Meine Haut und mein Kimono waren vollständig mit einer dicken Schicht bronzefarbener Acryl-Wasserfarbe bedeckt. Mein Mund war mit Klebeband überklebt. Am 23. Januar 2012 saß ich so vor der japanischen Botschaft in London. Ich wurde zu einer lebenden „Statue“, die auf japanische „Trostfrauen“ aufmerksam machen sollte. Und auf das Totschweigen ihrer Existenz. Diese Frauen und Mädchen, vorwiegend aus Korea und Taiwan, waren von der kaiserlichen japanischen Armee vor und während des Zweiten Weltkriegs als Sexsklavinnen gehalten worden.

Die „Trostfrauen“ sind ein Beispiel dafür, wie verbreitet gewisse postkoloniale Probleme in Ostasien nach wie vor sind. Die japanische Regierung behauptet nicht nur, dass das Thema mit einer Vereinbarung zwischen den Außenministern Japans und Südkoreas im Jahr 2015 „endgültig und unwiderruflich beigelegt“ worden sei. Sie beharrt auch darauf, dass die „gewaltsame Verschleppung“ von Frauen durch das japanische Militär und die Regierungsbehörden in keinem einzigen historischen Dokument nachgewiesen werden könne. Der Begriff „Sexsklavinnen“ widerspreche daher den Tatsachen und dürfe nicht verwendet werden, so die Regierung in Tokio

Die „Trostfrauen“ sind ein Beispiel dafür, wie verbreitet gewisse postkoloniale Probleme in Ostasien nach wie vor sind.

Inzwischen kritisiert die japanische Regierung sogar die Errichtung von Gedenkstätten in anderen Ländern – und interveniert, wenn Statuen oder andere Kunstwerke mit Bezug auf Kriegsgräuel in Ausstellungen gezeigt werden. Dies war etwa der Fall bei der Ausstellung After: Freedom of Expression? auf der Aichi Triennale 2019, Japans größter Kunstausstellung, oder auch nach der Aufstellung des Mahnmals „Friedensstatue“ des Künstlerduos Kim Seo-kyung und Kim Eun-sung auf dem Unionsplatz im Berliner Stadtteil Moabit 2020.

Geschichtsrevisionisten in Japan behaupten, „Trostfrauen“ seien lediglich Prostituierte gewesen. Da Prostitution in Japan vor dem Zweiten Weltkrieg legal war, gebe es an den damaligen Militärbordellen somit nichts auszusetzen. Nach dieser Logik gibt es auch keinen Grund, Entschädigungen auszuzahlen und/oder Entschuldigungen auszusprechen. Die Wahrheit ist jedoch, dass die „Trostfrauen“ ins Ausland an die Front gebracht wurden und nicht die Freiheit hatten, diese Gebiete nach Belieben zu verlassen – ein Zustand, der selbst nach den Gesetzen im Japan der Vorkriegszeit als Sklaverei angesehen wurde und somit illegal war.

Inzwischen kritisiert die japanische Regierung sogar die Errichtung von Gedenkstätten in anderen Ländern – wie etwa in Berlin.

Mit meiner Performance 2012 in London habe ich insbesondere gegen die Forderung der japanischen Regierung protestiert, eine weitere „Friedensstatue“ zu entfernen. Die wurde 2011 direkt gegenüber der japanischen Botschaft in Seoul aufgestellt und stammt vom selben Künstlerduo wie die in Berlin.

Ich wollte auch Aufmerksamkeit auf die oft ignorierte Tatsache lenken, dass die Gewalt des japanischen Imperialismus nicht auf seine Kolonien beschränkt war: Tatsächlich waren etwa zehn Prozent der „Trostfrauen“ Japanerinnen. Die meisten von ihnen waren Frauen, die an Geisha-Häuser und Bordelle verkauft worden waren. Diese wussten, dass die Frauen für das Militär Sexarbeit leisten sollten. Die Existenz japanischer „Trostfrauen“ veranschaulicht die Unterdrückungsstrukturen innerhalb Japans wie auch in seinen Kolonien: Diejenigen, die aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Klassenzugehörigkeit am schutzlosesten und verwundbarsten waren, wurden vergewaltigt und zum Wohle der kolonialistischen Gesellschaftsordnung missbraucht.

Die gefährliche Simplifizierung des Themas „Trostfrauen“ hat dazu beigetragen, dass jüngere Japanerinnen und Japaner Diskussion dazu komplett meiden.

Nach der ersten Performance vor der japanischen Botschaft in London präsentierte ich das Werk im selben Jahr außerdem am Yasukuni-Schrein in Tokio und vor dem japanischen Parlament. Im Jahr 2018 führte ich es gemeinsam mit der Tomorrow Girls Troop in Glendale in Kalifornien auf, einem feministischen, sozialen Kunstkollektiv, das sich für Geschlechtergerechtigkeit in Ostasien engagiert. Während ich neben einer weiteren „Friedensstatue“ saß, für deren Aufstellung im Glendale Central Park sich eine Gruppe koreanischer US-Amerikanerinnen erfolgreich eingesetzt hatte, führte die Tomorrow Girls Troop das Stück „Against Forgetting“ auf: Acht Darstellerinnen trugen eine Solidaritätserklärung vor, überreichten der Statue Sonnenblumen und umarmten mich während der Aufführung. Die Erklärung lautete: „Wir versammeln uns in Solidarität, um den Trostfrauen der Vergangenheit, die zum Schweigen gezwungen wurden, und den Frauen der Gegenwart, die Folter und Gewalt durch das Militär erleiden, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.“

2019 führte die Tomorrow Girls Troop und ich dieselbe Performance nochmal in Seoul vor der japanischen Botschaft auf. Sowohl in Glendale als auch in Seoul unterstützten die Menschen unsere Performance sehr und verstanden, wie wichtig es ist, das Thema der japanischen „Trostfrauen“ aufzuwerfen. Die Zusammenarbeit mit der Tomorrow Girls Troop war wichtig, um die Performance in einen transnationalen feministischen Kontext zu stellen und um den „in dieser Thematik stark verankerten Nationalismus zu überwinden und Solidarität zu fördern – über die Grenzen zwischen damaligen und heutigen Nationen hinweg“, wie es die Gruppe auf ihrer Webseite beschreibt.

Im Zuge der internationalen „MeToo“-Bewegung ist sexualisierte Gewalt gegen Frauen in den vergangenen Jahren endlich auch in Japan zu einem Thema geworden, das politisch debattiert wird.

Denn auch darauf wollte ich mit der Performance hinweisen: Das Thema „Trostfrauen“ wird auf eine bilaterale Angelegenheit zwischen den Regierungen Japans und Südkoreas reduziert. Ich habe nicht die Absicht, das durch die japanische Kolonialisierung Koreas verursachte Leid zu verharmlosen oder zu relativieren. Ich glaube jedoch, dass das Thema zu sehr vereinfacht und die Tatsache ignoriert wird, dass die soziale Klasse und – natürlich – auch das Geschlecht eine große Rolle spiel(t)en. Diese gefährliche Simplifizierung hat dazu beigetragen, dass jüngere Japanerinnen und Japaner Diskussion über die „Trostfrauen“ komplett meiden. Für sie ist diese Thematik schlicht eine historische Angelegenheit, die von den Regierungen Japans und Koreas geregelt werden sollte.

Im Zuge der internationalen „MeToo“-Bewegung ist sexualisierte Gewalt gegen Frauen in den vergangenen Jahren endlich auch in Japan zu einem Thema geworden, das politisch debattiert wird. Umso wichtiger ist es, das Phänomen „Trostfrauen“ in einer Weise zu behandeln, die die Relevanz für die heutige japanische Gesellschaft unterstreicht: Es handelt sich hierbei nicht nur um historische Ereignisse, sondern um die Verletzung der Menschenrechte von Frauen. Das dies gelingt, dafür müssen Frauen aus Ostasien und darüber hinaus transnational zusammenarbeiten.

Aus dem Englischen von Tim Steins