Die Fragen stellten Anja Wehler-Schöck und Thomas Greven.
Am Wochenende ging in Glasgow die 26. UN-Klimakonferenz COP zu Ende. Die britische Regierung hatte im Vorfeld versprochen, die „most inclusive COP ever“ auszurichten. Beobachter sagen jedoch, genau das Gegenteil sei erreicht worden. Haben sie Recht?
Definitiv. Die COP26 wurde sogar zur „most exclusive COP ever“. Insbesondere Teilnehmende aus dem Globalen Süden hatten mit massiven Zugangsschwierigkeiten durch die Pandemie und dem Mangel an bezahlbaren Unterkünften in Glasgow zu kämpfen. Viele von ihnen wurden dadurch faktisch von der Konferenz ausgeschlossen. Die COP26 wurde von der Deutschen Welle zu „one of the whitest climate conferences in years“ gekürt. Hinzu kam, dass es selbst für diejenigen zivilgesellschaftlichen Beobachterinnen, die es letztlich nach Glasgow schafften, nur mit einem komplizierten Ticket-System möglich war, an den Verhandlungen teilzunehmen. Das führte dazu, dass von 11 700 registrierten Beobachtern nur 36 letztlich in die Verhandlungssäle hineingelassen wurden. Eine solch massive Einschränkung gab es vorher noch nie.
Das Climate Action Network – der größte internationale Verband von Klima-NGOs – hatte sich aufgrund der Pandemie für eine Verschiebung der Konferenz stark gemacht. Diese Warnungen wurden jedoch in den Wind geschlagen. Die britische Regierung unter Boris Johnson hielt stur an dem Plan fest, die COP26 im November 2021 vor Ort stattfinden zu lassen – wohl auch, um das durch den Brexit angekratzte britische Image international etwas aufzupolieren.
Die COP26 wurde von der Deutschen Welle zu „one of the whitest climate conferences in years“ gekürt.
Viele Gruppen, die sich für eine schnellere und drastischere Bekämpfung der Klimakrise engagieren, bezeichnen die Konferenz als gescheitert. Ist die große Unzufriedenheit berechtigt?
Hierzu muss man sich noch einmal in Erinnerung rufen, was eigentlich beschlossen werden sollte. Ziel dieser wichtigsten Klimakonferenz seit Paris 2015 war es, die „Spielregeln“ des Pariser Abkommens festzuzurren, um die Klimaziele umzusetzen und zu finanzieren. Es war also eine eher technische Konferenz, die in diesem Bereich auch konkrete Ergebnisse hervorgebracht hat.
Jedoch hat die Welt sich geändert seit 2015 das Pariser Abkommen beschlossen wurde. Damals gab es Fridays for Future noch nicht und auch der Begriff „Klimakrise“ war kaum öffentlich bekannt. Zudem ist die COP im letzten Jahr pandemiebedingt ausgefallen, was die Latte für 2021 noch höher gehängt hat. Die Erwartungen an die diesjährige Klimakonferenz waren von Anfang an überfrachtet und konnten gar nicht erfüllt werden.
Das Pariser Abkommen ist aber nun einmal das einzige Instrument, auf das sich die Staaten international einigen konnten, um den Klimawandel aufzuhalten. Daher wird es weiterhin von den besonders mächtigen Ländern dieser Welt wie den USA, Indien oder China abhängen, wie weitreichend die Entscheidungen sind, die auf den Klimakonferenzen getroffen werden. Positiv ist, dass diese Länder mittlerweile nicht nur den Druck mächtiger Lobbygruppen aus der fossilen Industrie spüren, sondern auch den „von der Straße“, also von Klimaaktivisten. Ohne deren Engagement wäre das Ergebnis in Glasgow vermutlich noch schwächer ausgefallen.
Die Welt hat sich geändert seit 2015 das Pariser Abkommen beschlossen wurde.
Was wurde mit Blick auf das Pariser Abkommen konkret beschlossen?
Eines der Hauptziele des Glasgow Climate Pact war die Einführung von Berichtspflichten für die Umsetzung der Klimaschutzziele der einzelnen Länder, den sogenannten Nationally Determined Contributions (NDCs). Dabei geht es vor allem darum, eine Ambitionssteigerung bei den Emissionsreduktionszielen zu erreichen, um die Welt auf einen 1,5-Grad-Kurs zu lenken. Konkret wurde beschlossen, dass alle Vertragsstaaten des Pariser Abkommens ihre NDCs 2022 nochmals überprüfen sollen. Ein runder Tisch soll sich insbesondere mit den Minderungszielen bis 2030 beschäftigen. Das ist sicher ein Kompromiss, da es hierzu auch noch ehrgeizigere Vorschläge gab. Aber wichtig ist, dass diese Berichtspflichten nun überhaupt festgelegt wurden.
Fortschritte gibt es im Glasgow Climate Pact auch bei der Frage der Klimafinanzierung und der Unterstützung für Entwicklungsländer bei der notwendigen Anpassung an den Klimawandel. So soll die Finanzierung durch die Industrieländer bis 2025 zumindest verdoppelt werden, um das eigentlich bereits für 2020 anvisierte Ziel von jährlich 100 Milliarden US-Dollar so schnell wie möglich zu erreichen. Wie die Finanzierung nach 2025 geregelt werden soll, wurde leider nicht entschieden.
Was sind die bemerkenswertesten Ergebnisse der diesjährigen COP26?
In den ersten Tagen der Klimakonferenz gab es ein wahrhaftes Feuerwerk an Initiativen zur Eindämmung des Klimawandels, zum Beispiel zur Reduzierung von Methan-Emissionen, zum Stopp von Entwaldung, zur Senkung von Emissionen in Luftfahrt- und Automobilindustrieund zur Beendigung der öffentlichen Finanzierung von fossilen Energieträgern. Auch gab es eine große diplomatische Überraschung: eine gemeinsam von den USA und China unterzeichnete Erklärung, um beim Thema Klimaschutz besser zusammenzuarbeiten.
Insgesamt stand aber vor allem die Kohleindustrie im Fokus des Gipfels. Eine der bedeutendsten Initiativen des Klimagipfels ist ein Zusammenschluss aus mehr als 40 Ländern und internationalen Organisationen, darunter auch wichtige „Kohleländer“ wie Vietnam, Südkorea und die Ukraine. Diese haben es sich zum Ziel gesetzt, spätestens in den 2040er Jahren komplett aus der Kohle auszusteigen. Sie haben damit quasi das globale Ende der Kohleverstromung eingeleitet. Flankiert wurde diese Erklärung erfreulicherweise durch eine „Just Transition Declaration“, die eine sozial gerechte Ausgestaltung des Kohleausstiegs fordert. Sie wurde von den Gewerkschaften vorangetrieben und von vielen Industrieländern unterzeichnet.
Im Glasgow Climate Pact wird erstmals festgehalten, dass fossile Energieträger die Hauptverursacher der globalen Erderwärmung sind und deren Nutzung enden muss.
Beim Thema Kohle kam es dann aber noch zu einiger Verärgerung.
Am letzten Abend der Konferenz kam es noch zu einem wahren „Showdown“ mit Blick auf den sogenannten Kohleparagraphen des Glasgow Climate Pact. In diesem wird erstmals seit dem 26jährigen Bestehen der Klimakonferenzen festgehalten, dass fossile Energieträger die Hauptverursacher der globalen Erderwärmung sind und deren Nutzung enden muss. Es war sogar die Rede davon, dass dieser Paragraph nun das „Ende des fossilen Zeitalters“ einläute.
Allerdings wäre es aufgrund dieses Paragraphen beinahe zum Scheitern der Konferenz gekommen. China und Indien forderten in letzter Minute eine weitere Abschwächung der Formulierung. Aus dem „Ausstieg“ aus der Kohleenergie (phase-out) wurde eine „Reduzierung“ (phase down). Um das Gesamtergebnis der COP26 nicht zu gefährden, stimmten die restlichen Länder schließlich enttäuscht und zähneknirschend zu, wofür sich COP-Präsident Alok Sharma mit den Tränen ringend sogar entschuldigte. Aber ohne China und Indien lässt sich in einem Konsensverfahren kein globales Abkommen erzielen.
Gab es weitere Enttäuschungen?
Die Debatte um Entschädigungen für bereits eingetretene klimabedingte Schäden und Verluste war von besonderer Bedeutung. Hier blieb der Gipfel weit hinter den Erwartungen zurück. Statt konkreten finanziellen Zusagen – was von den betroffenen Ländern im Globalen Süden und Klimaaktivisten seit Jahren gefordert wird – gibt es hier aufgrund des Widerstands der Industrieländer nur die Zusage, einen Dialog einzurichten, um Bemühungen in diesem Bereich voranzutreiben.
Auch wenn in Glasgow wichtige Fortschritte erzielt wurden, genügt das noch nicht, um das 1,5-Grad Ziel zu erreichen.
Wie geht es nach der COP26 nun weiter?
Auch wenn in Glasgow wichtige Fortschritte erzielt wurden, genügt das noch nicht, um das 1,5-Grad Ziel zu erreichen. Denn selbst mit den dort gemachten Zusagen landet die Welt laut aktuellen Berechnungen der Organisation Climate Action Tracker immer noch bei einer Erderwärmung von 2,4 Grad im Jahr 2100.. Daher wird es vor der nächsten Klimakonferenz COP27, die 2022 in Ägypten stattfindet, vor allem darum gehen, dass die Länder ihre NDCs noch einmal verschärfen und ihre Ambitionen bei den Minderungszielen steigern. Vor allem Indien und China müssen hier (nach)liefern.
Der Glasgow Climate Pact beinhaltet zudem erst einmal nur Absichtserklärungen, die natürlich noch in konkrete politische Maßnahmen übersetzt werden müssen. Insofern liegt das Augenmerk nun darauf, dass alle Länder die in Glasgow gemachten Zusagen auch umsetzen. Und das wird vermutlich nicht ohne weiteren Druck durch die Klimaaktivisten passieren. Deshalb ist es wichtig, dass die Klimabewegung weiter am Ball bleibt und den Druck auf der Straße aufrechterhält.