Worauf kommt es beim Klimagipfel COP 23 in Bonn an?
Die 23. Weltklimakonferenz wurde im Vorfeld eher als „technische“ COP ("Conference of the parties") beschrieben. Diese Verhandlungsrunde ist aber aus mehreren Gründen sehr wichtig. Erstens wird die Qualität der Arbeit in Bonn maßgeblich darüber entscheiden, ob die Anstrengungen im Klimaschutz bis 2020, wie im Pariser Klimaabkommen vorgesehen, verstärkt werden können. Zentral ist hierfür, dass man Fortschritte beim „Paris Rulebook“ erzielt. Die darin festgehaltenen Regeln und Verfahrensweisen sollen eine Umsetzung des Klimaabkommens überhaupt erst möglich machen. Außerdem müssen die jeweiligen nationalen Klimaschutzpläne (die sogenannten Nationally Determined Contributions, NDCs) ambitionierter verfasst werden, denn aktuell reichen die darin enthaltenen Maßnahmen zur Minderung des CO2-Ausstoßes nicht aus, um die globale Erderwärmung auf weit unter 2 Grad oder bestenfalls gar 1,5 Grad begrenzen zu können. Der dafür vorgesehene Prozess nennt sich „Talanoa Dialogue“ und muss sowohl inhaltlich als auch technisch vorbereitet werden.
Klimafinanzierung steht natürlich ebenfalls auf der Agenda. Der 100-Milliarden-Dollar-Zusage aus Paris müssen dringend Taten folgen, denn bisher ist nicht klar, wie diese Summe genau zustande kommen soll.
Ein wichtiger Gradmesser für den Erfolg oder Misserfolg der COP 23 wird das Thema Solidarität sein.
Ein wichtiger Gradmesser für den Erfolg oder Misserfolg der COP 23 wird das Thema Solidarität sein. Zum ersten Mal hat mit Fidschi ein kleiner Inselstaat die Präsidentschaft inne, und selbstverständlich bestimmen dessen Herausforderungen auch die politische Agenda der Klimakonferenz. Fidschi ist besonders von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen und ist daher auch darauf angewiesen, dass die Industrienationen ihre historische Verantwortung ernst nehmen und ärmere und verletzlichere Länder in ihren Anpassungsanstrengungen unterstützen. In Bonn muss es daher auch um Fortschritte im Bereich klimabedingter Schäden und Verluste gehen. Ein wichtiges Signal der Solidarität und Unterstützung gab es erfreulicherweise direkt am ersten Tag: Das Bundesumweltministerium sagte 50 Millionen Euro Finanzierung für den Anpassungsfonds zu, das Bundesentwicklungsministerium will ebenfalls 50 Millionen Euro in den „Least Developed Countries Fund“ einzahlen, der gezielt die ärmsten Länder bei der Klimaanpassung unterstützen soll.
Welche Rolle werden die USA spielen, die sich aus dem Klimaabkommen von Paris verabschiedet haben?
Interessanterweise hat die Bekanntgabe des Rückzugs der USA aus dem Pariser Klimaabkommen das vielleicht größte globale Bekenntnis zum Klimaschutz ausgelöst, indem sich zahlreiche Initiativen und Partnerschaften, oft unter Beteiligung lokaler Akteure, gegründet haben. Sie nehmen das Abkommen ernst und wollen dessen Umsetzung unterstützen. Es ist zwar politisch spannend zu sehen, wie sich die amerikanische Verhandlungsdelegation vor Ort verhalten wird, es ist aber aktuell nicht davon auszugehen, dass sie einen destruktiven Kurs fahren werden. Der Austritt der USA ist bisher auch nur mündlich angekündigt worden, er ist weder schriftlich bei der UN eingereicht worden, noch ist er bereits wirksam.
Man sollte Präsident Trump und seiner klimafeindlichen Agenda nicht allzu viel mediale Aufmerksamkeit schenken und sich stattdessen auf die Dinge fokussieren, die wirklich wichtig sind: verbindliche Regeln für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens sowie Fortschritte in den Bereichen Klimafinanzierung und Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten.
Man sollte Präsident Trump und seiner klimafeindlichen Agenda nicht allzu viel mediale Aufmerksamkeit schenken.
Die US-amerikanische Zivilgesellschaft und lokale Akteure wie Städte und Kommunen sind bei der COP 23 sehr aktiv, als „U.S. People’s Delegation“ wollen sie zahlreiche Veranstaltungen durchführen, um die Ambitionen im Klimaschutz zu steigern und zu zeigen, dass der Präsident hier nicht das letzte Wort hat. Natürlich wird die Regierung versuchen, die Klimaverhandlungen zu nutzen, um Kohle, Öl, Gas und Nuklearenergie als verlässliche und saubere Energiequellen zu bewerben – entsprechende Veranstaltungsankündigungen gibt es. Das steht aber in keiner Relation zu all den positiven Signalen, die bisher von der amerikanischen Zivilgesellschaft wie auch Bundesstaaten und anderen engagierten Akteuren gekommen sind.
Die USA sind übrigens nach den neuesten Entwicklungen das einzige Land, das beim Pariser Klimaabkommen nicht dabei sein möchte – Nicaragua und Syrien wollen den Klimavertrag als letzte Staaten nun doch unterzeichnen.
Die Forderung nach dem Kohleausstieg steht jetzt auch wieder in den zeitgleich stattfindenden Koalitionsverhandlungen im Raum. Welche Bedeutung hätte ein solcher Schritt für die Klimabilanz Deutschlands?
Zunächst einmal muss man festhalten, dass Deutschland auf internationaler Ebene großes Ansehen genießt. Die deutsche Verhandlungsdelegation war maßgeblich am Erfolg von Paris und an vielen positiven Entwicklungen in Marrakesch beteiligt und ist als ambitionierte Verhandlungspartei anerkannt. Natürlich war die Ankündigung, dass Deutschland mit großer Wahrscheinlichkeit seine nationalen Klimaziele für 2020 verfehlen wird, eine Enttäuschung. Es steht außer Frage, dass hier nachgebessert werden muss und dass man natürlich auch zu Hause mit positivem Beispiel voranschreiten, hohe Klimaziele festlegen und diese dann auch einhalten muss.
Kohle ist auf dem Weltmarkt nicht mehr wettbewerbsfähig und hat daher sowohl aus ökonomischen wie auch aus ökologischen Gründen keine Zukunft. Eine Energietransformation weg von fossilen und hin zu erneuerbaren Energien ist alternativlos und eigentlich findet dieser Prozess international bereits statt. Erneuerbare Energien sind günstig wie nie. Besonders viele Länder im Globalen Süden haben in den letzten Jahren ihr Potential erkannt und massiv in sie investiert. Diese Entwicklungen sind erfreulich und wichtig, und auch ein Land wie Deutschland sollte seine Anstrengungen intensivieren, hier mitzuhalten. Natürlich muss diese Transformation, dieser Strukturwandel, sozial gerecht gestaltet werden, so dass es auch für diejenigen Menschen, die bisher im traditionellen Energiesektor beschäftigt waren, eine Zukunft gibt. Es bleibt zu hoffen, dass der Klimaschutz in den Sondierungsgesprächen nicht geopfert wird. Dazu gehört auch, sich hier bei uns ernsthafte Gedanken darüber zu machen, wie man die Dekarbonisierung des Energiesystems, der Landwirtschaft, der Gebäudewirtschaft und des Verkehrs gestalten will.