Lesen Sie diesen Artikel auch auf Englisch und Russisch.

Als der knappe Sieg des amtierenden polnischen Präsidenten Andrzej Duda in der Stichwahl vom 12. Juli letztendlich feststand, folgte sogleich die Glückwunsch-Nachricht aus Washington. Über sein Wahlmedium Twitter gratulierte der US-Präsident seinem „Freund“ zu dessen „historischer Wiederwahl“. Tatsächlich sind die Beziehungen Polens zu den Vereinigten Staaten heute eng wie selten zuvor, insbesondere seit dem Einzug Donald Trumps in das Weiße Haus.

Die Vereinigten Staaten nehmen seit 1989 eine Schlüsselrolle in der polnischen Außenpolitik ein und die strategischen Beziehungen zu den USA gelten als „Rückgrat der polnischen Sicherheitspolitik“ (Kai-Olaf Lang). Aus polnischer Perspektive sind gute und enge Beziehungen zu den USA essenziell für die eigene Sicherheit. Daher zeigte sich Polen stets bemüht, den Erwartungen der USA an ihre Bündnispartner entgegenzukommen, sei es durch die Teilnahme an der umstrittenen Irak-Invasion 2003 oder der Erfüllung des „Zwei-Prozent-Ziels“, also der Anhebung der staatlichen Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Diese sicherheitspolitische Sonderrolle der USA scheint nicht unbegründet. Neben seiner geopolitischen Lage am Rande der Europäischen Union mit einer direkten Landgrenze zur russischen Exklave Kaliningrad, blickt Polen auf die eigene geschichtliche Erfahrung mit Russland bzw. der Sowjetunion in der Rolle als Besatzer bzw. regionale Hegemonialmacht und damit als existenzielle Bedrohung für die Souveränität Polens als Staat.

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern führte der Amtsantritt Trumps im Januar 2017 zu keinerlei Spannungen im polnisch-amerikanischen Verhältnis. Ganz im Gegenteil: Beide Seiten entwickelten schnell Sympathie füreinander. Die polnische Regierung hofiert Trump wie keinen zweiten Politiker und räumt dem US-Präsidenten einen Ehrenplatz in der polnischen Außenpolitik ein. So bot man Trump 2017 bei seinem Warschau-Besuch im Vorfeld des G-20-Gipfels in Hamburg eine große Bühne. Seine Rede vor dem Denkmal des Warschauer Aufstands wurde von der Menge begeistert entgegengenommen. Anders als von Amtsvorgänger Barack Obama, der im Gespräch mit Duda bei seinem Warschau-Besuch 2016 die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze anmahnte, muss Polen derlei von Donald Trump nicht befürchten. Dieser lobte zuletzt bei Dudas kurzfristig anberaumtem Washington-Besuch Ende Juni dieses Jahres die polnischen „Bemühungen zur Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit“.

Während die Trump-Administration in Polen einen Anker in einem weithin Trump-kritischen Europa sieht, versucht die polnische Regierung, die vielfachen Zerwürfnisse zwischen dem US-Präsidenten und zahlreichen europäischen Regierungen für sich zu nutzen.

Dabei ist die Nähe beider Länder durchaus von handfesten politischen Interessen geprägt. Während die Trump-Administration in Polen einen Anker in einem weithin Trump-kritischen Europa sieht, versucht die polnische Regierung, die vielfachen Zerwürfnisse zwischen dem US-Präsidenten und zahlreichen europäischen Regierungen, darunter Deutschland, für sich zu nutzen. So versteht sich Polen zunehmend als Vermittler zwischen den Vereinigten Staaten auf der einen Seite und der Europäischen Union samt ihren Mitgliedstaaten auf der anderen.

Neben dem Versuch, sich durch gute Beziehungen zu den USA in Europa außenpolitisch zu profilieren, dürfte für die polnische Regierung die anfangs diskutierte sicherheitspolitische Funktion der USA die maßgebliche Triebfeder für das eigene Handeln sein. Politisches Ziel Warschaus, das dem Land von Kritikern bereits die Bezeichnung als Trojanisches Pferd der USA in Europa eingebracht hat, ist die Stationierung von zusätzlichen US-Truppenkontingenten auf polnischem Territorium. Idealerweise wäre dies eine dauerhafte US-Militärbasis in Polen, die man dem US-Präsidenten unter dem Namen „Fort Trump“ versucht schmackhaft zu machen.

Auch im Bereich der Energiesicherheit sind Polen und die USA wichtige strategische Partner und teilen gemeinsame Interessen. So sind sich beide Staaten einig in ihrer Ablehnung des Nord Stream II-Pipeline-Projekts, das russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland leiten soll. Während Polen der Pipeline bereits während der Vorgängerregierung unter Donald Tusk äußerst kritisch gegenüberstand, hat sich die Haltung der USA erst seit dem Amtsantritt Donald Trumps verschärft. Nord Stream II wird dabei als strategischer Versuch von Russlands Präsident Wladimir Putin betrachtet, über die Energieversorgung politischen Einfluss innerhalb der EU zu erlangen. Um die Fertigstellung der Gas-Pipeline zu verhindern, haben die Vereinigten Staaten die an dem Bau beteiligten Firmen mit Sanktionen belegt. Stattdessen preisen die USA das eigene Flüssiggas als Alternative an.

Die USA sind in Polen beliebt wie kaum ein anderes Land. Aber auch Präsident Trump, dessen Wahl die Beziehungen zahlreicher Staaten zu den USA auf eine harte Probe gestellt hat, genießt in Polen hohes Ansehen.

Bereits 2018 unterzeichnete das vom polnischen Staat betriebene Öl- und Gas-Unternehmen PGNiG eine Vereinbarung zur Lieferung von US-amerikanischem Flüssiggas über zwanzig Jahre. Aus polnischer Sicht ist der Bezug von Flüssiggas aus den USA Teil der eigenen Energiesicherheitsstrategie. 2022 endet der Vertrag mit dem russischen Energiekonzern Gazprom, und Polen möchte sich von russischen Gaslieferungen unabhängig machen. Hierzu passt auch das Bemühen, eine neue Pipeline zu bauen, die norwegisches Gas über Dänemark nach Polen leiten soll.

Die Bedeutung der Vereinigten Staaten in der polnischen Außenpolitik spiegelt sich auch im Ansehen des Landes in Polen wider. Aufschlussreich ist hier ein Blick auf das 2019 Global Attitudes Survey des Pew Research Center, welches im Februar 2020 veröffentlicht wurde. Demnach sind die USA in Polen beliebt wie kaum ein anderes Land. Ganze 79 Prozent der Polinnen und Polen haben eine positive Meinung von den Vereinigten Staaten. Aber auch Präsident Trump, dessen Wahl die Beziehungen zahlreicher Staaten zu den USA auf eine harte Probe gestellt hat, genießt in Polen hohes Ansehen. Auf die Frage, ob sie darauf vertrauen würden, dass Trump in der Weltpolitik das Richtige tue, antworteten 51 Prozent der polnischen Befragten mit Ja. Damit ist Polen das einzige europäische Land, in dem eine Mehrheit dem US-Präsidenten vertraut.

Das Vertrauen der polnischen Befragten in Trump stieg über die vergangenen Jahre hinweg kontinuierlich an, von 23 Prozent 2017 über 35 Prozent 2018 auf nunmehr 51 Prozent im Jahr 2019. Das größte Vertrauen genießt Trump, wenig überraschend, bei den Unterstützern von Polens national-konservativer Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), von denen 61 Prozent angaben, dem US-Präsidenten zu vertrauen. Aber sogar 48 Prozent der Unterstützer der Linken und 45 Prozent der Wähler, die sich in der politischen Mitte verorten, vertrauen dem derzeitigen amerikanischen Staatsoberhaupt.

Möglicherweise mag es Polen sogar gelingen, aus der anvisierten Vermittlerrolle zwischen den USA und Europa außenpolitisches Kapital zu schlagen. Doch diese Überlegungen stehen unter dem Vorbehalt einer Wiederwahl Trumps.

In der Regel sind Staatsbesuche hochrangiger Politiker in Wahlkampfzeiten ein Tabu. Dies hinderte freilich weder Andrzej Duda daran, kurzfristig einen Washington-Besuch anzuberaumen, noch Donald Trump, seinen polnischen Amtskollegen werbewirksam im Weißen Haus zu empfangen. Der polnische Präsident kam am 24. Juni mit US-Präsident Trump zusammen, vier Tage vor dem ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen in Polen. Das Wahlkampf-Team rund um Andrzej Duda versprach sich von dem Besuch einen neuen Schub für den laufenden Wahlkampf und schürte entsprechende Erwartungen. Wer konkrete Ergebnisse erhofft hatte, wurde jedoch enttäuscht. Außer warmen Worten hatte Trump Präsident Duda nicht viel anzubieten. Statt einer Zusage für die personelle Aufstockung der US-Streitkräfte in Polen gab der US-Präsident lediglich bekannt, „wahrscheinlich“ Teile der aus Deutschland abzuziehenden Truppen nach Polen verlegen zu wollen. Doch auch wenn der große Durchbruch ausblieb, kann ein positiver Effekt des Besuchs für Dudas Wahlkampf nicht ausgeschlossen werden.

Mit dem Wahlsieg Dudas scheint einer Fortsetzung der engen polnisch-amerikanischen Beziehungen nichts im Wege zu stehen. Die polnische Regierung ist, einerseits aus wohlüberlegtem strategischem Kalkül, anderseits aber auch aufgrund der weitgehend selbstverschuldeten Isolation innerhalb der EU, in jeglicher Hinsicht auf die Vereinigten Staaten als Partner angewiesen. Möglicherweise mag es Polen sogar gelingen, aus der anvisierten Vermittlerrolle zwischen den USA und Europa außenpolitisches Kapital zu schlagen. Doch diese Überlegungen stehen unter dem Vorbehalt einer Wiederwahl Trumps bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen im November dieses Jahres. Ein erneuter Sieg Trumps wäre zweifelsohne eine gute Nachricht für die Regierenden in Warschau.

Anders sähe es bei einem Erfolg des Demokraten Joe Biden aus. Dieser dürfte zum einen weitaus kritischer als Donald Trump auf den fortschreitenden Umbau des polnischen Justizwesens blicken. Zum anderen wäre eine Biden-Administration wohl bald darum bemüht, die derzeit angespannten Beziehungen der USA zu Staaten wie Deutschland und Frankreich wieder zu verbessern und an alte Partnerschaften anzuknüpfen. In einem solchen Szenario schiene Polen als strategischer Partner der USA in Europa weitaus entbehrlicher als es derzeit der Fall ist. Spätestens im November dürfte sich damit zeigen, ob Polens riskantes außenpolitisches Kalkül aufgeht oder ob man sich letzten Endes verrechnet hat.