Die Sicherheitslage im Ostseeraum und in ganz Europa hat sich nach der Ukraine-Krise und angesichts anhaltender Muskelspiele Russlands entlang der NATO-Grenzen rapide verschlechtert. Das hat Diskussionen über eine NATO-Mitgliedschaft Finnlands und Schwedens neue Nahrung gegeben. Es kann sein, dass beide Länder in den nächsten Jahren entweder allein oder gemeinsam in diese Richtung steuern. Diese Entwicklung ist natürlich wahrscheinlicher, wenn Russland weiter so herausfordernd in der nordisch-baltischen Region auftritt und die öffentliche Zustimmung in Schweden und Finnland zu einer NATO-Mitgliedschaft weiterhin langsam, aber deutlich wächst. Eine NATO-Mitgliedschaft würde Schweden, Finnland wie auch der nordisch-baltischen Region nützen und der NATO insgesamt. Doch noch ist keineswegs ausgemacht, dass die beiden Länder beitreten werden; der Weg zur Mitgliedschaft könnte länger und komplizierter sein als gedacht.
Die NATO-Mitgliedschaft Schwedens und Finnlands würde der NATO politische, strategische und militärische Vorteile bringen.
Der Nutzen einer NATO-Mitgliedschaft für Finnland und Schweden liegt auf der Hand: Damit würden die kollektiven Verteidigungs- und Abschreckungsgarantien des Bündnisses auf zwei kleine Länder ausgedehnt werden, die sich in einem Krieg mit Russland, einer bedeutend größeren Macht (wenn auch nicht mehr so mächtig wie die Sowjetunion) wohl kaum selbst verteidigen könnten. Zudem würden Finnland und Schweden künftig in Brüssel mit am Tisch sitzen und könnten die weitere Entwicklung des Bündnisses mitgestalten. Dazu sind beide Länder heute nicht in der Lage, obwohl sie eng mit der NATO kooperieren und sich in erheblichem Ausmaß auf das Bündnis als Garant für Frieden und Sicherheit in Europa verlassen. Die NATO-Mitgliedschaft Schwedens und Finnlands wäre wohl in erster Linie wichtig für die europäische Sicherheit, würde der NATO aber auch politische, strategische und militärische Vorteile bringen.
Finnland und Schweden sind bekannt als starke Demokratien mit gefestigten Institutionen; als Länder, die sich für Menschenrechte und Frieden einsetzen und Probleme pragmatisch angehen. Ihre Mitgliedschaft würde das Bild der NATO als Bündnis demokratischer Staaten, die gemeinsam wichtige Sicherheitsthemen anpacken, stärken. Dieser Punkt ist nicht zu unterschätzen, wenn man sich anschaut, wie es in manchen Ecken Europas heute um den Zustand der demokratischen Institutionen und Verfahrensweisen bestellt ist.
Die Mitgliedschaft von Schweden und Finnland hätte auch strategische Vorteile für die NATO und die transatlantische Sicherheit. Sie würde dauerhaft die nordöstliche Flanke des Bündnisses stabilisieren, wo es heute immer wieder zu Spannungen zwischen einem säbelrasselnden Russland und der transatlantischen Gemeinschaft kommt. Während Polen und die baltischen Staaten überzeugte NATO-Mitglieder sind, gibt es Befürchtungen, Finnland und Schweden könnten bei einem Konflikt oder einer Krise in der Region zu einer „Grauzone“ werden. Finnland und Schweden mögen aktive NATO-Partner sein, aber dieses Arrangement und ihre Begeisterung stellen keine echte Sicherheitsgarantie dar. Überdies setzt sich in den Hauptstädten der NATO-Mitglieder (und auch in Helsinki und Stockholm) zunehmend die Einsicht durch, dass die beiden skandinavischen Länder tatsächlich Schlüsselrollen bei der Verteidigung der baltischen Staaten spielen könnten. Verstärkung aus den Vereinigten Staaten und von der NATO könnte über den Luftraum und durch die Hoheitsgewässer Finnlands und Schwedens in die Region gelangen, sogar direkt über deren Häfen und Flugplätze. Das erfordert allerdings Planung, Koordinierung, Übungen und Vorbereitungen – und all das wäre sehr viel einfacher, wenn Schweden und Finnland Vollmitglieder der NATO wären.
Schließlich könnten Finnland und Schweden auch ganz konkrete Beiträge zu dem Bemühen der NATO leisten, ihre militärische Kampfkraft auf höchstem Niveau rasch auszubauen. Schweden und Finnland haben beide eine schlagkräftige Luftwaffe; Schweden führt gerade die neueste Generation seiner Kampfflugzeuge vom Typ JAS-39 Gripen ein, Finnland denkt über die F-35 als Ersatz für seine (solide, aber in die Jahre gekommene) F-18-Flotte nach. Schweden verfügt außerdem über U-Boote der Spitzenklasse, die ebenfalls ein wichtiger Faktor sein könnten, wenn Russland in der Ostsee zunehmend aggressiv auftritt. Beide Länder unterhalten bereits enge militärische Beziehungen mit ihren baltischen und skandinavischen Nachbarn, die weiter vertieft und besser genutzt werden könnten, wenn sie NATO-Mitglieder wären.
Einige NATO-Mitglieder könnten dagegen sein, neue Mitglieder aufzunehmen, die eng mit der zentralen Spannungszone zwischen Russland und dem Westen verbunden sind.
Doch trotz aller Vorteile ist es keineswegs sicher, dass Finnland und Schweden der NATO beitreten werden. Sollten sich Stockholm und Helsinki entscheiden, im aktuellen Sicherheitsumfeld in Europa die Annäherung an die NATO zu suchen, würde das mit Sicherheit den Zorn Russlands heraufbeschwören, und Moskau würde sehr wahrscheinlich auf beide Länder Druck ausüben, sich nicht um die NATO-Mitgliedschaft zu bemühen. Auch einige NATO-Mitglieder könnten dagegen sein, neue Mitglieder aufzunehmen, die eng mit der zentralen Spannungszone zwischen Russland und dem Westen verbunden sind. Sie könnten eine weitere Verschlechterung der Beziehungen zu Russland befürchten sowie die Gefahr sehen, dass damit zusätzliche Beistandspflichten für ein sowieso schon stark strapaziertes Bündnis entstünden. Deshalb ist anzunehmen, dass ein schwedischer und/oder finnischer Beitrittsprozess langwieriger sein würde, als viele derzeit erwarten. Und das Ziel der Mitgliedschaft könnte nur erreicht werden, wenn auf der einen Seite die Politik in Schweden und Finnland es entschlossen verfolgt und die Öffentlichkeit es klar unterstützt und auf der anderen Seite die tonangebenden NATO-Mitglieder, einschließlich der Vereinigten Staaten, sich dafür einsetzen.
28 Leserbriefe
Aufgrund der "U-Boot-Sichtungen" hatte sich der Wind in Schweden (und Finnland) in den letzten Jahren in Richtung NATO-Mitgliedschaft gedreht.
Die Aggressoren kommen mitnichten aus Russland, sondern aus der USA und deren Verbündeten. Wir sollten uns schämen, dieses Spiel auch noch mit zu machen.
Insbesondere in der schwedischen Armeespitze scheint es starke rechte, reaktionäre Kräfte zu geben. Die schwedische Bevölkerung/Regierung wäre also gut beraten, keine Nato-Mitgliedschaft anzustreben, um nicht in "Bündnisfälle" verwickelt zu werden, die durch die eigene Armee herbei provoziert werden.
Das ist inzwischen wirklich keine Vertretung meiner Interessen. Seit Ende des kalten Krieg frage ich mich ob nicht die Nato der größere Säbelrassler ist.
Ich habe Ihr Buch über die westlichen Geheimdienstaktivitäten gelesen, das ich sehr gut fand. Zu Ihren Thesen passt das Buch des schwedischen Politikwissenschaftlers Ola Tunander von 2004, in dem er die angebl. sowjetischen U-Boote als Teil einer NATO-Kampagne entlarvt, die dazu dienen sollten, Olof Palmes Friedenspolitik zu konterkarieren (O. Tunander, The secret war against Sweden. US and British Submarine Deception in the 1980ies). Und im Moment erleben wir eine Neuauflage...
Es wird einem himmelangst wenn man diesen Leuten zuhört.
Es gibt nicht das geringste Indiz, das einen militärischen Angriff Russlands auf eines der baltischen/ osteuropäischen Länder auch nur ansatzweise im Bereich des Möglichen erscheinen lässt. Die Märchen von den russischen U-Booten wurden erst kürzlich wieder entlarvt und für Zwischenfälle bei Begegnungen der großen Militärmaschinerien sind beide Mächte gleichermaßen verantwortlich. Aber wenn sie es schaffen FIN u. S in die NATO zu ziehen, können sie ja wieder den russ. Expansionsdrang anprangern. Die NATO richtet die Pistole auf sein Gegenüber, lädt durch und beschwert sich dann wenn der Bedrohte langsam anfängt sein Holster zu öffnen.
Wer sich mit den Fakten beschäftigt (die leider nur selten in der Zeitung stehen), wird feststellen, dass es sich in der Ukraine um einen provozierten Konflikt handelt, der allein dazu dient, Europa zu spalten (Helmut Schmidt hat das erkannt!). Nachdem Schröder, Chirac und Putin 2003 Nein zum völkerrechtswidrigen Irak-Krieg gesagt hatten, hatten die USA die Sorge, dass sich auf dem eurasischen Kontinent eine neue Allianz bilden könnte, die die US-amerikanische Vorherrschaft gefährden würde.
Aber es gibt noch weitere Fragen. Welche Strategie steckt hinter der Installation von Raketenabwehrstationen an der russischen Grenze und könnten diese evtl. auch für einen atomaren Erstschlag gegen Russland eingesetzt werden ? Was würde passieren, auch ohne konventionelle Aufrüstung, wenn Russland den Westen militärisch konventionell angreifen würde ? Wer bezahlt die Aufrüstung, wenn Billionen Dollar in Steueroasen legal versteckt werden ? Wer war der letzte US-Präsident, der vor dem militärisch industriellen Komplex gewarnt hat.
Ich kann noch viel mehr Fragen stellen
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