„Globalismus“ als eine zu bekämpfende Ideologie, Global Governance als eine Form der unbotmäßigen Kontrolle und Beherrschung – Donald Trump machte wie gewöhnlich aus seinem Herzen keine Mördergrube, als er am 25. September zur UN-Generalversammlung sprach. Keine Frage, multilaterale Institutionen wie die Vereinten Nationen und Multilateralisten haben derzeit einen schweren Stand.

Gefühlt liegt das Jahr 2015 länger als drei Jahre zurück. Bei der UN-Generalversammlung vor drei Jahren einigten sich 193 Mitgliedstaaten mit der 2030 Agenda erstmals auf einen umfassenden gemeinsamen Entwicklungsfahrplan. Er soll die sozial-ökologische Transformation der Welt vorantreiben, Hunger und Armut überwinden und die Umweltverträglichkeit des Wirtschaftssystems erreichen. Der Annahme der Agenda war ein dreijähriger zwischenstaatlicher Verhandlungsprozess vorangegangen. An seinem Ende stand ein Konsens. Ein vergleichbarer Meilenstein des Multilateralismus scheint heute in weite Ferne gerückt zu sein.

Die „Globalität“ von Phänomenen wie dem Klimawandel, Cybersecurity und Migration wird täglich augenscheinlicher. Gleichzeitig wächst die Zahl derer, die Lösungen im nationalen Alleingang suchen und konsensuale Lösungen im multilateralen Kontext erschweren und behindern. Dabei braucht die wachsende Interdependenz mehr internationale Kooperation, nicht weniger.

Die Generaldebatte der UN-Generalversammlung im September eines jeden Jahres, in der die Staats- und Regierungschefs sprechen, steht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Die eigentliche Arbeit findet in den Komitees und UN-Organen statt und erstreckt sich über den Zeitraum der folgenden 12 Monate.

“Making the United Nations Relevant to All People: Global Leadership and Shared Responsibilities for Peaceful, Equitable and Sustainable Societies" ist das Motto der 73. Generalversammlung der Vereinten Nationen, die am 18. September 2018 mit ihrer Sitzungsperiode 2018/2019 begonnen hat. Gewählt hat das Motto die ecuadorianische Außenministerin Maria Fernanda Espinosa Garcés, die der aktuellen Generalversammlung als Präsidentin vorsitzt. Damit wird die Generalversammlung zum vierten Mal in ihrer Geschichte von einer Frau geleitet. Auch der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) wird in der Periode 2018/19 von einer Frau geleitet: Inga Rhonda King, Diplomatin von der karibischen Insel St. Vincent and the Grenadines. Sie leitet als erste Frau aus dem Globalen Süden den Rat. Damit ist sie auch für das High-Level Political Forum zuständig, das sich mit der Umsetzung der Nachhaltigkeitsagenda befasst. So stehen zwei Frauen aus Lateinamerika und der Karibik an der Spitze zweier UN Organe in Zeiten großer Zweifel und Kritik an den Institutionen der Global Governance.

Die Effizienz und Effektivität der UN soll erhöht werden. Gleichzeitig ist der Haushalt unter Druck.

Neben den kriegerischen Konflikten und den humanitären Katastrophen wird der Klimawandel die Agenda der UN prägen. Nach Schätzungen hat er die Menschheit im Jahr 2017 320 Milliarden Dollar gekostet. UN Generalsekretär Antonio Guterres hat einen UN-Gipfel im September 2019 in New York unter dem Titel A Race We Can Win. A Race We Must Win angeregt. Die Umsetzung des Paris Abkommens soll überprüft, erforderliche Ressourcen mobilisiert und gebündelt werden.

Mit 258 Millionen Migranten weltweit - Stand 2017 - wird die menschliche Mobilität in all ihren Formen weiterhin auf der nationalen und internationalen Tagesordnung stehen. Anfang des Jahres 2019 soll der Global Compact on Migration in der UN verabschiedet werden. Er soll die Migrationspolitik auf nationaler und internationaler Ebene prägen.

Das Thema Atomwaffen wird auch im Zuge der Vorbereitungen der Überprüfungskonferenz im Jahr 2020 (2020 NPT Review Conference) in den Debatten eine Rolle spielen. Die Stagnation beim Abbau von Nuklearwaffen hat eine Vielzahl von Mitgliedsstaaten motiviert, konstruktiv über einen Nuklearwaffenverbotsvertrag zu verhandeln. Dieser wurde im Jahr 2017 von 122 Staaten angenommen. Er wird in Kraft treten, wenn 50 Staaten ihn ratifiziert haben. Die Unterzeichner nutzen die Gelegenheit der Generaldebatte der 73. Generalversammlung, um für den Vertrag zu werben.

2018 wurden drei UN-Reformen im Bereich Management, Entwicklungssystem und Friedenssicherung auf den Weg gebracht. Ihre Umsetzung wird die Organe der UN beschäftigen. Ziel ist eine UN, die fit for purpose ist – auch im Sinne der hohen Anforderungen der 2030 Agenda. Parallel zu solchen weitreichenden Umstrukturierungsmaßnahmen, die die Effizienz und Effektivität der UN erhöhen sollen, ist der Haushalt der UN unter Druck. Hintergrund sind die Einsparungen (auf Druck der USA) und die verspäteten Zahlungen einiger Staaten (unter anderem der USA) in diesem Jahr. Der wachsende Anteil an finanziellen Beiträgen für spezifische Programme und der sinkende Anteil des core budgets schränkt die Operationsfähigkeit der UN weiter ein.

Im sozial- und entwicklungspolitischen Bereich wird die UN sich im Rahmen von verschiedenen Kommissionen mit Themen der sozialen Sicherung, der Bekämpfung von Ungleichheit, Lohnpolitik und dem Zugang zu öffentlichen Leistungen befassen. Im Rahmen der Überprüfung der Umsetzung der Agenda 2030 (auf der Basis von freiwilligen Berichten der Staaten) werden die Nachhaltigkeitsziele Bildung, Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum, weniger Ungleichheit, Maßnahmen zum Klimaschutz, zu Frieden, Gerechtigkeit und starke Institution und Partnerschaften zur Erreichung der Ziele aufgerufen. Das zuständige Gremium der UN (Highlevel Political Forum) tagt unter dem Titel Empowering people and ensuring inclusiveness and equality im Juni und als Teil der 74. Generalversammlung 2019.

 Deutschland wird während seiner Präsidentschaft des Sicherheitsrats auf die Probe gestellt werden.  

Die Zusammensetzung des Sicherheitsrates für den Zeitraum 2019 bis 2020 hat sich mit der Wahl im Juni 2018 entschieden: Neben den fünf permanenten Mitgliedern (USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien) sind als neue nicht-permanente Mitglieder (anstelle der 2018 ausscheidenden Länder Schweden, Niederlande, Kasachstan, Bolivien und Äthiopien) Belgien, Südafrika, Indonesien, die Dominikanische Republik und Deutschland in das Gremien gewählt worden. Bereits 2017 wurden für zwei Jahre die Elfenbeinküste, Äquatorial Guinea, Kuweit, Peru und Polen gewählt. Im April 2019 wird Deutschland für einen Monat die Präsidentschaft des Sicherheitsrates übernehmen und damit thematische Akzente setzen können (wenn auch die Agenda des Sicherheitsrates zu einem großen Anteil durch externe Entwicklungen geprägt ist).

Deutschland möchte im Sicherheitsrat einige Konfliktkatalysatoren thematisieren: Dazu gehört der Klimawandel als eine der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – auch und gerade als Quelle und Ursache für Konflikte. Die entscheidende Rolle von Frauen in der Prävention von Konflikten und Schaffung von stabilem Frieden steht ebenso auf der Agenda wie die Themen Gesundheit und Sicherheit, Menschenrechte und Sicherheit sowie das Engagement für den Schutz von humanitären Helfern in Krisengebieten. Große konkrete Themen wie der Wiederaufbau in Syrien, Lösungen für Konflikte in Afrika und der Ukraine stehen – ohne dass sie genannt werden – ebenfalls auf dem Programm. Das Thema Nichtverbreitung von Atomwaffen wird auch in den kommenden Monaten aufgerufen und kontrovers diskutiert werden. Es wird darum gehen, die Unterstützung für den Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) mit dem Iran zu stabilisieren, nachdem die USA das Abkommen aufgekündigt und den Vertrag gebrochen hat. Deutschland gehört zu den Staaten, die sich aktiv für die Beibehaltung des – erfolgreichen – Abkommens einsetzen.

Der Sicherheitsrat ist von Spannungen und vielen Vetoentscheidungen geprägt. Aller Voraussicht nach wird es schwierige Debatten und Entscheidungen geben, die Deutschland auf eine besondere Probe stellen werden. Krisenmanagement auf höchster globaler Ebene wird das Gebot der Stunde sein. Deutschland ist auf dem hot seat, wie der renommierte außen- und sicherheitspolitische Experte Richard Gowan ausführt.

Die Generaldebatte in der 73. Generalversammlung bietet die Gelegenheit, sich – auch mit Blick auf das 75. Jährige Jubiläum der UN im Jahr 2020 – für eine regelbasierte internationale Ordnung einzusetzen und den Worten Taten folgen zu lassen. Die Initiative des deutschen Außenministers Heiko Maas, eine „Allianz von Multilateralisten“ unter den Staaten der Welt zu formen, für die er in der 73. Generalversammlung wirbt, wird von den UN-Mitgliedsstaaten mit großer Aufmerksamkeit verfolgt.