Dieser Schritt geht weit über reine Symbolik hinaus: Deutschland ist als 18. Mitglied dem UN Command in Korea (UNC) beigetreten. Das UNC war ursprünglich am 7. Juli 1950 nach der Anerkennung der Aggression durch die Demokratische Volksrepublik Korea (Nordkorea) gegen die Republik Korea (Südkorea) durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zur Unterstützung Südkoreas etabliert worden. Seit der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens 1953 besteht die Hauptaufgabe der von den USA geführten multinationalen Truppe darin, die Aufrechterhaltung des Waffenstillstands zu überwachen sowie den innerkoreanischen Dialog zu fördern. Seit dem 2. August dieses Jahres ist Deutschland nun Teil des UN Command.
Bereits 2019 bemühte sich die Bundesrepublik darum, dem UNC beizutreten. Dies wurde jedoch vom damaligen Präsidenten Südkoreas, Moon Jae-in, abgelehnt, um seine auf Entspannung und Einbindung ausgelegte Nordkoreapolitik nicht zu gefährden – denn Pjöngjang fordert schon lange die Auflösung des UNC. Seither hat sich die Situation auf der koreanischen Halbinsel jedoch ebenso grundlegend verändert wie die Haltung der konservativen Regierung Yoon Suk Yeols, die sich um eine Ausweitung der Zusammenarbeit mit den UNC-Mitgliedstaaten bemüht hat, um die wachsende militärische Bedrohung durch Nordkorea abzuschrecken. Vor diesem Hintergrund traf die erneute deutsche Bewerbung um die Mitgliedschaft 2024 auf breite Unterstützung, sowohl in Südkorea als auch in den USA.
Für den Beitritt Deutschlands zum UNC lassen sich mehrere Gründe festmachen. Zuvorderst ist der Schritt eine konsequente Fortsetzung der immer engeren bilateralen Beziehungen Deutschlands zu Südkorea. Das Land wird von Berlin nun als einer seiner beiden wichtigsten asiatischen Partner angesehen. Aufbauend auf den traditionellen Kooperationsfeldern – Wirtschaft, Teilung/Wiedervereinigung, Kultur und Wissenschaft – haben sich die Beziehungen zwischen Berlin und Seoul in der jüngeren Vergangenheit auf weitere Politikfelder und insbesondere auch auf den strategischen Bereich ausgeweitet.
Konkrete Beispiele hierfür sind etwa ein von Bundeskanzler Olaf Scholz und Präsident Yoon Suk Yeol angekündigtes Abkommen zum Schutz militärischer Informationen, welches darauf abzielt, die praktische Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich zu stärken und die Lieferketten der Verteidigungsindustrie zu stabilisieren. Ausgebaut wurde auch die cybersicherheitspolitische Zusammenarbeit. Im März 2023 sowie im Februar 2024 veröffentlichten der deutsche Verfassungsschutz und der koreanische National Intelligence Service zwei gemeinsame Sicherheitshinweise, um auf nordkoreanische Cyberspionagekampagnen aufmerksam zu machen – ein Novum in der cybersicherheitspolitischen Kooperation zwischen Europa und Südkorea.
Deutschlands Beitritt zum UNC ist durchaus Ausdruck der dramatisch gewachsenen Bedeutung Südkoreas für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik.
Für die gewachsene Bedeutung sicherheitspolitischer Aspekte im deutsch-koreanischen Verhältnis spricht ferner, dass die Deutsche Luftwaffe im Nachgang zu den multinationalen Militärübungen Pitch Black und Kakadu in Australien an Kooperationen mit Südkorea und Japan teilnahm und sich die Bundesrepublik im Rahmen ihrer Einsätze im Indopazifik wiederholt an der Überwachung der Sanktionen gegen Nordkorea beteiligte. So betrachtet ist Deutschlands Beitritt zum UNC durchaus Ausdruck der dramatisch gewachsenen Bedeutung Südkoreas für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik. Dies betonte auch Verteidigungsminister Boris Pistorius im Rahmen der Beitrittszeremonie: Die Bundesrepublik zeige mit diesem Schritt deutlich, dass die Republik Korea für Deutschland nicht nur ein überaus wichtiger Partner, sondern ein echter Wertepartner sei.
Daher dient der Beitritt zweitens auch dazu, Einigkeit und Standhaftigkeit gegen jene zu demonstrieren, die diese gemeinsamen Werte und die internationale Ordnung angreifen. Er ist als Ausdruck des deutschen Einsatzes für die Aufrechterhaltung der regelbasierten internationalen Ordnung zu sehen – und diese, so Pistorius, müsse an unterschiedlichen Orten dieser Welt gegen Provokationen und angesichts der Bedrohung durch Aggressoren verteidigt werden, in Europa genauso wie im Indopazifik. So spiegelt der Beitritt insbesondere auch die Besorgnis Berlins über den Einmarsch Russlands in die Ukraine und die verstärkte militärische Zusammenarbeit zwischen Moskau und Pjöngjang wider, die jüngst im Abschluss einer umfassenden strategischen Partnerschaft mündete.
Die Mitgliedschaft im UNC ist drittens auch ein Ausdruck der grundlegenden Überzeugung der Bundesregierung, dass die europäische Sicherheit eng mit der Sicherheit im indopazifischen Raum verbunden und ein stärkeres Engagement im Indopazifik daher unerlässlich sei. Dabei ist die Mitwirkung im UN Command nicht nur ein konkreter Beitrag, den Deutschland realistisch zu leisten vermag. Es ist auch ein Schritt, um das deutsche Engagement in der Region auf eine dauerhaftere Ebene zu setzen.
Nordkorea bezeichnete das UNC in der Vergangenheit wiederholt als „amerikanisches Konfrontations-Instrument“ und eine „illegale Kriegsorganisation“.
Auch wenn die Bundesrepublik wiederholt beteuerte, dass sich der Beitritt zum UNC nicht gegen Nordkorea richte, wurde der Schritt von Pjöngjang – wenig überraschend – vehement kritisiert. Nordkorea bezeichnete das UNC in der Vergangenheit wiederholt als „amerikanisches Konfrontations-Instrument“ und eine „illegale Kriegsorganisation“. In einer Meldung der Nachrichtenagentur KCNA verurteilte ein Sprecher des Außenministeriums den Beitritt Deutschlands zum UNC als einen „Akt, der den Frieden und die Stabilität auf der koreanischen Halbinsel bedrohe“ und somit „unweigerlich die militärische und politische Situation auf der koreanischen Halbinsel und in der Region verschärfe“. Außerdem warnte er, dass Nordkorea seine Selbstverteidigungsfähigkeiten weiter ausbauen und Deutschland für die Verschärfung der regionalen Spannungen die volle Verantwortung tragen werde.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob sich Deutschland mit dem Beitritt zum UNC selbst um eine mögliche Vermittlerrolle im Konflikt auf der koreanischen Halbinsel bringt. Dies ist klar zu verneinen, denn Deutschland steht in dem Konflikt ganz deutlich an der Seite Südkoreas und der USA – und wurde daher auch seitens Nordkoreas nicht als möglicher unabhängiger Vermittler wahrgenommen. So war die Bundesrepublik in der Vergangenheit beispielsweise auch eine der treibenden Kräfte für härtere EU-Sanktionen gegen Nordkorea. Das ist auch Nordkorea bewusst. Dennoch stellt sich die Frage, wie der deutsche Beitritt zum UNC die bilateralen Beziehungen zwischen Berlin und Pjöngjang beeinflussen wird. Trotz der scharfen rhetorischen Verurteilung Deutschlands durch Nordkorea ist es eher unwahrscheinlich, dass Pjöngjang die Beziehungen zur Bundesrepublik vollständig abbrechen wird. Letztlich unterhält Nordkorea auch weiterhin Beziehungen zu anderen UNC-Mitgliedern, wie etwa zum Vereinigten Königreich oder Schweden. Nicht auszuschließen ist hingegen, dass der Schritt etwaige Engagement-Initiativen Deutschlands gegenüber Nordkorea in der Zukunft (negativ) beeinflussen könnte.
Der Beitritt Deutschlands zum UNC ist weit mehr als bloße Symbolik. Zwar muss das genaue Mandat Deutschlands innerhalb des UNC noch ausdefiniert werden, und es kann davon ausgegangen werden, dass der Beitritt nicht notwendigerweise bedeutet, dass Deutschland greifbare Unterstützung in Form von militärischen Mitteln anbieten werde. Vielmehr wird es, wie bei den meisten Mitgliedstaaten, wohl primär um eine Einbindung in die Austausch- und Dialogprozesse des UNC sowie um begrenzte personelle Unterstützung gehen. Dennoch untermauert Deutschland damit sein Engagement in der Region und sein langfristiges Commitment gegenüber Südkorea. Darüber hinaus ist daran zu erinnern, dass das UNC, trotz der ablehnenden Haltung Nordkoreas, eine wichtige Rolle im Konflikt auf der koreanischen Halbinsel spielt. Oftmals ist es der erste – und immer häufiger der einzige – Kommunikationskanal mit Nordkorea in Krisenfällen.