Vorsichtig rang Chinas Außenamtssprecher Qin Gang mit Worten, als er am gestrigen Montag nach Chinas Position zu Moskaus Schritten auf der Krim gefragt wurde: Die Lage habe sich nicht ohne Grund so entwickelt. Peking hoffe, dass alles im Rahmen gegebenen Rechtes geregelt werde. Über diese demonstrative Positionierung hinaus: Kein Kommentar. Auch vielsagendes Schweigen zu der Inter-Tass-Meldung, wonach der chinesische Außenminister mit seinem russischen Amtskollegen am Telefon „weitgehende Einigkeit“ bezüglich der Entwicklung in der Ukraine erzielt habe – sogar hinsichtlich ihren Verhaltens bei der UN, deren Sicherheitsrat am vergangenen Samstag ergebnislos getagt hatte.

In Peking kein Wort zum Maidan

Die öffentlich zur Schau getragene Vorsicht steht in krassem Kontrast zu der Eindeutigkeit, die Peking tatsächlich seit Dezember gefunden hat. Mitte November brach Janukowitsch, Ukraines Ex-Präsident, mit der EU, verkündete die Nähe zu Russland und eilte am 3. Dezember nach Peking. Zwei Tage später wurde er nicht nur von Chinas Staatschef Xi Jinping zu einer Audienz empfangen, sondern erhielt von Xi auch die Zusage: Peking werde im Notfall auch einen Nuklearschutzschirm über die Ukraine aufspannen, sollte diese von Großmächten bedroht sein. 9 Mrd. US-Dollar vergünstigte Kredite und 20 Vereinbarungen breiter Kooperation kamen hinzu. Zu Demonstrationen gegen Janukowitsch auf dem Maidan kein Wort. In China wurde bisweilen sogar jede Wortäußerung für Janukowitsch' Widersacher im Internet zensiert.
Pekings klare Parteiergreifung dauerte auch dann noch an, als Janukowitsch von der Opposition aus dem Amt gejagt wurde und die Flucht ergriff.

In China wurde bisweilen sogar jede Wortäußerung für Janukowitsch' Widersacher im Internet zensiert.

Korrespondierend mit Moskaus Zudrehen des Geldhahns für die Ukraine verklagte Peking gegen Ende Februar Kiew vor einem internationalen Schiedsgericht auf Schadensersatz, da die Ukraine gegen 3 Mrd. US-Dollar Kredite versprochene Getreidelieferungen nicht geliefert habe. Pikanterweise geschah dies just zu der Zeit als Kiew jeden Dollar braucht, um zu überleben. Am 27. Februar, als in westlichen Hauptstädten vor einer russischen Intervention  gewarnt wurde, warnte das KP-Organ Renmin Ribao (Volkszeitung) in Peking mit klaren Worten den Westen davor, in der „Denke des Kalten Krieges“ zu verharren.

Seit langem zeigt Peking in der internationalen Politik gewisse Nähe zu Moskau. Dennoch verwundert gerade in der Angelegenheit um die politische und geo-politische Zukunft der Ukraine, wie Pekings Parteiergreifung so ohne  Rücksicht auf den Westen, vor allem auf die EU, anmutet. Die Ukraine aber auch Länder wie Rumänien und Bulgarien bieten China leichte Zugänge zu europäischen Märkten. Die Ukraine liefert zudem Waffentechnologien nach China, vor allem für Marine und Luftwaffe. Doch die Geschäfte liefen unter Janukowitsch's Gegnern und Vorgängern wie Timoschenko genauso gut. Pekings Chance auf bessere Geschäfte mit Kiew dürften vertan sein, wenn China anderen Eliten in Kiew mit voreiliger Parteiergreifung vor den Kopf stößt. Zudem liegt es auf der Hand, dass eine durch die EU gestützte Ukraine zahlungskräftiger sein dürfte, um chinesische Waren zu kaufen.

Polarisierung nicht nur über die Ukraine

Verständlicher erscheint Chinas Parteilichkeit jedoch, wenn man die aus Pekinger Sicht wahrgenommene Polarisierung zwischen China und der westlichen Welt mit im Blick hat. Ein Beispiel: Ein europäisches Land nach dem anderen zeigte sich im Konflikt mit Japan nicht bereit, Pekings Position wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen. Der britische Premier David Cameron warb bei seinem letzten China-Besuch zwar für eine Freihandelszone mit China. Doch ließ Cameron zur gleichen Zeit seinen Admiral George Zambellas in Tokio verkünden, London unterstütze vorbehaltlos Japans Opposition gegen Chinas Luftabwehrplan über dem Ostchinesischen Meer. In dieser Solidarität folgte Frankreichs Präsident Francios Hollande. Am 5. Dezember 2013 versicherte schließlich das EU-Trio (Van Rompuy, Ashton und Barroso) Tokio gegenüber: Das EU-Waffenembargo gegen China werde nicht nur verlängert, sondern auch auf double-use Komponenten, also auf militärisch wie zivil nutzbare Komponenten ausgeweitet.

Ein Beispiel: Ein europäisches Land nach dem anderen zeigte sich im Konflikt mit Japan nicht bereit, Pekings Position wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen

So gesehen sind Pekings Weichen –  fürs Erste – gestellt: Gen Osten und gegen Westen. Wieweit es damit gehen kann, hängt nicht zuletzt davon ab, inwieweit Putins Russland sich auf einen Konflikt mit dem Westen einlassen will, und ob Moskau, das China jahrzehntelang mit Argwohn, bisweilen mit Feindseligkeit beäugt hatte, Peking nun in einem neuen „Kalten Krieg“ als Partner über den Weg traut.

Fürs Erste sendet Moskau Liebesgrüße nach Peking: Präsident Putin, so berichtet Chinas amtliche Nachrichtenagentur XINHUA ausführlich, habe am Montag sein Mitgefühl mit den Opfern der Terrorattacke in der südchinesischen Stadt Kunming bekundet und verurteile aufs Schärfste jeden Terrorismus. Dass die EU dies indes selbstverständlich auch getan hat, findet in China kaum Beachtung.