung der USA gibt dem Zweckbündnis der beiden Länder weitere Nahrung.
Nachdem Teheran auf Russland gesetzt hat, muss es nun unbedingt verhindern, dass Russland den Krieg in der Ukraine verliert. Die Lieferung von Drohnen (und schon bald vielleicht die Lieferung von Raketen) gehört aber auch zu Irans eigener Abschreckungsstrategie: Die demonstrative Vorführung der Verwüstungen, die Irans Waffen anrichten können, ist eine Botschaft an seine regionalen Gegner Israel und Saudi-Arabien, aber auch an Irakisch-Kurdistan, Aserbaidschan, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate – also an alle regionalen Akteure, die mutmaßlich Teherans Feinde unterstützen.
Die innenpolitischen Unruhen, die durch die Ermordung der jungen Mahsa Amini durch die sogenannte Sittenpolizei ausgelöst wurden, sind für das Regime ein Grund mehr, seine regionalen Gegner von dem Versuch abzuhalten, das geschwächte Teheran unter Druck zu setzen. Mit der Demonstration der Schlagkraft iranischer Drohnen und Raketen will der Iran beweisen, dass die innenpolitischen Unruhen die Landesverteidigung nicht im Geringsten schwächen. Dasselbe giltfür die Angriffe in Irakisch-Kurdistan, die die gleiche Botschaft vermitteln sollen.
Wie die jüngsten Proteste zeigen, ist das Regime jedoch innenpolitisch ausgesprochen anfällig.
Das Regime in Teheran sieht in der Verfolgung dieser Strategie kaum Nachteile. Dass es dem eigenen alten Narrativ – die Islamischen Republik sei in den 1980er Jahren zum Opfer des Aggressors Saddam Hussein geworden – den Boden entzieht, wenn es einen Aggressor wie Russland unterstützt, bereitet ihm kein Kopfzerbrechen. Die Machthaber in Teheran sind offenbar zu dem Schluss gekommen, dass die mutmaßlichen Vorteile eines Bündnisses mit Russland mehr Gewicht haben als die moralische Überlegenheit, für die Teheran nach eigenem Empfinden ohnehin nie belohnt wurde.
Auch das mögliche endgültige Aus des JCPOA scheint für die Entscheidungsprozesse in Teheran keine große Rolle zu spielen. Iranische Diplomaten suchen zwar den Eindruck zu erwecken, die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten wollten das Abkommen unbedingt wiederbeleben, aber es ist nur schwer vorstellbar, dass der Westen das Regime mit milliardenschweren Sanktionserleichterungen überschüttet, solange es seine Kriegsallianz mit Russland weiter ausbaut. Aus Sicht der überzeugtesten Hardliner macht das Scheitern des Abkommens außerdem den Weg frei für iranische Fortschritte auf dem Weg zur Atombombe als ultimativem Abschreckungsmittel. Diese Hardlinerfraktion sorgte mit ihrem Einfluss dafür, dass Teheran die Gelegenheit versäumte, das Abkommen im August abzuschließen.
Die Drohung mit neuen empfindlichen Sanktionen, wie sie der litauische Außenminister ausgesprochen hat, dürfte ebenfalls kaum abschreckend wirken. Da es dem Westen nicht gelungen ist, durch das ursprüngliche Atomabkommen (JCPOA) signifikante Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran aufzubauen, hat er sich bereits selbst sanktioniert und jeden Einfluss auf Teheran verloren.
Wie die jüngsten Proteste zeigen, ist das Regime jedoch innenpolitisch ausgesprochen anfällig. Die aktuellen Proteste wurden zwar durch kulturelle Restriktionen – insbesondere für Frauen – ausgelöst, aber die Massenunruhen von 2019 hatten ihre Ursache in den katastrophalen sozioökonomischen Bedingungen der unteren Schichten. Die verschiedenen Facetten der Unzufriedenheit – sozioökonomisch, kulturell und politisch – könnten sich in einer starken Oppositionsbewegung bündeln. Deren Forderungen werden weitaus radikaler sein als die der zaghaften Reformbewegung, die auf eine evolutionäre Veränderung innerhalb des von der Islamischen Republik vorgegebenen Rahmens abzielte.
Das Regime könnte darauf mit einer gewissen kulturellen Liberalisierung reagieren, indem es zum Beispiel die Kleidungsvorschriften für Frauen lockert oder gar die Hidschab-Pflicht abschafft – zumal wenn, was wahrscheinlich ist, die Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) zulasten der Kleriker noch mehr politische Bedeutung erlangen. Dies dürfte jedoch nicht ausreichen und zu spät sein, da das Regime nach dem Aus des Abkommens keine Möglichkeiten hätte, die wirtschaftliche Lage zügig zu verbessern. Intensivere Beziehungen zu Russland – einem weiteren Land, gegen das schwere Sanktionen verhängt wurden – werden den Verlust an Möglichkeiten und die Einkommensverluste, die das Regime durch das Ende des JCPOA erleidet, nicht ausgleichen können. Das Bündnis mit Russland mag für das iranische Regime unter rein sicherheitspolitischen Gesichtspunkten zweckmäßig sein, aber langfristig könnte es sich als strategisches Desaster erweisen.
Dieser Artikel gibt die persönliche Meinung des Verfassers wieder und stimmt nicht zwangsläufig mit der Auffassung der S&D-Fraktion überein.
Aus dem Englischen von Christine Hardung