Italien hat einen Vorschlag zum Management der Migrationsströme aus Subsahara-Afrika vorgelegt. Dummerweise kam darin auch die Idee von gemeinsamen „Eurobonds“ vor. Entsprechend kam aus Berlin postwendend ein „njet“ zurück. Aber diesmal ist die Reaktion falsch. Gerhard Schröder hat Recht, wenn er meint, die Vorschläge gingen in die richtige Richtung. Sie stellen einen ernsthaften Versuch dar, die europäische Immigrationspolitik gegenüber Afrika auf halbwegs rationale Grundlagen zu stellen und den humanitären Tragödien im Mittelmeer ein Ende zu bereiten.

Die Vorschläge der Regierung von Matteo Renzi für eine gemeinsame Initiative der EU angesichts der Migrationswelle aus Afrika sehen unter anderem folgende Aspekte vor:

1.  Finanzielle Anreize für Herkunfts- und Transitländer, die Aus- und Durchreise zu verhindern, europäische Unterstützung bei Grenzsicherung und Grenzkontrolle;

2.  Erweiterte Entwicklungszusammenarbeit für kooperationswillige Länder Subsahara-Afrikas und Nordafrikas, die durch gemeinsame „Afrika-Bonds“ der EU mitfinanziert werden soll;

3.  Kompensationszahlungen für Drittländer in Afrika, die eigene Asylsysteme einrichten;

4.  Kontrollierte Zugänge für Bürger dieser Staaten zum europäischen Arbeitsmarkt in Ländern, deren Sprache die Bewerber beherrschen (was Italien stark entlasten würde).

5.  Intensivierte Verwaltungskooperation mit afrikanischen Ländern, vor allem auch im Bereich der Identifizierung und Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern und die Schaffung von Hotspots auf afrikanischem Boden.

In den italienischen Vorschlägen steckt ein kurzfristig pragmatischer Kern. Er erkennt, ähnlich wie im Türkei-Deal der EU, an, dass es migrationsregulierende Leistungen der Partnerländer nur gegen Gegenleistungen der EU geben wird. Und dafür wird Geld fließen müssen – nach Dakar und Ouagadougou genauso wie nach Ankara.  

Die Gründe für Italiens Vorstoß – der einen markanten Bruch mit der bisherigen italienischen Politik des migrationspolitischen Laissez-faire darstellt – liegen in der nackten Not der Regierenden:

In den ersten drei Monaten des Jahres ist eine Rekordzahl von Migrantinnen und Migranten über die Mittelmeerroute nach Italien gelangt. Die Zahlen liegen 55 Prozent über den Vorjahreswerten und deutlich über den Zahlen des bisherigen Rekordjahrs 2014. Die weit überwiegende Zahl der über das Mittelmeer kommenden illegalen Einwanderer stammt aus Subsahara-Afrika. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu einer Million Schwarzafrikaner in Libyen auf eine Gelegenheit zur Einschiffung warten könnten. Aber Italien fürchtet, dass nach der Schließung der Balkan-Route nun auch ein wachsender Anteil des Migrationsdrucks aus dem Nahen Osten und Westasien über Griechenland und die Adria nach Italien gehen wird. Die italienische Presse berichtete schon vor mehreren Wochen, dass die Schleuserbanden in der Türkei nun zunehmend auch das „Apulien-Paket“ anbieten würden.

Italien hatte hohe Ankunftszahlen von illegalen Einwanderern lange Zeit nicht als ein großes Problem gesehen, weil faktisch die Mehrheit der Migrantinnen und Migranten in andere Länder weiterzog: Im Jahr 2014 stellten von 170 000 in Italien Eingetroffenen nur 64 000 einen Asylantrag. Diese Politik ist in den letzten Monaten deutlich unter Druck geraten. Die Einführung von Grenzkontrollen und einer Obergrenze für Asylbewerber/Flüchtlinge durch Österreich und die relativ hartleibige Haltung Frankreichs in der Frage der Verteilung der Balkan-Routen-Migranten hat in Italien die Erkenntnis wachsen lassen, dass die bisherige Politik unter den veränderten Vorzeichen nicht mehr lange durchzuhalten sein dürfte. Mit dem „migration compact“ hat die Regierung nun auf diese Entwicklung reagiert.

Deutschland – das sonst so gerne die europäische Dimension der Migrationskrise beschwört – täte gut daran, sich Renzis Vorschläge ernsthaft anzusehen. Wirksamer und billiger als das heutige System dürften sie allemal sein – auch wenn man sie mit Eurobonds finanziert.