Das zweite Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG), das am 1. Juni 2023 im moldauischen Bulboaca stattfand, war ein historisches Ereignis: Es besiegelte das Ende der sogenannten „russischen Einflusssphäre“ in Osteuropa. Staats- und Regierungschefs aus 45 europäischen Ländern, darunter auch die meisten Mitglieder der Östlichen Partnerschaft, nahmen an dem Gipfeltreffen teil. Ein deutliches Signal an Russland, dass keine Deals und Zugeständnisse mehr zu erwarten sind, die zulasten der Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine sowie der Republik Moldau gehen. EU-Ratspräsident Charles Michel bekräftigte den festen Willen der Europäischen Union, den Erweiterungsprozess weiter voranzutreiben, und er machte deutlich, dass er sich der Tragweite dieser Zusicherung bewusst ist. Er stärkte die Zuversicht der Länder, die einen Beitritt anstreben, und versicherte der ukrainischen, der moldauischen und der georgischen Bevölkerung, dass sie in ihrem Kampf für die Freiheit nicht allein dastehen.
Der politischen Elite und den Institutionen der Republik Moldau und vor allem ihrer Präsidentin Maia Sandu ist es innerhalb kurzer Zeit gelungen, allen Schwierigkeiten und geopolitischen Auseinandersetzungen zum Trotz Stärke zu demonstrieren und deutlich zu machen, dass sie entschlossen sind, die Republik Moldau aus der „Grauzone“ Europas herauszuführen. Das Gastgeberland stand nicht einfach nur für einen Tag im Mittelpunkt Europas und gab der europäischen Agenda Rückenwind, sondern ließ keinen Zweifel daran, dass es nicht länger als „Hinterhof“ Russlands zu betrachten ist.
Die Republik Moldau war keineswegs das einzige Gesprächsthema, profitiert aber sowohl politisch als auch im Hinblick auf die weitere Entwicklung sehr von den Ergebnissen des Gipfels. Die EU-Kommissionspräsidentin kündigte an, die bereits zugesagten Finanzhilfen von 1,6 Milliarden Euro zu verdreifachen. Kurzfristig sollen 100 Millionen Euro bereitgestellt werden, um den unmittelbaren Bedarf im Energiesektor zu decken. Zudem stellte Norwegen der Republik Moldau eine nicht rückzahlungspflichtige Beihilfe von 50 Millionen Euro in Aussicht, und Großbritannien sagte 10,5 Millionen Pfund zur Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge zu. Doch so wichtig finanzielle Hilfen sind, um den hybriden Bedrohungen standhalten zu können – ein besonders wichtiger Beitrag zur Fortführung der Reformen und zur Beschleunigung des EU-Beitrittsprozesses ist sicherlich der politische Rückhalt von fast 50 europäischen Staats- und Regierungschefs.
Auch in punkto Sicherheit erwies sich der EPG-Gipfel als voller Erfolg und lieferte ein Musterbeispiel für das perfekte Ineinandergreifen verschiedener Institutionen und Partnerschaften. AWACS-Aufklärungsflugzeuge der NATO überwachten den Luftraum über dem Konferenzort und auch sonst wurden diverse Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Republik Moldau getroffen. Schon im Vorfeld des EPG-Gipfels weihte Josep Borrell, Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsident der Europäischen Kommission, in Chișinău die Partnerschaftsmission der Europäischen Union ein, welche die Krisenmanagement-Kapazitäten des moldauischen Sicherheitssektors und seine Resilienz gegenüber hybriden Bedrohungen – insbesondere im Bereich der Cybersicherheit – stärken und dazu beitragen soll, dass das Land der Informationsmanipulation und Einmischung von außen besser entgegenwirken kann.
Alles in allem war der zweite EPG-Gipfel ein klares Signal: Die Europäische Union ist bereit zur Erweiterung.
Dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als erster den roten Teppich auf Schloss Mimi betrat – ein Auftritt mit hohem Symbolgehalt –, zeigte einmal mehr, wie fest die Republik Moldau und die Ukraine als Nachbarn, Freunde und Partner miteinander verbunden sind. Die Republik Moldau spielt nach wie vor eine entscheidende Rolle bei der Aufnahme ukrainischer Staatsangehöriger und bei der logistischen Unterstützung für die Partner in der Ukraine. Es herrscht weithin Einigkeit, dass Frieden in der Region nicht individuell, sondern nur kollektiv erreicht werden kann.
Alle anwesenden Staats- und Regierungschefs erklärten die Sicherheit in Europa und in der Welt zum wichtigsten Anliegen. Sie bekräftigten ihre Zusage, die Ukraine in ihrem Freiheitskampf zu unterstützen und die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine und der Republik Moldau zu stärken. Der niederländische Premierminister Mark Rutte warb vor allem für den Ausbau der „Patriot-Koalition“. Polens Innenminister Mariusz Kamiński kündigte am Tag des Gipfels auf Twitter an, Polen werde den moldauischen Partnern sechs modern ausgerüstete Flugzeuge (zwei vom Typ Hercules und vier vom Typ CASA) zur Verfügung stellen, um die moldauische Polizei beim Schutz der öffentlichen Ordnung zu unterstützen.
Der Einigungsprozess im Transnistrien-Konflikt wurde dieses Mal nicht als Hindernis für die europäische Integration der Republik Moldau diskutiert, sondern als ein Problem, das gelöst werden muss, damit die in Transnistrien ansässigen moldauischen Bürgerinnen und Bürger sicher leben können. Die Präsidentin der Republik Moldau, Maia Sandu, erklärte, ihr Land werde auf seinem Weg zur europäischen Integration die Region Transnistrien nicht aufgeben. Josep Borrell fügte ergänzend hinzu: „Zypern wurde trotz seines territorialen Problems Mitglied der Europäischen Union. Das kann die Republik Moldau auch.“ Damit öffnete er für die Republik Moldau die Tür zur EU.
Alles in allem war der zweite EPG-Gipfel ein klares Signal: Die Europäische Union ist bereit zur Erweiterung und erwartet, dass die Republik Moldau zügig auf die Einhaltung des Gemeinschaftlichen Besitzstandes und des Assoziierungsabkommens hinarbeitet. Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki sprach sich für eine Beschleunigung des EU-Beitrittsprozesses aus und würdigte den Mut, mit dem die Republik Moldau den hybriden Angriffen Russlands begegne. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte, dass „der Beitritt Moldaus zur EU nicht nur möglich, sondern Fakt ist und zum Abschluss geführt werden muss“. Das Fazit brachte die moldauische Präsidentin Maia Sandu in ihrem Schlusswort treffend auf den Punkt: 20 Kilometer von der Ukraine entfernt ist der gesamte Kontinent zusammengekommen und hat bekräftigt, dass er fest entschlossen ist, mit vereinten Kräften Frieden in Europa zu schaffen.
Aus dem Englischen von Christine Hardung