Weltweit mehren sich klimabedingte Katastrophen, doch im Vorfeld der wichtigen 28. UN-Klimakonferenz stellt der jüngste Gewaltausbruch im Gazastreifen die politischen Verantwortlichen der Welt vor eine besondere Bewährungsprobe. In der belagerten Enklave ist zu beobachten, wie sich die Bedrohungslage für schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen zuspitzt, wenn Klimakollaps und Krieg zusammenkommen. Der Konflikt gefährdet eine wichtige Chance, Fortschritte im Klimaschutz zu erzielen, weil er die Grundlagen der Zusammenarbeit zerstört, und er illustriert gleichzeitig, wie sich regionale Konflikte negativ auf die Klimapolitik auswirken können.

Wenn sich der Gaza-Krieg weiter hinzieht, droht er die globale Energiewende in einer kritischen Phase auszubremsen. Nach Schätzungen der Weltbank könnte der Ölpreis in diesem Fall auf weit über 150 US-Dollar pro Barrel steigen. Die durch die instabile Lage im Nahen Osten befeuerten Preissteigerungen könnten es der fossilen Industrie weltweit erleichtern, die Fördermengen zu erhöhen, statt in saubere Alternativen zu investieren. Aus Angst um die Energiesicherheit könnten Zusagen für eine beschleunigte Dekarbonisierung nicht eingelöst werden.

In den Volkswirtschaften in der Region, die von Öl- und Gasexporten leben, werden angesichts des Krieges und der Preissteigerungen die Stimmen lauter, die ein ehrgeiziges Ausstiegstempo aus CO2-intensiven Kohlenwasserstoffen skeptisch bewerten. Auch wirtschaftliche Instabilität durch Krieg und steigende Energiepreise könnten den Klimaschutz behindern. Wie der Ukraine-Krieg gezeigt hat, verschieben sich durch solche Konflikte die Prioritäten oft zuungunsten des Klimas. Aufgrund der unsicheren Lage besteht die Gefahr, dass der Klimaschutz gegenüber Sicherheitsfragen ins Hintertreffen gerät. Importabhängige Länder könnten mit dem Hinweis auf Inflationsdruck und Wachstumsverzögerung ihre finanziellen Zusagen für den Klimaschutz nicht einhalten.

Der Krieg wird auch die Klimaschutz-Kooperation zwischen Israel und den arabischen Staaten schwächen. In den vergangenen Jahren hat Israel mit den Unterzeichnern des Abraham-Abkommens sowie mit Ägypten und Jordanien aktive Klimadiplomatie betrieben. Unter anderem hat man in den Bereichen Gewässerschutz und erneuerbare Energien gemeinsame Klimainitiativen gestartet. Diese Zusammenarbeit könnte indes ins Stocken geraten, wenn die Lage in Palästina die Bevölkerung in den arabischen Staaten gegen Israel aufbringt. Eine erste Folge war bereits die Annullierung des Energy for Water-Abkommens zwischen Israel, Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Während die technischen Fachleute ihre Gespräche wohl diskret fortsetzen – entsprechende Berichte gab es zumindest von der MENA Climate Week in Riad –, dürften diplomatische Aktivitäten auf höchster Ebene auf Eis liegen.

Der Krieg wird auch die Klimaschutz-Kooperation zwischen Israel und den arabischen Staaten schwächen.

Auf der UN-Klimakonferenz in Dubai wollte Israel eigentlich auch demonstrieren, wie gut sich die arabisch-israelischen Beziehungen entwickelt haben. Geplant war eine tausendköpfige Delegation, einschließlich des Ministerpräsidenten, des Staatspräsidenten und zahlreicher Regierungsvertreter. Doch angesichts der Belagerung Gazas und der täglich steigenden Zahl palästinensischer Todesopfer in der Zivilbevölkerung ist es unwahrscheinlich, dass hochrangige Vertreter Israels an der COP28 teilnehmen. Deshalb – und wegen der Einberufung von 360 000 israelischen Reservisten – soll die Delegation verkleinert werden.

Hinzu kommt die Wahrnehmung, dass die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die Vereinigten Staaten beim Schutz der palästinensischen Bevölkerung und der kritischen Infrastruktur in Gaza-Stadt versagt haben. Sie könnten deshalb in der Klimadiplomatie an Einfluss verlieren, ihre Versprechen für einen gerechten Übergang könnten Zugkraft einbüßen.

Die widersprüchliche Klimapolitik, Diplomatie und Entwicklungshilfe, die westliche Staaten in der Region betreiben, schmälern ihre Glaubwürdigkeit weiter. Dem Krieg in Gaza fallen nicht nur zahllose Zivilisten zum Opfer, sondern auch vom Westen finanzierte Infrastruktureinrichtungen für Wasserversorgung, Gesundheitsfürsorge und Ernährungssicherheit, die bei israelischen Angriffen zerstört werden, etwa die Vier-MW-Photovoltaikanlage, die das Klärwerk in Al Bureij mit Strom versorgt hat. Die Bundesregierung, die Forderungen nach einem Waffenstillstand in Gaza zurückgewiesen hat, hatte kurz zuvor noch 92 MillionenUS-Dollar für den Bau der Anlage bereitgestellt.

Diese widersprüchliche Politik führt dazu, dass die postkoloniale Welt dem Engagement des Westens für Klimagerechtigkeit, das in der Praxis von der Theorie weit entfernt ist, zunehmend misstraut. Damit die Entwicklungsländer, wie vom Westen gefordert, im Klimaschutz auf den Multilateralismus vertrauen können, muss der Westen zunächst beweisen, der er in den internationalen Beziehungen ebenfalls auf Multilateralismus setzt.

Sollte Washington den Klimaschutz zurückfahren, wird das auch in Peking nicht gut ankommen.

In den USA verärgert Präsident Biden mit seiner Weigerung, einen Waffenstillstand zu fordern, den progressiven Flügel seiner eigenen Partei. Das könnte sich in den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen negativ auf das Wahlergebnis der Demokraten auswirken, was wiederum eine Rückkehr Trumps wahrscheinlicher macht. Der ehemalige Präsident dürfte mit seinem Isolationismus, seiner Absage an die Klimaforschung und seinem Bündnis mit der fossilen Industrie die bislang erzielten Fortschritte in den USA zunichtemachen. Unter anderem ist geplant, dass eine wiedergewählte Trump-Regierung Bidens gesetzgeberisches Vorzeigeprojekt, den Inflation Reduction Act, rückgängig macht, damit die Produktion fossiler Brennstoffe maximiert werden kann. Sollte Washington den Klimaschutz zurückfahren, wird das auch in Peking nicht gut ankommen, denn China betrachtet den Klimaschutz als Bestandteil seiner Großmachtpolitik und des strategischen Wettbewerbs.

Die Krise hat darüber hinaus handfeste praktische Folgen, denn hochrangige Diplomaten, die sich eigentlich auf die COP28-Verhandlungen konzentrieren sollten, befassen sich nun mit dem Krieg in Israel und Gaza. Sie werden im ungünstigsten Moment abgezogen, sind doch die Wochen vor einer Klimakonferenz für die Konsensbildung und den Abschluss von Verhandlungen besonders wichtig.

Eine Folge dieser Entwicklung könnte sein, dass die Verpflichtungen auf dem Klimagipfel verwässert werden, eine andere, dass die globale Geschlossenheit, die es braucht, um gefährdete Länder mittels Finanz- und Technologietransfers angemessen zu unterstützen, langsam bröckelt. Diplomaten aus bestimmten Ländern könnten auch weniger geneigt sein, Kompromisse mit Kollegen einzugehen, die im Konflikt auf der Gegenseite stehen.

Und schließlich verdrängt der Gaza-Krieg die Klimakrise aus den Nachrichten, ein Trend, der sich wahrscheinlich bis Ende des Jahres fortsetzen wird. Der Klimakonferenz wird es daher schwerfallen, die Bevölkerung in der Region – mit Ausnahme der Vereinigten Arabischen Emirate – für ehrgeizigere Klimaschutzmaßnahmen zu begeistern und zu aktivieren.

Letztlich zeigt der Konflikt auf, wie wichtig es ist, Klimaschutz und Frieden nicht als getrennte Aufgaben zu betrachten, sondern als zwei Seiten derselben Medaille.

Letztlich zeigt der Konflikt auf, wie wichtig es ist, Klimaschutz und Frieden nicht als getrennte Aufgaben zu betrachten, sondern als zwei Seiten derselben Medaille. Der Klimawandel verstärkt massiv die Gefahren für vulnerable Bevölkerungsgruppen wie auch die Spannungen um schwindende Ressourcen, sei es Wasser, Nahrungsmittel oder Land. Kriege wiederum schwächen die Resilienz gegen ökologische Katastrophen. Deshalb ist politische Kreativität gefordert, Klimaperspektiven in der diplomatischen und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit zu berücksichtigen, statt sie gesondert zu besprechen.

In der Ausgestaltung von Investitions- und Entwicklungshilfepaketen gilt es, die Reduzierung von Emissionen und die Anpassung an den Klimawandel mit inklusiven Programmen für die Friedenskonsolidierung zu verknüpfen, die gemeinsam mit der Bevölkerung entwickelt werden. Auf dem Weg, der vor uns liegt, werden wir Hindernissen begegnen, die jedoch den Fortschritt nicht aufhalten dürfen.

Die COP28 eröffnet Chancen, sofern die Staats- und Regierungschefs der Welt den Mut aufbringen, Gräben zu überbrücken. Auf solchen Gipfeltreffen lässt sich der Zusammenhang zwischen Frieden und Klimaresilienz herstellen, und wenn Ressourcen knapp sind, können Investitionen in gerechte grüne Technologien und Klimafolgenanpassung für Stabilität sorgen. Auch Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung umkämpfter Wasserressourcen haben das Potenzial, Spannungen abzubauen und gleichzeitig die Nachhaltigkeit zu verbessern.

Auf diesem Klimagipfel kann die Welt der Notlage im Gazastreifen ins Auge sehen, Gaza als Mikrokosmos der Klimaungerechtigkeit erkennen und die Verwundbarkeit der Enklave mit vertriebenen Bevölkerungsgruppen in aller Welt in Bezug setzen. Finanzhilfen können fragile Staaten stärken, die unter Konflikten, Klimawandelfolgen und mangelnder Resilienz leiden. Die politischen Entscheidungsträger müssen die Lösungen für den Klimawandel unter dem Aspekt der Friedensförderung diskutieren und potenzielle Konfliktpunkte in Chancen für die Zusammenarbeit umwandeln.

Ein einzelner Gipfel vermag die eng miteinander verflochtenen Herausforderungen von heute nicht zu lösen. Doch die COP28 eröffnet der internationalen Gemeinschaft die Chance, Kooperation, Vulnerabilität und die Sicherheit von Menschen über die Politik zu stellen. Wenn die politisch Verantwortlichen die Ursachen für Instabilität bekämpfen und gleichzeitig eine gemeinsame Zukunft planen, können sie Frieden und ökologischen Fortschritt fördern. Sofern die Staaten der Welt den Mut aufbringen, ihre Politik an Prinzipien auszurichten, könnte der Klimagipfel all jenen Hoffnung geben, die sie am meisten brauchen. Es liegt noch ein weiter Weg vor uns, es sind noch viele Versprechen einzulösen, bevor wir uns ausruhen können.

Aus dem Englischen von Anne Emmert