Mit der goldenen Kutsche durch die Straßen fahren, den jubelnden Menschen zuwinken, sich dann unter den Blicken tausender Zuschauer aus aller Welt eine edelsteinbesetzte Krone aufsetzen und die Feierlichkeiten dann mit einem großen Pop-Konzert ausklingen lassen, das klingt wie der Traum einer jeden Barbie-Prinzessin. Tatsächlich ist das auch die Vorstellung von König Charles III., der dieses Wochenende offiziell gekrönt wird. Das wirkt nicht nur unglaublich extravagant und kostspielig, das ist es tatsächlich auch. Für waschechte Monarchisten ist das zwar das Maß der Dinge, denn schließlich soll hier Charles’ Machtanspruch legitimiert und der Welt die Stärke der britischen Monarchie präsentiert werden. Doch ob eine prunkige Krönungszeremonie Charles tatsächlich dabei hilft, seine Position im Land zu stärken, ist eher zweifelhaft. In der momentanen Inflationskrise könnte dieses Auftreten auch genau das Gegenteil bewirken.
Schon seit einiger Zeit regt sich heftige Kritik an den pompösen Krönungsplänen: zu groß, zu teuer, einfach unangebracht. Damit in Zeiten der Inflation in Großbritannien nicht der Eindruck entsteht, dass hier Geld verschwendet wird oder man den Menschen zu viel zumuten würde, reagierte Charles mit Einsparungen. Im Vergleich zur Krönung seiner Mutter Königin Elisabeth II., zu der damals 8 000 Gäste kamen, sind bei Charles nur bescheidene 2 000 geladen. Doch das scheinbare Einlenken ist trotzdem vorgespielte Bescheidenheit auf Kosten der Bevölkerung. Denn letztendlich ist der Mann schon längst König und die Krönung wird noch immer nicht vom Königshaus bezahlt, sondern vollständig vom Steuerzahler – zu denen die britischen Royals offiziell schon seit 1993 nicht mehr zählen.
Die Krönung wird noch immer nicht vom Königshaus bezahlt, sondern vollständig vom Steuerzahler.
Die Krönung von Königin Elizabeth II. vor 70 Jahren kostete der Nachrichtenagentur PA zufolge 912 000 Pfund, was nach heutigen Maßstäben etwa 50 Millionen Pfund entsprechen würde. Was für Kosten dieses Mal entstehen, wird erst nach den Krönungsfeierlichkeiten bekannt gegeben, doch schon jetzt wird von rund 100 Millionen Pfund ausgegangen. Bei so einer Größenordnung ist es nur ein geringer Trost, wenn Charles’ Krönung ein paar Millionen Pfund weniger kostet als ursprünglich geplant. Wenn immer mehr Menschen das nötige Geld für Heizkosten oder Lebensmittel fehlt und sie ihre Rechnungen nicht bezahlen können.
Der Luxus, den sich König Charles III. auf Kosten der britischen Bevölkerung gönnt, wirkt vollkommen aus der Zeit gefallen und erinnert an vergangene Jahrhunderte der Monarchie. Natürlich wäre es unrealistisch, von einem Traditionalisten wie Charles zu erwarten, dass er die 1 000 Jahre alten Bräuche und Rituale seines Königshauses vollständig hinter sich lässt. Doch mit der Krönung hätte er ein Zeichen setzen und beweisen können, dass ihm die Probleme des Landes nicht völlig egal sind und er die Zukunft gestalten will, indem er die Kosten für Pomp und Prunk selbst übernommen hätte. Bei seinem Lebensstandard sollte es kein großes Problem sein, die Feierlichkeit eigenständig zu finanzieren. Dem Guardian zufolge wird sein Privatvermögen auf fast zwei Milliarden Pfund geschätzt. Dazu gehören zahlreiche Ländereien, Luxusfahrzeuge, dutzende Rennpferde und eine Kunstsammlung mit Gemälden von Marc Chagall bis Salvador Dalí. König Charles müsste noch nicht mal seine Briefmarkensammlung verkaufen, um die Kosten der Krönung mehrfach abdecken zu können.
Charles war noch nie sonderlich für seine Nähe zur Bevölkerung bekannt.
Doch in seiner bisherigen royalen Karriere war Charles noch nie sonderlich für seine Nähe zur Bevölkerung bekannt. Dass sich daran so schnell auch nichts ändern wird, stellte er bereits wenige Stunden, nachdem er als König ausgerufen wurde, unter Beweis: Im St.-James’s-Palace wies er Angestellte mit hektischen Bewegungen und verzerrtem Gesicht herrisch an, Tintenfässer und die Schachtel seiner Schreibfeder wegzuräumen. Das ist nicht das erste Mal, dass Charles der Bezug zur Realität ein wenig verloren gegangen ist und er sich lieber mit sich selbst beschäftigt als mit den britischen Bürgerinnen und Bürgern. Schon seit Jahrzehnten widmet er sich seiner Passion der Alternativmedizin, für die er nicht nur in Großbritannien, sondern weltweit einer der einflussreichsten Fürsprecher ist. Mit dem Ziel, der Alternativmedizin im chronisch unterfinanzierten britischen Gesundheitssystem National Health Service zum Durchbruch zu verhelfen, war er sich selbst für politische Einmischung nicht zu schade und ging sogar so weit, Minister zur Änderung der öffentlichen Ausgabenpläne zugunsten der Komplementärmedizin und der Homöopathie zu drängen.
Alternative Heilverfahren mögen zwar eher wie eine medizinische Spielerei für reiche Menschen wirken, die sich grundsätzlich keine Sorgen um ihre gesundheitliche Versorgung machen müssen, wären aber kein allzu großes Problem, wenn Charles III. nicht noch ein besonderes Faible für unbewiesene oder widerlegte Behandlungsformen hätte. Deshalb ist er immer wieder mit Ärzten und Forschern in Konflikt geraten. Selbst mit dem einzigen britischen Lehrstuhlinhaber für Komplementärmedizin, Edzard Ernst, der sich immer wieder besorgt über Charles’ Einstellung zeigt: „Egal wie enttäuschend oder sogar alarmierend meine Studienergebnisse oder die von Kollegen ausfielen, blieb er der festen Überzeugung, dass Alternativmedizin gute Medizin sei, viel besser als die Schulmedizin.“
Kommen wir zurück zur Krönung, anlässlich derer die gesamte Tourismus- und Eventindustrie auf Hochtouren läuft: Ausgebuchte Flüge, euphorisierte Camper mit Zelten entlang der Strecke in London und jede Menge Krönungsschnickschnack bleiben auch dieses Mal nicht aus. Doch abgesehen von den eingefleischten Fans der Royals und den faszinierten internationalen Besuchern hat die Mehrheit der Bevölkerung an Charles oder seiner Krönung nur sehr wenig Interesse und will vor allem eins nicht: für diesen Spaß zahlen.
In mehreren der 15 Länder, in denen Charles III. Staatsoberhaupt ist, wird über eine Loslösung von der britischen Krone diskutiert.
Kein Wunder, denn die Krönung reiht sich ein in die Folge royaler Fragwürdigkeiten, zu denen die Kritik immer lauter wird, vor allem seit dem Tod der Queen. Sei es der Umgang mit den eigenen Gräueltaten der Kolonialzeit, Rassismusvorwürfe, dubiose Spenden oder Missbrauchsskandale in der Verwandtschaft. Charles’ Umgang mit Kritik am britischen Adel oder seiner eigenen Person läuft bisher eher nach dem bekannten Schema: ignorieren, lächeln und winken. Damit verliert die Monarchie vor allem die junge Generation. Die meisten unter 35-Jährigen sind sich nicht so sicher, wie wichtig ihnen die Beibehaltung der Monarchie in ihrem Land ist. Eine weitere Umfrage stellte fest, dass in derselben Altersgruppe mehr als ein Drittel sogar eine Republik bevorzugen würde. Aber das war nur auf Großbritannien bezogen. In weiten Teilen der Welt sieht es nicht besser aus: In mehreren der 15 Länder, in denen Charles III. Staatsoberhaupt ist, wird über eine Loslösung von der britischen Krone diskutiert. Das betrifft neben Inselstaaten wie Antigua und Barbuda auch Australien. Barbados hat den Schritt bereits im Jahr 2021 gewagt.
Für die Restlichen stellt sich die Frage: Kann man die Regentschaft von König Charles in den nächsten Jahren einfach aussitzen, oder schafft sich die britische Monarchie mit der Zeit vielleicht selbst ab? Denn es ist leider unwahrscheinlich, dass die nächste Generation es besser hinbekommen wird als die vorigen. Auch wenn Thronfolger William und seine Frau Kate definitiv mehr Sympathiepunkte bei den Briten sammeln können als ihr verschrobenes Familienoberhaupt, stecken auch die jungen Royals in der Vergangenheit fest. Ihr Alltag besteht ebenfalls aus viel Lächeln für die Kameras und dem Aufwärmen von alten Familienfehden.
Da kann man es Harry und Meghan nicht wirklich verübeln, dass sie keine Lust mehr auf die Monarchie hatten und ihren royalen Job an den Nagel gehängt haben, um dafür die Unterhaltungsbranche unsicher zu machen. Obwohl rührseliges Reality-TV sicherlich nicht jedermanns Geschmack ist, lässt sich mit der Absurdität königlicher Probleme offensichtlich gut Geld verdienen: Ob sich William und Harry nun darüber streiten, warum der eine auf seiner Hochzeit einen Bart tragen durfte und der andere nicht, oder weshalb Kate auf einer Veranstaltung Meghan ihren Lipgloss nicht leihen wollte – die tiefgründigen Einblicke in der eigenen Netflix-Serie und in der Bestseller-Biografie füllen die Taschen.
Harrys Memoiren wurden bereits in der ersten Woche nach Veröffentlichung zum am schnellsten verkauften Sachbuch aller Zeiten. Neben der langjährigen Rivalität mit seinem älteren Bruder William bleibt natürlich wenig Platz für die realen Probleme des Landes; aufgezeigt wird aber das unreflektierte Anspruchsdenken der britischen Monarchie. Ende 2015 beschloss Harry, sich für den Kampf gegen die Klimakrise zu engagieren und geriet deshalb mit seinem Bruder aneinander, der felsenfest behauptet haben soll, dass Afrika „sein Ding“ sei, damit sein Bruder sich schnellstens ein anderes Themengebiet suche. Wer sagt dem lieben William, dass Afrika nicht ihm gehört? Bei solchen Aussagen sollten auch bei dem Letzten Fragen darüber aufkommen, ob man diese Familie mit Steuern dafür bezahlen sollte, ein Land zusammenzuhalten, wenn selbst der Umgang im engsten Kreis ein absolutes Desaster ist.
Vielleicht sollte der britische Adel sich dann doch lieber ein Beispiel an Harry nehmen und sich nicht so sehr auf das Regieren eines Landes versteifen, sondern eigene Erfahrungen machen, ohne dabei der britischen Bevölkerung auf der Tasche zu liegen. Wenn Charles’ Krönung dann doch das Ende der Monarchie einläuten sollte, wäre das wahrscheinlich zu verkraften.