Donald Trump war vielleicht nicht „der erfolgreichste Präsident aller Zeiten“, aber politische Kommunikation hat er für immer verändert. Heute erfreuen sich Populisten, Rechtsextreme und Konservative allesamt an den Erkenntnissen der Trump-Jahre. Deren Essenz: Fake News. Als der Begriff im Dezember 2016 erstmals in Trumps Twitterfeed auftauchte, markierte das den Beginn einer zynischen Erfolgsstory, die lange unterschätzt und als ein vor allem amerikanisches Problem gesehen wurde.

Schlimm, dachten sich viele in Europa als Trump gewählt wurde, aber dass jemand, mit so einer Strategie, bei uns Erfolg haben könnte? Unvorstellbar. Zu amerikanisch wirkte der von Patriotismus durchtränkte Medienzirkus, angeführt von einer Figur, die auch wirklich jedes negative amerikanische Stereotyp in sich vereinte. Man darf sich jedoch nicht blenden lassen. Trump war nur das i-Tüpfelchen auf einer überaus variablen und effektiven Strategie, die neben dem Diskreditieren von fremden Nachrichtenquellen  vor allem darin besteht, selbst wie kein anderer den Diskurs mit Fakes zu vermüllen. Oder in den Worten von Trumps ehemaligem Chefstrategen Steve Bannon: „das Gebiet mit Scheiße fluten“.

Spätestens seit Beginn des Bundestagswahlkampfs wird auch in Deutschland klar: Der Megatrend aus den USA ist hierzulande angekommen. Die Amerikanisierung des Wahlkampfs bedeutet mehr Personalisierung, mehr Schmutz, mehr Fake. Das Problem dabei ist grundsätzlich überall auf der Welt das gleiche: Sobald eine Fehlinformation einmal im Umlauf ist und Beachtung findet, kann man ihr nicht mehr viel entgegensetzen.

Egal, ob es sich dabei um professionelle Kampagnen von Arbeitgeberverbänden wie der mit dem Orwellschen Namen versehenen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, ein pfiffig zusammengeschnittenes Video irgendeines AfD-Kreisverbandes oder gleich um eine ganze Trollfabrik in St. Petersburg handelt. Behauptungen sind immer schneller aufgestellt als widerlegt. Der Schaden für die Gesellschaft liegt auf der Hand. Umso tragischer ist, dass Methodik und Inhalt der meisten Kampagnen ziemlich plump und vorhersehbar daherkommen.

Trump war nur das i-Tüpfelchen auf einer überaus variablen und effektiven Strategie.

Als CDU-Generalsekretär Ziemiak per Twitter anhand einiger aus dem Kontext gerissener Sätze die Publizistin und Rednerin auf dem Grünenparteitag, Carolin Emcke, des Antisemitismus überführen wollte, war die Aufregung auf allen Seiten groß. Andere sprangen auf den Zug auf, Twitter tobte, und die BILD hatte gleich eine ganze Themenwoche beisammen. Ziemiak löschte den Tweet kurz darauf und gab an, ein „gutes Telefonat“ mit Emcke gehabt zu haben. Aber wen interessiert das schon?

Ein paar halten Emcke jetzt vielleicht für eine Antisemitin und ein paar Bild-Leserinnen sehen sich in ihrer Meinung bestätigt, dass die Grünen „komplett balla-balla“ sind. Aber etwas anderes ist dabei noch viel wichtiger. Die Empörung tobt schließlich nicht nur auf der Seite derjenigen, die der Falschmeldung Glauben schenken, sondern auch bei denen, die Fake News als solche erkennen, aber gezwungen sind, sich damit auseinanderzusetzen. Die öffentlichen Kanäle sind damit zu und der Diskurs ist gesetzt. Niemand spricht dann noch über soziale Ungleichheit, die Klimakrise oder Korruptionsskandale.

Das Muster ist immer das gleiche: Falschinformation, Weiterverbreitung, Empörung, Überprüfung durch die Öffentlichkeit, Zurückrudern. Dabei ist das Zurückrudern der jeweils Verantwortlichen noch das Best-Case-Szenario. Und bis es überhaupt zu diesem Punkt kommt, bis Medien und Öffentlichkeit die Falschmeldung als solche überführt haben, macht sich schon längst die nächste auf die Reise. Doch wie können Demokratien, wie kann die Öffentlichkeit diesem ewigen Kreislauf entfliehen?

Langfristig helfen Prävention, Bildung und von früh auf erlernte Medienkompetenzen. Bis zur nächsten Bundestagswahl wird damit jedoch nicht mehr viel zu gewinnen sein. Um aus dem Kreislauf auszubrechen, kann es daher hilfreich sein, die Fake News der kommenden Monate schon einmal vorwegzunehmen. Wie bei einer Impfung können Körper und Geist somit die Abwehrkräfte trainieren, indem sie sich ein Bild von dem machen, was kommen könnte.

Das Muster ist immer das gleiche: Falschinformation, Weiterverbreitung, Empörung, Überprüfung durch die Öffentlichkeit, Zurückrudern.

Im Folgenden finden Sie fünf Fake News, die Ihnen bis zur Bundestagswahl höchstwahrscheinlich unter die Augen kommen werden, egal ob in der BILD, im Twitter-Feed von Hans-Georg Maaßen oder in der Telegram-Gruppe Ihres Nachbarn:

1. Der Briefwahl ist nicht zu vertrauen.

Spätestens seit dem amerikanischen Wahlkampf letztes Jahr ein Klassiker. Die AfD hat vor einigen Monaten sogar schon mal vorgefühlt und warnte, die Briefwahl würde „zum größten Wahlbetrug in diesem Lande“ führen. AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla sprach gar von einem „Einfallstor für Manipulationen“. Man wird es sich auch kurz vor der Wahl wieder nicht nehmen lassen.

2. Geflüchtete geben illegal Stimmen ab.

Hier werden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Ressentiments gegen Flüchtlinge und Migranten werden bedient sowie gleichzeitig das Vertrauen in die Demokratie und das Wahlsystem untergraben. Eine würzige Mischung, wie sich schon 2015 zeigte, als die Satire-Website Eine Zeitung titelte: „Merkel möchte allen Flüchtlingen schnellstmöglich Wahlrecht geben“, woraufhin sich der Artikel verselbständigte und allein bei Facebook über 270 000 mal geteilt wurde.

3. Die Auszählung der Stimmzettel ist (absichtlich) fehlerhaft.

Es bleibt abzuwarten, ob sich bei unerwünschtem Wahlausgang auch in Deutschland eine Gruppe wie die Cyber Ninjas zusammentun wird. Das Privatunternehmen von Trump-Fans wurde von den Republikanern in Arizona offiziell damit beauftragt, Wahlfälschung aufzudecken. Da die Ninjas keine Theorie ungeprüft lassen, sind sie bis heute immer noch dabei, Wahlzettel nachzuzählen. Zuletzt untersuchte man die Stimmzettel auf Bambusfasern, um dem Verdacht eingeschleuster Fälschungen aus China nachzugehen.

4. Merkel hat das Wahlergebnis im vornherein schon festgelegt.

Angela Merkel hat den Untergang Deutschlands von langer Hand geplant und zum Ende ihrer Kanzlerschaft bestimmt noch ein paar Asse im Ärmel. Da wird sie sich auch von einer gewöhnlichen Wahl nicht beeindrucken lassen. Schließlich schrieb sie schon mit dreizehn Jahren in einer DDR-Kinderzeitschrift: „Ich werd Chef der BRD – der Klassenfeind wird’s hassen! – und folg’ dem Plan der SED, sie pleitegeh’n zu lassen!”.

5. Die Wahl wird durch Kampagnen ausländischer Geheimdienste beeinflusst.

4D-Schach der Desinformation. Bei der Allgegenwärtigkeit von Desinformationskampagnen ist es nur logisch, eine Desinformationskampagne über eine vermeintlich erfolgte Desinformationskampagne zu starten. Eine Metaebene, auf der sich nur die Besten der Besten bewegen. Wussten Sie zum Beispiel schon, dass Nawalny eigentlich von westlichen Geheimdiensten vergiftet wurde, nur um dann den Verdacht auf Russland zu lenken und Putin schlecht aussehen zu lassen?