In ganz Westafrika kommt es verstärkt zu einer neuen Methode autoritärer Übergriffe. Angesichts von bewaffneten Konflikten, Militärputschen, Wahlmanipulation und Gewalt erlebt die Region einen Demokratierückgang. Darüber hinaus greifen einige repressive Regierungen zunehmend auf Gesetze zur Moderation von Online-Content zurück, um die Presse mundtot zu machen und die freie Meinungsäußerung im Internet zu unterdrücken.
Das Internet steht für unterschiedliche Menschen für unterschiedliche Aspekte. Für manche ist es ein freier Raum, in dem sie sich ausdrücken und ihre Gedanken äußern können, ohne Angst vor Repressalien, Unterdrückung oder Gewalt haben zu müssen. Für Politiker ist es ein mächtiges Instrument, um Unterstützer zu mobilisieren und Wahlkampfbotschaften zu verbreiten. Für Aktivistinnen und Aktivisten ist es eine Plattform, über die sich Solidarität aufbauen lässt, mit der die allgemeine Aufmerksamkeit auf soziale Belange gelenkt werden kann oder mit der Regierungen und Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden können. Für Medienschaffende hat das Internet die alltägliche Arbeit revolutioniert: Es bietet innovative und kreative Möglichkeiten für die Berichterstattung, für die Einbindung des Publikums sowie für das Sammeln und Verbreiten von Informationen. Für kleinere Medienhäuser – für die Themen wie Sichtbarkeit und vor allem die Kosten, die mit der Produktion von Nachrichten einhergehen, andernfalls ein Problem wären – hat das Internet bessere und kostengünstigere Möglichkeiten geschaffen, die eigene journalistische Arbeit zu verbreiten.
Doch den vielen positiven Auswirkungen des Internets, dem Zugang zu wichtigen Informationen und der Möglichkeit für die Bürger, ihren Anliegen Gehör zu verschaffen, stehen einige Schattenseiten gegenüber. Mit der digitalen Revolution wurde leider auch ein riesiger Raum für Fehl- und Desinformationen geschaffen. Diese können eine reale Bedrohung für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung und eine demokratische Regierungsführung darstellen – was gerade mit Blick auf sich entwickelnde Demokratien wie die in Westafrika besorgniserregend ist. Das Problem mit Falschinformation ist zwar nicht neu, aber die große Bandbreite an Manipulationen und die Vielzahl an Methoden und Wegen zur Verbreitung derartiger Informationen im Online-Zeitalter heben die Problematik auf ein einzigartiges und noch nie dagewesenes Level.
Als Reaktion darauf haben staatliche Behörden Maßnahmen ergriffen, um dieser potenziellen Bedrohung zu begegnen. Dazu gehört die Einführung von Gesetzen zur Moderation von Online-Inhalten. Diese werden als aufrichtige Bemühungen zur Bekämpfung von Falschinformationen und zur Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung dargestellt. Das Problem: Sie kollidieren nicht selten mit bereits bestehenden Gesetzen, die das Recht auf freie Meinungsäußerung garantieren.
Vor allem die vage und oft vieldeutige Wortwahl in den Gesetzen lässt Raum für eine missbräuchliche Anwendung und für überzogene Gegenmaßnahmen der Exekutive.
Vor allem die vage und oft vieldeutige Wortwahl in den Gesetzen lässt Raum für eine missbräuchliche Anwendung und für überzogene Gegenmaßnahmen der Exekutive. Für gewisse staatliche Akteure bieten sie Anstoß und Rechtfertigung, die Presse zu regulieren oder Journalisten, die als „widerspenstig“ wahrgenommen werden, hart zu bestrafen. Adeboye Adegoke, ein Experte für digitale Rechte sowie Senior Manager bei der Paradigm Initiative, erklärt: „Die Moderation von Inhalten durch die Exekutive ist weit verbreitet. Demnach können Regierungen ‚anstößige‘ Inhalte nach Belieben entfernen. Das größte Problem entsteht, wenn Gesetze zur Content-Moderation nicht unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Regulierungen erlassen werden.“ Dies wird beispielsweise in Mali deutlich, wo Aktivistinnen und Aktivisten ein neues Gesetz zur Bekämpfung von Cyberkriminalität kritisieren. Ihrer Ansicht nach sind die neuen Bestimmungen mit Blick auf die Online-Pressefreiheit unvereinbar mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Schutz der Presse.
Die Umsetzung derartiger Gesetze hat sich nachteilig auf die Pressefreiheit in der gesamten Region ausgewirkt. Im Rahmen der Verordnungen wurden Journalistinnen und Journalisten belästigt, eingeschüchtert und auch juristisch verfolgt. Nigeria hat beispielsweise ein Gesetz gegen Cyberkriminalität verabschiedet und umgesetzt, das ursprünglich entwickelt wurde, um Straftaten im Internet einzudämmen. In Paragraf 24 des Gesetzes wird die Verbreitung von beleidigenden, unwahren oder rufschädigenden Nachrichten unter Strafe gestellt. Dieser Passus ist besonders umstritten. So wurde der Journalist Agba Jalingo des Hochverrats, des Terrorismus und des Versuchs angeklagt, die Regierung des Bundesstaates Cross River State zu stürzen. Sein Fall ist zum Symbol für die harsche Verfolgung kritischer Journalisten durch die nigerianische Regierung geworden.
In ähnlicher Weise hat die Junta-Regierung in Burkina Faso seit ihrer Machtübernahme im Jahr 2022 dafür gesorgt, dass diverse Medien im Land verboten wurden. Das Strafgesetzbuch wurde dahingehend geändert, dass die Berichterstattung über Terroranschläge oder Sicherheitsfragen, die „die öffentliche Ordnung gefährden“ oder „die Sicherheits- und Verteidigungskräfte demoralisieren“ könnten, unter Strafe gestellt wird. Verstöße können mit Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren sowie mit hohen Geldstrafen geahndet werden. Vergleichbare Gesetze wurden auch in anderen westafrikanischen Ländern wie Ghana, Senegal, Togo und Sierra Leone erlassen.
Einige gehen zur Selbstzensur über, um Sanktionen zu vermeiden.
Während Bedrohung, körperliche Übergriffe und rechtliche Schritte bereits höchst problematisch sind, hat darüber hinaus die weit verbreitete Praxis, die Presse durch rechtliche Schritte zu drangsalieren (sogenannte SLAPPs, strategic lawsuits against public participation), zu einem Klima der Angst unter Journalisten geführt. Einige gehen zur Selbstzensur über, um Sanktionen zu vermeiden.
Blessing Oladunjoye, eine nigerianische Journalistin und Herausgeberin von BONewsService, wird derzeit wegen einer Undercover-Recherche über Fruchtbarkeitskliniken und Leihmutterschaft in Nigeria unter Berufung auf den nationalen Cybercrimes Act strafrechtlich verfolgt. Bezüglich der Auswirkungen dieser rechtlichen Schritte auf ihre Arbeit sagt sie: „Nachdem mir die Anklageunterlagen zugestellt wurden, habe ich mich gefragt, welche Art von Artikeln ich jetzt eigentlich noch schreiben kann. Wo bin ich mir sicher, dass sie niemanden provozieren? Das war erschreckend.“ Die Anklage hat sich also darauf ausgewirkt, welche Storys sie nachverfolgen und über die sie berichten möchte.
Wenn Gesetze zur Content-Moderation derart strikt durchgesetzt werden, überlegen es sich Journalisten möglicherweise zweimal oder vermeiden es ganz, über Korruption, Menschenrechtsverletzungen oder soziale Missstände zu berichten.
Es zeigt sich: Wenn Gesetze zur Content-Moderation derart strikt durchgesetzt werden, überlegen es sich Journalisten möglicherweise zweimal oder vermeiden es ganz, über Korruption, Menschenrechtsverletzungen oder soziale Missstände zu berichten. Eine nigerianische Journalistin eines staatlichen Medienhauses, die anonym bleiben will, erklärt, man müsse bei der Arbeit inzwischen die Haltung der Regierung in Betracht ziehen, bevor Artikel veröffentlicht werden: „Manchmal muss man den Nerv der Regierung treffen. Davon hängt ab, was du schreibst. Bei Inhalten, die den Interessen meines Auftraggebers zuwiderlaufen, sollte man vorher gründlich darüber nachdenken. Ich persönlich musste in einen anderen Bundesstaat versetzt werden, weil ich eine Story geschrieben hatte, die nicht im Interesse der Regierung war.“
Hetzkampagnen gegen Journalistinnen und Journalisten werden allerdings nicht nur von Regierungen geführt. Auch nichtstaatliche Akteure haben inzwischen die Lehren aus dem autoritären Lehrbuch übernommen, wie unter anderem im Fall von Blessing Oladunjoye zu beobachten ist. Sie bestätigt: „Nichtstaatliche Akteure werden regelrecht ermutigt, Attacken gegen Journalisten zu fahren. Schließlich sehen sie, dass staatliche Akteure dies bereits ungestraft tun und niemand sie dafür zur Rechenschaft zieht.“
Hetzkampagnen gegen Journalistinnen und Journalisten werden allerdings nicht nur von Regierungen geführt.
Gerade die vergangenen zehn Jahre waren eine harte Prüfung für die demokratische Regierungsführung in westafrikanischen Staaten. Nun stellt die Unterdrückung der Pressefreiheit durch Gesetze zur Content-Moderation eine weitere große Bedrohung für die demokratische Stabilität in der Region dar. Eine freie und handlungsfähige Presse – frei von jeglicher Form der Kontrolle und Zensur – ist für eine funktionierende Demokratie unerlässlich. Die Presse ist eine Kontrollinstanz gegenüber Regierungen und den Mächtigen und hat die Aufgabe, Korruption, Menschenrechtsverletzungen, Machtmissbrauch und andere Verstöße gegen gesellschaftliche Normen aufzudecken. Wenn Journalisten zum Schweigen gebracht werden, sei es durch direkte rechtliche Schritte oder indirekt durch Selbstzensur, wird diese wichtige Funktion eingeschränkt und untergraben.
Westafrika hat weiterhin mit diesen Herausforderungen zu kämpfen. Ein erfolgreicher Weg in die Zukunft erfordert einen nuancierten Ansatz, mit dem die Pressefreiheit respektiert wird und gleichzeitig die realen Gefahren digitaler Falschinformation bekämpft werden. Fehl- und Desinformation mögen mit dem Aufkommen digitaler Technologien an Bedeutung gewonnen haben, aber Gesetze zur Inhaltskontrolle müssen stets so zugeschnitten sein, dass sie auf echte Bedrohungen der öffentlichen Ordnung und der nationalen Sicherheit abzielen – und nicht als Repressionsmittel eingesetzt werden.
Die Auswirkungen der Content-Moderation auf Journalistinnen und Journalisten können nur dann abgemildert werden, wenn die entsprechenden Regelungen im Rahmen der bestehenden Verfassungsgesetze erarbeitet werden und wenn strenge Richtlinien gelten, mit denen Journalisten geschützt werden. Dazu muss sichergestellt werden, dass ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und der Zugang zu Informationen gewahrt bleiben. In einer echten Demokratie kann es nicht sein, dass Pressevertreter in Angst leben müssen.
Aus dem Englischen von Tim Steins