Ein Öl-Boss leitet die Klimakonferenz – was sich anhört wie der Anfang eines schlechten Witzes, ist nun Realität. Vergangene Woche wurde Sultan Ahmed Al Jaber, CEO der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC), zum Präsidenten der nächsten Klimakonferenz (COP28) ernannt, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) Ende 2023 in Dubai ausgerichtet wird. ADNOC hat mehr oder weniger ein Staatsmonopol in der Energieversorgung des Landes. Gemessen am Produktionsvolumen ist ADNOC die zwölftgrößte Erdölgesellschaft der Welt und wird in den kommenden Jahren weltweit die zweithöchsten Investitionen in fossile Energien tätigen. Da hilft es auch nicht, dass Al Jaber gleichzeitig Vorsitzender von Masdar ist, der VAE-staatseigenen und weltweit zweitgrößten Firma im Bereich erneuerbare Energien. Denn die Investitionen von ADNOC in fossile Energieträger sind weitaus größer.
Die Ernennung Al Jabers zum COP-Präsidenten war zu erwarten. Mit seinen vielfältigen und für viele konträr gegenüberstehenden Funktionen verkörpert der Minister für Industrie und Hochtechnologie und Klimasonderbeauftragte eins zu eins den Ansatz der Vereinigten Arabischen Emirate zur Bekämpfung des Klimawandels: Durch Greenwashing soll die Absicht gedeckt werden, dass auf fossilen Energien basierende ökonomische Modell bis ins Letzte auszureizen. Der Klimawandel wird als rein technologische Herausforderung interpretiert und erneuerbare Energien sowie Nuklearenergie werden in erster Linie dafür genutzt, den eigenen wachsenden Energiebedarf zu decken, um dadurch länger und mehr fossile Energien oder auch Wasserstoff exportieren zu können.
Durch Greenwashing soll die Absicht gedeckt werden, das auf fossilen Energien basierende ökonomische Modell bis ins Letzte auszureizen.
Die VAE gehören zu den zehn größten Erdöl- und Erdgasproduzenten der Welt. Hier befinden sich über 100 Milliarden Barrel nachgewiesener Ölreserven und ungefähr 3,1 Prozent der globalen Gasreserven. Gewinne aus deren Export machen den größten Teil der Staatseinnahmen der VAE aus. Trotz aller Klimavorgaben wollen die VAE ihre Öl- und Gasproduktionskapazitäten bis 2030 auf insgesamt fünf Milliarden Barrel ausbauen und investieren dafür mehr als 600 Milliarden US-Dollar. Diese Investitionspläne stehen laut der Internationalen Energieagentur (IEA) im direkten Widerspruch zum Pariser Abkommen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Denn dies ist laut Einschätzung der IEA nur noch möglich, wenn es ab jetzt keine neuen Investitionen in fossile Energieträger mehr gibt.
Dem Präsident der Klimakonferenz kommt während der Klimaverhandlungen sowie im Vorfeld eine Schlüsselrolle zu, denn er soll als honest broker zwischen den verschiedenen nationalen und partikularen Interessen vermitteln und einen Konsens im Sinne des Pariser Abkommens herbeiführen. Er entscheidet auch maßgeblich darüber, welche Prioritäten bei den Verhandlungen gesetzt werden. Dass jemand im enggestrickten Netz von Regierung und fossiler Wirtschaft unabhängig agiert und sich rollenkonform in den Dienst des weltweiten Klimas stellt, ist jedoch nur schwer vorstellbar.
Der Präsident der Klimakonferenz entscheidet maßgeblich darüber, welche Prioritäten bei den Verhandlungen gesetzt werden.
Die Ernennung Al Jabers löste daher einen regelrechten Aufschrei bei der internationalen Zivilgesellschaft aus, die massive Interessenkonflikte befürchtet, Hand in Hand mit der Verbreitung von wenig ausgereiften technologischen Lösungen für den Klimawandel, wie der CO2-Speicherung, die von den unmittelbaren Verpflichtungen zur Reduktion der Emissionen ablenken. Al Jaber als COP-Präsidenten zu benennen sei, wie den Chef einer Tabakfirma zum Kopf einer Anti-Raucher-Kampagne zu machen, kritisierte etwa Romain Ioualalen von der Umweltorganisation Oil Change International. Daher forderte Tasneem Essop, die Direktorin des Climate Action Network, des weltweit größten zivilgesellschaftlichen Dachverbands von Klimaschutzorganisationen, dass Al Jaber von seiner Rolle als CEO von ADNOC zurücktreten solle. Entgegen dieser Forderungen wurde bereits letzte Woche bestätigt, dass Al Jaber seinen Posten bei ADNOC auch für die Zeit der COP-Präsidentschaft behalten wird.
Was bedeutet das nun konkret für die Bemühungen um ambitionierten Klimaschutz im Rahmen der nächsten Klimakonferenz? Deren Herausforderungen könnten nicht größer sein, denn schließlich gilt es das Ruder noch herumzureißen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Hierfür müssen alle Länder ihre Klimaschutzbemühungen nachschärfen. Der Global Stocktake (GST) wird hierbei auf der COP28 zentral sein. Er wurde in Glasgow 2021 eingeleitet und soll dieses Jahr auf der COP28 abgeschlossen werden. Beim GST handelt es sich um eine erste globale Bestandsaufnahme der Bemühungen, die seit 2015 gemacht wurden, um das Pariser Abkommen umzusetzen. Auf der Basis der Ergebnisse des GST, in den neben den Vertragsstaaten auch externe Expertinnen und Nichtregierungsparteien einbezogen werden, werden dann die Vertragsstaaten aufgefordert, von 2024 bis 2025 ihre nationalen Klimaschutzpläne zu aktualisieren. Er ist daher wegweisend für die weitere Ambitionssteigerung, insbesondere im kritischen Bereich der Minderungsziele.
Förderlich hierfür ist, wenn das COP-Gastgeberland eine Führungsrolle einnimmt und selbst mit gutem Beispiel vorangeht und besonders ambitionierte Ziele verkündet. Das war jedoch bereits letztes Jahr in Ägypten nicht der Fall und es scheint sich bereits abzuzeichnen, dass auch die VAE ihre Klimaziele nicht entsprechend ihrer Möglichkeiten als wohlhabendes Land mit einem Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt in der Größenordnung des Vereinigten Königreichs, Neuseelands oder Deutschlands nachschärfen. Dies sind denkbar schlechte Voraussetzungen für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, das ohne harte Sanktionsmechanismen bereits so oder so ein zahnloser Tiger ist.
Die Benennung Al Jabers zum COP-Präsidenten wirkt wie schlechte Satire.
Des Weiteren soll auf der COP28 der auf der COP27 beschlossene bahnbrechende Fonds für Schäden und Verluste ausdefiniert werden, der besonders vulnerable Länder im Umgang mit bereits aufgrund des Klimawandels erlittenen Schäden und Verlusten unterstützten soll. Sowohl die konkrete Höhe der Summen als auch die Frage, welche Länder nun in den Fonds einzahlen sollen, ist nach wie vor strittig. Dabei geht es vor allem darum, ob China oder die Staaten am Arabischen Golf, darunter auch die VAE, in diesen Fonds einzahlen müssen, da sie im UN-Klimarahmenübereinkommen als Entwicklungsländer aufgeführt sind, die keine historische Verantwortung für die CO2-Emissionen tragen.
Vor dem Hintergrund dieser drängenden Fragen und des klimabedingten Handlungsdrucks wirkt die Benennung Al Jabers zum COP-Präsidenten wie schlechte Satire. Welche Handlungsoptionen bleiben nun progressiven Akteuren, die sich für ambitionierten Klimaschutz einsetzen? Sollten sie die COP boykottieren, weil ein Repräsentant der Erdöl-Lobby den Vorsitz übernommen hat? Das wäre der falsche Weg. Denn hier gilt das Motto: „If you don’t have a seat at the table, you’re probably on the menu.“ – Wer nicht dabei ist, hat gar nichts zu sagen. Damit würde das Feld der wachsenden Lobby den fossilen Energieträger überlassen. Laut Guardian waren dieser bereits bei der vergangenen COP27 in Ägypten 636 Personen zuzuordnen, ein Zuwachs von mehr als 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Die internationalen Klimakonferenzen sind und bleiben der zentrale Dreh- und Angelpunkt für die Umsetzungen des Pariser Abkommens – dem wichtigsten Instrument für mehr Klimaschutz weltweit. Gerade deshalb braucht es trotz allem eine starke Präsenz der internationalen Zivilgesellschaft, die sich für progressive Klimapolitik einsetzt und auf die schmutzigen Machenschaften und Tricks der fossilen Lobby aufmerksam macht.