So wie laut Redewendung gut endet, was gut beginnt, zeigt die französische Rentenreform, dass, was schlecht beginnt, auch ziemlich schlecht endet. Die Gesetzesänderung, die eine Anhebung des gesetzlichen Rentenalters von 62 auf 64 Jahre vorsieht, wurde am vergangenen Freitag nach monatelangem Widerstand verabschiedet. Präsident Emmanuel Macron, der diese Reform im Jahr 2022 zu einem seiner Wahlkampfversprechen gemacht hatte, ist nun bereit, sie hinter sich zu lassen und seiner Amtszeit neuen Schwung zu geben. Unabhängig davon, was die Zukunft bringt, eines ist sicher: Die Durchsetzung der Reform war mit hohen politischen Kosten verbunden und hat die Kluft zwischen Regierungsvertretern und Wählern deutlich vergrößert. Es wird nicht leicht für ihn sein, das Ruder herumzureißen.
Nach Schätzungen der Regierung hätte dem Rentensystem ohne die Reform bis 2030 ein Defizit von bis zu 150 Milliarden Euro gedroht. Laut Regierung gab es daher keine andere Möglichkeit, als das gesetzliche Renteneintrittsalter anzuheben und die Franzosen dazu zu verpflichten, zwei Jahre länger zu arbeiten – wenn man das Risiko vermeiden wollte, dass das Rentenniveau sinkt oder die Sozialbeiträge steigen. Und wie Macron seinen Landsleuten ständig in Erinnerung rief, hatten es die Franzosen im Vergleich zu ihren EU-Nachbarn, in deren Ländern das Renteneintrittsalter im Durchschnitt bei 65 Jahren liegt, bisher relativ leicht. Es sei an der Zeit, dass sich die Franzosen an die Arbeit machen.
Es ist jedoch nicht ganz klar, ob es tatsächlich notwendig ist, das Defizit zu schließen. Die französische Rentenanalysestelle, die jedes Jahr einen Bericht über den Zustand des Rentensystems veröffentlicht, weist auf ein kurzfristig wachsendes Defizit hin, das sich jedoch über einen längeren Zeitraum abflachen wird – eine Tatsache, die auf die Kopplung der Rentenhöhe an die Inflation und nicht an die Preise zurückzuführen ist. Und die Inflation war in der Vergangenheit – abgesehen von den letzten Monaten – niedriger als die Wachstumsraten der Gehälter.
Das parlamentarische Verfahren, das die Reform durchlief, schürte die Wut weiter.
Auf jeden Fall hat die Regierung Macron die Reform Anfang Januar trotz erheblicher politischer Widerstände durchgesetzt. Die Gewerkschaften traten in ihrem Kampf gegen die Anhebung der Altersgrenze geeinter auf denn je, nachdem sie jahrelang im politischen Nirgendwo verschwunden gewesen und von Spaltungen heimgesucht waren. Ein Dutzend landesweiter Proteste, von denen einige die höchste Teilnehmerzahl seit 30 Jahren erreichten, wurden organisiert, mit einer klaren Botschaft: Die Reform muss gestoppt werden.
Das parlamentarische Verfahren, das die Reform durchlief, schürte die Wut dabei noch weiter. Im Namen der Schnelligkeit und Effizienz machte die Regierung kreativen Gebrauch von mehreren verfassungsrechtlichen Instrumenten. Aktuell wird in politischen Kreisen darüber gescherzt, dass die Franzosen in den letzten Monaten alle zu Verfassungsrechtlern geworden seien – beginnend mit Artikel 47-1, der Debatten über Haushaltsgesetze der sozialen Sicherheit in jeder Kammer auf 20 Tage begrenzt. Während der Debatten im Senat nutzte die Regierung einen weiteren Artikel, um Abstimmungen über einzelne Änderungsanträge zu blockieren und am Ende nur eine Gesamtabstimmung über den Gesetzentwurf zuzulassen. Als Premierministerin Elisabeth Borne schließlich feststellte, dass in der Nationalversammlung, die das letzte Wort hat, eine einfache Mehrheit nicht zustande kommen würde, nutze sie Artikel 49-3 der Verfassung, der es der Regierung ermöglicht, die Annahme eines Textes durch die Versammlung sofort und ohne Abstimmung durchzusetzen.
Zugegeben, diese Aufzählung ist sehr lang, aber sie ist wichtig, denn sie verdeutlicht den Willen der Regierung, schnell zu handeln – und ebenso schnell zur Tagesordnung zurückzukehren. Sowohl die Regierung als auch die Opposition wandten sich mit rechtlichen Fragen an das französische Verfassungsgericht, den Conseil Constitutionnel, der den Gesetzentwurf einschließlich der Alterserhöhung billigte und die Anhäufung verfassungsrechtlicher Instrumente für rechtmäßig hielt, „wenn auch für ungewöhnlich“.
Mit dem Urteil des Gerichts und der endgültigen Verabschiedung der Reform mögen der Prozess und der endgültige Gesetzestext zwar rechtens sein, aber die politische Legitimität ist längst dahin. Aktuell sind etwa 70 Prozent der Franzosen gegen eine längere Lebensarbeitszeit. Seit dem Beginn des Gesetzgebungsverfahrens ist Macrons Popularität kontinuierlich gesunken. Die Gewerkschaften sind vereint geblieben und haben die Regierung aufgefordert, die Reform zu pausieren und eine größere Diskussion über das Verhältnis der Franzosen zur Arbeit in Gang zu bringen, da die Burnout-Raten explodieren und die Arbeitsbedingungen zu den schlechtesten in der EU gehören.
Aktuell sind etwa 70 Prozent der Franzosen gegen eine längere Lebensarbeitszeit.
Macrons Entscheidung, die Reform um jeden Preis durchzusetzen und dabei den Aufschrei auf der Straße zu ignorieren, ist kein Zeichen von Überheblichkeit, sondern von schlichtem Unverständnis. Sie symbolisiert einen institutionellen Überbau, der sich seinem Ende nähert. Die radikale Personalisierung der Macht durch das Präsidialsystem liegt im Sterben, da keine einzige politische Führungspersönlichkeit die Legitimität besitzt, die Charles de Gaulle einst nach dem Zweiten Weltkrieg genoss und die dieser nutzte, um das politische System aufzubauen, nach dem Frankreich heute noch funktioniert.
Das Argument der Regierung, der Gesetzgebungsprozess sei legal gewesen und daher sei das Gesetz legitim, ist nicht stichhaltig: „Die Demokratie bezieht ihre Legitimität nicht nur aus der Verfassung“, sagte der Politikhistoriker Pierre Rosanvallon vor einigen Tagen, „sondern auch aus dem, was aus ihr hervorgeht“, sowie aus der Art und Weise, wie die Rechtmäßigkeit der Gesetzgebung in die politischen Realitäten einer Nation eingeflochten ist. Die Legalität ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung, um Politik zu machen: Die Reform mag formal in Ordnung sein, aber Macron kann keinen Fuß aus dem Elysée-Palast setzen, ohne dass er ausgepfiffen wird.
Was Frankreich am Ende dieses dunklen politischen Tunnels braucht, ist mehr Macht für das Parlament und zwar in einer Weise, die eine bessere Vertretung aller Menschen in allen Bereichen der Gesetzgebung gewährleistet. Da Macrons Partei nur eine relative Mehrheit im Unterhaus erringen konnte, ist es von entscheidender Bedeutung, sich in der komplexen Welt der Koalitionsbildung zurechtzufinden. Eine umfassende Überprüfung der politischen Institutionen anzustoßen, ist eine gewaltige Aufgabe, aber sie würde dazu beitragen, das Vertrauen in die demokratische Entscheidungsfindung wiederherzustellen. Eine im März veröffentlichte Umfrage des Think-Tanks Jean-Jaurès ergab, dass 80 Prozent der Franzosen gewillt sind, sich an einer Diskussion über die Veränderung der politischen Strukturen in Frankreich zu beteiligen. Die Menschen sind also bereit, und Macron muss ihnen zuhören.
Aus dem Englischen von Lucie Kretschmer