If you can’t join them, beat them. ist immer noch eines der berühmtesten und beliebtesten Zitate in der dänischen Politik. Es fiel am Tag des Fußball-EM-Finales am 26. Juni 1992. Drei Wochen zuvor hatten die Dänen überraschend mit einer hauchdünnen Mehrheit von 50,7 Prozent den Vertrag von Maastricht über die Europäische Union in einer Volksabstimmung abgelehnt. Um gegenüber seinen europäischen Kollegen von diesem Dilemma abzulenken, flüchtete sich der damalige Außenminister Uffe Ellemann-Jensen in den Humor. Und dann gewann das kleine Dänemark – zur noch größeren Überraschung – am gleichen Abend das EM-Finale gegen den „ewigen Sieger“ Deutschland.

Durch diese zwei bahnbrechenden Ereignisse im Jahrhundertsommer 1992 steigerte sich das dänische Selbstbewusstsein enorm – fast bis zum Größenwahn. Noch heute spielt dieses berauschende Gefühl des „Andersseins“ eine große Rolle. Somit könnte es ganz schön spannend werden, wenn die Dänen am 1. Juni an die Urnen gehen, um über den sogenannten opt-in in die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU abzustimmen.

Noch heute spielt in Dänemark dieses berauschende Gefühl des „Andersseins“ eine große Rolle.

Worum geht es dabei? Dafür müssen wir die Zeit wieder bis zum Anfang der 1990er Jahre zurückdrehen. Nachdem die Dänen den Maastrichter Vertrag abgelehnt hatten, wurden für Dänemark im Edinburgh-Abkommen 1992 vier opt-outs vorgesehen – Ausnahmeregelungen zu bestimmten Gebieten, auf denen Dänemark nicht mit der EU kooperiert. Bei diesen handelt es sich um die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres und die Unionsbürgerschaft; weiterhin gehört Dänemark auch nicht der Währungsgemeinschaft an, hat also nicht den Euro eingeführt.

Diesen Ausnahmeregelungen stimmten die Dänen am 18. Mai 1993 in einem weiteren Referendum zu. Andernfalls hätten die damals zehn EG-Mitgliedsstaaten den europäischen Integrationsprozess ohne Dänemark fortgesetzt. Mit der Annahme des Edinburgh-Abkommens war der dänische Sonderweg in der EU eingeschlagen. Er bildet bis heute einen wichtigen Teil des dänischen Selbstverständnisses. Es gefällt den Dänen einfach, nicht ganz so wie die anderen zu sein.

Im Parlament gibt es seit vielen Jahren eine große Mehrheit dafür, die vier opt-outs zu überdenken. Doch in Sachen EU folgen die dänischen Wählerinnen und Wähler selten dem Willen ihrer Volksvertreter. 2002 lehnten die Dänen erneut die Einführung des Euro ab, 2015 sagten sie nej tak – nein, danke – zur rechtlichen Zusammenarbeit. Aus diesem Grund müssen sich dänische Politikerinnen und Politiker ihre Schritte auf diesem Gebiet sehr genau überlegen.

Mit der Annahme des Edinburgh-Abkommens war der dänische Sonderweg in der EU eingeschlagen. Er bildet bis heute einen wichtigen Teil des dänischen Selbstverständnisses.

Dennoch wagt die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen nun einen neuen Versuch, die Dänen zu einem opt-in zu überreden – diesmal zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Den Ausschlag gab letztlich die russische Invasion der Ukraine. Am 6. März beschloss eine breite politische Mehrheit im Folketing, dem dänischen Parlament, den Verteidigungshaushalt und die Sicherheitsbelange ganz generell erheblich zu stärken. Vor diesem Hintergrund wirkte es umso paradoxer, dass Dänemark als einziges EU-Land sich weiterhin nicht an der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beteiligen sollte.

In der Volksabstimmung am 1. Juni können sich die Wahlberechtigten nun für die Abschaffung des militärischen opt-out aussprechen. Und es deutet einiges darauf hin, dass die normalerweise so EU-skeptischen dänischen Wählerinnen und Wähler diesmal positiver gestimmt sein könnten. Laut Meinungsumfragen wollen knapp 60 Prozent der Wahlberechtigten dem opt-in zustimmen. Und es gibt noch viele Unentschlossene. In Mette Frederiksens Worten: „Es gibt ein Vor und ein Nach dem Angriff auf die Ukraine.“ Deshalb haben sich auch im kleinen Königinnenreich die Meinungen und Vorbehalte mit einer Geschwindigkeit geändert, wie sie vor dem 24. Februar niemand für möglich gehalten hätte.

Es deutet einiges darauf hin, dass die normalerweise so EU-skeptischen dänischen Wählerinnen und Wähler diesmal positiver gestimmt sein könnten.

Noch vor weniger als einem Jahr bezeichnete Mette Frederiksen das militärische opt-out als belanglos: Es beeinträchtige die dänischen Möglichkeiten, seine Verteidigungspolitik zu verwirklichen, in keinster Weise. Doch sie änderte ihre Meinung. Auf einer Pressekonferenz am 6. März forderte die Regierungschefin die Dänen zur „vorbehaltlosen Teilnahme an der gemeinsamen EU-Verteidigung“ auf. Es gehe darum, „unsere Werte und zu wem wir gehören klar zu kommunizieren“. „Zusammenhalt statt Vorbehalt“, betont die markante liberale dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in ihrer Ja-Kampagne.

Doch die Gegner des opt-in sind eine nicht zu unterschätzende Kraft. Ihnen gelang es schon mehrmals, die Dänen im Endspurt eines Wahlkampfes zu einem trotzigen nej zu bewegen. Zu den Kritikern des opt-in zählen die Links-außen-Partei Einheitsliste und auf der Rechten die Dänische Volkspartei und die Neuen Bürgerlichen. Diese behaupten, die Regierung versuche, die Ukraine-Krise „auszunutzen“, um wieder einmal „mehr EU durch die Hintertür hereinzumogeln“. Das Hauptargument der Gegner lautet – wie schon so oft –, dass durch die Zustimmung zum opt-in mehr Macht nach Brüssel wandere und ein „Souveränitätsverlust“ drohe, was eine große Mehrheit der Dänen ablehnt.

Noch vor weniger als einem Jahr bezeichnete Mette Frederiksen das militärische opt-out als belanglos: Es beeinträchtige die dänischen Möglichkeiten, seine Verteidigungspolitik zu verwirklichen, in keinster Weise.

Die Frontfigur der Nein-Kampagne ist der neue Vorsitzende der Dänischen Volkspartei Morten Messerschmidt. „Wir könnten zur Teilnahme in einer EU-Armee gezwungen werden.“ Oder: „Die NATO wird geschwächt, wenn wir uns mehr in die EU engagieren.“ So lauten seine Argumente. Der charismatische 42-jährige Jurist reagiert ungerührt, wenn Politikwissenschaftler und Militärexpertinnen seine Behauptungen zurückweisen und darauf aufmerksam machen, dass man in der EU-Verteidigung weiterhin ein Vetorecht habe und dass die NATO – und auch die USA – das dänische opt-in klar begrüßten.

Hier liegt eines der ewigen Probleme der Politik im Allgemeinen und der EU-Politik im Besonderen: Komplexe reale Sachverhalte sind oft viel schwieriger zu erklären – und zu verkaufen – als die demagogischen Statements von Populisten und Alarmisten. Hinzu kommt, dass sich in Dänemark auf dem Gebiet der EU-Politik eine ungewöhnliche Allianz aus Links und Rechts gebildet hat. Beide Lager zeichnen – aus ganz unterschiedlichen Gründen – ein hässliches Schreckbild der EU als Hochburg von Lobbyismus, Bürokratie und Dominanz der Großen über die Kleinen.

Ob es für die Gegner des opt-in reichen wird, diese Vorurteile und das Selbstverständnis vieler Dänen auszunutzen, um ein drittes Nein bei einer EU-opt-in-Abstimmung zu erwirken, wird der 1. Juni zeigen. Doch auch in Dänemark hat es eine „Zeitenwende“ gegeben. Und durch sie hat diese sicherheits- und verteidigungspolitische Volksabstimmung die bislang beste Chance, die Dänen zu einem ja tak zu bewegen.