Ich habe aus meiner Skepsis über die Denuklearisierungs-Diplomatie zwischen den USA und Nordkorea nie einen Hehl gemacht. Aus gutem Grund stehe ich damit nichtalleinda. Nordkorea ist bekannt dafür, in Bezug auf seine Verpflichtungen zur Nichtverbreitung von Kernwaffen unaufrichtig zu sein, und von Kim Jong-uns Regime kamen 2018 wenig Signale, dass dieses Mal ein anderes Verhalten zu erwarten ist. Zudem war die Herangehensweise der Trump-Administration an die Gipfelpolitik und die Verhandlungen zur Denuklearisierung 2018 überstürzt, dilettantisch und wirklichkeitsfremd.
Das Treffen in Singapur im letzten Jahr wurde in aller Eile organisiert und enthielt lediglich fadenscheinige Verhandlungen auf der Arbeitsebene. In der Zeit danach nutzte Pjöngjang die Diskrepanzen zwischen dem versöhnlich gestimmten Trump und den Hardlinern in seinem Gefolge aus, während die USA in politischen Erklärungen auf einer vollständigen und einseitigen atomaren Abrüstung Nordkoreas bestanden, dem Land aber nur geringe Gegenleistungen boten.
Entsprechend mager waren die Ergebnisse der Denuklearisierungs-Diplomatie zwischen den USA und Korea im Jahr 2018. Kim polierte sein Image etwas auf und erreichte eine Aussetzung der gemeinsamen US-amerikanischen und südkoreanischen Militärübungen. Trump verdiente sich politische Punkte für einen Fototermin-Gipfel und den Stopp der nordkoreanischen Raketen- und Atomtests, zu dem als kosmetische Beigabe noch die Zerstörung nicht mehr benötigter Raketen- und Atomtestanlagen hinzukam. Trotz Fortschritten bei der interkoreanischen Versöhnung kam die Denuklearisierungs-Diplomatie in der zweiten Jahreshälfte 2018 zum Erliegen und die Chef-Diplomaten der USA, Mike Pompeo und Stephen Biegun, hatten kaum Kontakt zu ihren Amtskollegen aus Pjöngjang. Bis heute gibt es keine gemeinsame Definition von Washington und Pjöngjang, was Denuklearisierung eigentlich bedeutet. Kim baut nach wie vor nuklear bestückte Raketen.
Auf dem anstehenden Gipfel in Vietnam sollen die noch sehr allgemein gehaltenen Ziele aus dem vergangenen Jahr mit Inhalten gefüllt werden.
Trotz alledem sind 2019 erste Zeichen von Fortschritten in den diplomatischen Bemühungen zwischen den USA und Nordkorea um eine atomare Abrüstung zu erkennen. Washington und Pjöngjang haben in mehreren wichtigen Verhandlungsfragen fast unmerklich ihre Positionen verändert, was mögliche Kompromisse andeutet, die 2018 noch unerreichbar gewesen wären. Von entscheidender Bedeutung ist, dass Pompeo und Biegun jetzt die Treffen mit ihren Amtskollegen zur Vorbereitung eines zweiten Trump-Kim-Gipfels am 27. und 28. Februar im vietnamesischen Hanoi ernst nehmen.
Auf diesem Folgegipfel sollen die vier in der Erklärung von Sentosa noch sehr allgemein gehaltenen Ziele mit Inhalten gefüllt werden: eine Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und Nordkorea, ein Friedensregime auf der koreanischen Halbinsel, eine Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel sowie die Rückführung der sterblichen Überreste von Kriegsgefangenen und im Krieg vermissten amerikanischen Soldaten.
Die grundlegenden Bedingungen für eine erfolgreiche Gipfel-Diplomatie sind gegeben. Wie schon das ganze Jahr 2018 hindurch bestehen für die drei wichtigsten Gipfel-Akteure – Trump, Kim und den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in – starke innen- und außenpolitische Anreize, das diplomatische Momentum aufrechtzuerhalten. Natürlich war das Treffen von 2018 ein diplomatischer Blindgänger und dementsprechend mehr steht jetzt in Vietnam auf dem Spiel, denn so unausgegorene Ergebnisse wie die Erklärung von Sentosa werden Trump und Kim der heimischen Wählerschaft nur schwerlich als Fortschritt verkaufen können. Das würde sich wie eine Rückkehr zum Konflikt im Stil von 2017 anhören.
Ein großartiges Ergebnis ist nicht sehr wahrscheinlich; zu erwarten ist eher ein bescheidenerer Fahrplan mit der Vereinbarung kleinteiliger Maßnahmen.
Zum Glück gibt es anders als vor dem Singapur-Treffen von 2018 eine weitere grundlegende Voraussetzung für einen erfolgreichen Gipfel: eine angemessene Vorbereitung im Vorfeld. Seit Monaten findet unbemerkt ein Austausch über Geheimdienstkanäle statt. Pompeo und Trump trafen sich kürzlich mit Kim Yong-chol, einem politischen Schwergewicht aus Pjöngjang. Biegun hat sich in Washington, Seoul, Schweden und Pjöngjang mit seinen süd- und nordkoreanischen Verhandlungspartnern getroffen. Als Sondergesandter für Nordkorea scheint er inzwischen von Nordkorea anerkannt zu werden, was es ihm ermöglichen sollte, für die Agenda des Gipfels weitere inhaltliche Aspekte auszuhandeln. Dass sich die Sitzungen des Gipfels über zwei Tage erstrecken – statt wie in Singapur über nur einen – gibt beiden Seiten mehr Zeit, die Vereinbarungen zu konkretisieren.
Im besten Fall wird in Hanoi ein Ergebnis zu erreichen sein, das wir uns schon für 2018 wünschten: ein Fahrplan für friedliche, von allen Seiten abgesegnete Denuklearisierungs-Maßnahmen, die gleichzeitig, parallel, schrittweise und in einem klar begrenzten Zeitrahmen durchgeführt werden sowie substantiell, umfassend, nachprüfbar sind und mit weiteren Anreizen einhergehen. So ein großartiges Ergebnis ist jedoch nicht sehr wahrscheinlich; zu erwarten ist eher ein bescheidenerer Fahrplan mit der Vereinbarung kleinteiliger Maßnahmen.
Dabei wären zahlreiche Maßnahmen denkbar, aber sieben davon scheinen für mögliche Mischvereinbarungen in einem begrenzten Gipfel-Abkommen von Hanoi auf der Tagesordnung zu stehen: den Koreakrieg offiziell für beendet zu erklären, die Offenlegung Nordkoreas über Bestandteile seines Raketen- und Atomwaffenprogramms, eine Fortsetzung vertrauensbildender Maßnahmen, Nordkoreas Abbau einer bedeutenden Atomanlage, eine teilweise Lockerung der Sanktionen gegen Nordkorea, die Einstellung der Produktion von spaltbaren Materialien und Raketen in Nordkorea sowie eine Entschärfung der militärischen Rolle der USA auf und rund um die koreanische Halbinsel.
Eine mögliche Friedenserklärung könnte auch China und Südkorea miteinbeziehen und damit der Diplomatie auf der koreanischen Halbinsel eine multilaterale Note verleihen.
Zunächst erlebten wir das Wiederaufleben der Idee von „Erklärung gegen Erklärung“, bei der Washington zustimmen würde, den Koreakrieg für beendet zu erklären, wenn Pjöngjang im Gegenzug die Bestandteile seines Raketen- und Atomwaffenprogramms (vermutlich teilweise) offenlegen würde. Diese Idee nahm Fahrt auf, verschwand aber 2018 wieder in der Schublade, als Pjöngjang Bedenken äußerte, dass seine Offenlegung als Vorgabenliste fungieren könnte, während Washington realisierte, dass die Erklärung, der Krieg sei beendet, Anlass für politische Forderungen geben könnte, das Bündnis von USA und Südkorea aufzulösen.
Mehrere von Bieguns Bemerkungen in diesem Jahr, vor allem seine kürzlich an der Stanford University gehaltene Rede, weisen jedoch darauf hin, dass dieser Austausch wieder auf dem Tisch liegt. Möglicherweise wird er begleitet von vertrauensbildenden Maßnahmen auf der koreanischen Halbinsel wie der weiteren Aussetzung der gemeinsamen US-amerikanischen und südkoreanischen Militärübungen, der Rückführung der sterblichen Überreste von Soldaten und/oder der Eröffnung eines US-Verbindungsbüros in Nordkorea. Eine mögliche Friedenserklärung könnte auch China und Südkorea miteinbeziehen und damit der Diplomatie auf der koreanischen Halbinsel eine multilaterale Note verleihen.
Zum zweiten wurde auch der kontinuierliche Abbau von Teilen des Nuklearkomplexes in Yongbyon als möglicherweise konkretes Ergebnis des Gipfels in Vietnam genannt. Eine große Frage dabei ist offensichtlich, welche „entsprechenden Maßnahmen“ Pjöngjang dafür fordern würde. Am wahrscheinlichsten ist wohl die Forderung nach einer Lockerung der Wirtschaftssanktionen, auch wenn die USA diesen wirkungsvollen diplomatischen Hebel nur sehr ungern aus der Hand geben werden.
Der Überprüfungsmechanismus für den Produktionsstopp in Nordkorea würde ein strategisches Vertrauen voraussetzen, das derzeit nicht gegeben ist.
Dennoch lassen Kommentare von Biegun und Pompeo darauf schließen, dass die USA zu einigen Sanktionserleichterungen bereit sein könnten. Davon ausgeschlossen wären aber sicherlich internationale sektorale Sanktionen, die von den USA im Bedarfsfall nicht so einfach wieder eingeführt werden könnten. Plausiblere Optionen wären Ausnahmeregelungen für bestimmte Aktivitäten – wie Touren im Kumgang-Gebirge und der Ausbau des interkoreanischen Eisenbahnverkehrs – oder die Aufhebung von US-Sekundärsanktionen, die auch einseitig wieder verhängt werden könnten.
Zwei weitere Verpflichtungen werden als erreichbar erachtet: Pjöngjangs Einwilligung, die Produktion von spaltbarem Material und Raketen einzustellen sowie die Reduzierung der militärischen Präsenz der USA auf und rund um die koreanische Halbinsel. Letzteres könnte sowohl die Reduzierung von in Südkorea stationierten US-Truppen und Materialien beinhalten als auch die Verlagerung von strategischen Waffen von asiatisch-pazifischen Standorten, von denen aus ein Angriff auf Nordkorea möglich ist.
Die letztgenannten Schritte sind aber vermutlich zu ehrgeizige Wünsche für den Gipfel in Vietnam. Der Überprüfungsmechanismus für den Produktionsstopp in Nordkorea würde ein strategisches Vertrauen voraussetzen, das derzeit nicht gegeben ist, während eine wesentliche Veränderung der militärischen Stellungen der USA auf und um die koreanische Halbinsel unverhältnismäßig gegenüber dem wäre, was Pjöngjang momentan glaubhaft an Denuklearisierungs-Maßnahmen anbieten könnte. Zudem würde dabei heruntergespielt, dass eine derartige Veränderung sich auf die gesamte strategische Position der USA im asiatisch-pazifischen Raum auswirken würde.
Eine Mischung aus obengenannten Maßnahmen – von denen einige wahrscheinlicher zu erreichen sind als andere – werden zusammen mit einem Zeit- und Fahrplan für ihre Umsetzung Gegenstand der Verhandlungen vor und während des Treffens in Hanoi sein. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sich in diesen Fragen eine Einigung erzielen lässt.
Der derzeit von oben nach unten geführte Prozess birgt zwei Risiken: dass die Verhandlungen ganz scheitern oder aber Trumps Talent zum Opfer fallen, schlechte Abkommen auszuhandeln.
Denkt man über die bisherigen Grenzen hinaus, gäbe es auch die (unwahrscheinliche) Möglichkeit, dass ein erfolgreiches Treffen in Hanoi den Grundstein dafür legen könnte, dass die USA letztendlich ein Abkommen aushandeln, unter dem Nordkorea einen Teil seines Atom- und Raketenarsenals behalten könnte, um im Gegenzug sein Atomwaffenprogramm und seine ballistischen Interkontinentalraketen vollständig zu zerstören.
Dahinter steckt die Logik, dass es Trump vor allem um die Sicherheit des US-Territoriums geht, was auch Pompeo und Biegun kürzlich als Priorität der USA herausstellten. Damit wären Japan und Korea weiterhin den nordkoreanischen Kurz- und Mittelstreckenraketen ausgesetzt, aber Trumps Einsatz für seine Verbündeten ist eben nicht sonderlich ausgeprägt. So ein Schritt würde direkt zu Waffenkontrollen in Nordkorea statt zu einer Denuklearisierung führen, was unvorhersehbare Folgen für eine nukleare Weiterverbreitung hätte.
Die Verhandlungen zwischen den USA und Nordkorea über eine Denuklearisierung werden letztlich wohl scheitern: Washington und Pjöngjang haben gegensätzliche Interessen, bisher wurde noch nichts Entscheidendes erreicht und das Kim-Regime hat immer noch nicht öffentlich erklärt, für die Zugeständnisse, die die USA machen könnten, zu einer Denuklearisierung bereit zu sein. Tatsächlich könnte diese gesamte diplomatische Odyssee ein Manöver Pjöngjangs sein, Trump in die Irre zu führen. Der derzeit von oben nach unten geführte Prozess birgt zwei Risiken: dass die Verhandlungen ganz scheitern oder aber Trumps Talent zum Opfer fallen, schlechte Abkommen auszuhandeln.
Trotz dieser Warnungen und Mahnungen gibt es Grund für gedämpften Optimismus, wenn auch nicht für Schwärmerei, für die Trump-Kim-Diplomatie zu nuklearen Fragen. Das wahrscheinlichste Ergebnis von Hanoi ist weder ein Scheitern noch ein Durchbruch, sondern ein mäßig nutzbringender Kompromiss über einen Fahrplan, in dem sich beide Seiten zu einigen bedeutsamen, aber nicht wirklich entscheidenden Aktionen verpflichten. Danach ist mittelfristig mit fortgesetztem „Durchwursteln“ zu rechnen. Die Welt sollte sich auf ein Scheitern der Verhandlungen einstellen, aber bereit stehen, um schrittweise Erfolge zu unterstützen.