Ein baldiges Ende des Kohle-Zeitalters, wie es bei der Klimakonferenz COP26 in Glasgow auf der Agenda stand, bereitete einigen afrikanischen Ländern große Sorgen. Sie überlegen, wie sie es überhaupt anstellen sollen, das schmutzige Mineral in Rente zu schicken. Etwas Erleichterung verschafft ihnen, dass der Schlusstext der COP26 in letzter Minute aufgeweicht wurde. Statt vom „Ausstieg“ aus der Kohle ist nun von einer „schrittweisen Abkehr“ die Rede. Denn der afrikanische Kontinent ist von diesem Rohstoff bislang massiv abhängig. Ein vollständiger Ausstieg aus der Kohleförderung wäre für afrikanische Länder, die ihren Energiebedarf schon so kaum decken können, eine massive Herausforderung.

Da nicht genug Mittel für erneuerbare Energieträger zur Verfügung stehen, würde das Ende der Kohle auf dem afrikanischen Kontinent auch gar nicht zwingend bedeuten, dass man vollständig auf fossile Brennstoffe verzichtet. In der Schlusserklärung der COP26 wird nicht spezifiziert, wie die Abkehr von der Kohle stattfinden soll. Dies gibt den Ländern die Möglichkeit, auf Gas umzusteigen – also einfach auf einen anderen fossilen Energieträger. Diese Entwicklung ist beispielsweise in Großbritannien sichtbar, wo die Energieversorgung stark von Erdgas abhängt.

Ein vollständiger Ausstieg aus der Kohleförderung wäre für afrikanische Länder, die ihren Energiebedarf schon so kaum decken können, eine massive Herausforderung.

Gas wird als „Übergangsbrennstoff“ empfohlen. Es verursacht zwar nur halb so viel Emissionen wie Kohle. Aber es ist eben immer noch ein fossiler Brennstoff. Da undichte Leitungen häufig nicht erkannt werden, ist es weltweit eine der Hauptquellen von Methan. Methanemissionen speichern die Wärme in der Atmosphäre dreißigmal stärker als CO2.

Bei einem schnellen Aufbau der Gasinfrastruktur steigt die Gefahr „gestrandeter Vermögenswerte“, erklärt Leo Roberts vom Think Tank E3G. Das heißt, dass Investitionen schnell an Wert verlieren, wie es bereits im Kohlesektor geschehen ist. Gas als Übergangslösung stehe den erneuerbaren Energieträgern, die billiger sind, im Weg. Nicht nur kurzfristig sei dies keine gute Idee, sondern es bedeute auch höhere Energiekosten für viele dieser Länder, was zu einem Wettbewerbsnachteil führe, so Roberts.

40 Prozent der neuen Gasvorkommen werden derzeit in afrikanischen Ländern wie Senegal, Mauretanien, Tansania oder Mosambik entdeckt. Der Energiekonzern Total hat in einigen dieser Staaten massiv investiert. Insgesamt wird in 17 Ländern des Kontinents Erdgas gefördert. Sieben von ihnen sind Gasnettoexporteure. Solche Projekte widersprechen allerdings dem Ziel einer globalen Erwärmung von höchstens 1,5°C. Bei den aktuellen Maßnahmen steuert der Planet auf eine Erwärmung um 2,4°C zu. Umso notwendiger ist es, die Kohle nicht durch weitere Gasprojekte zu ersetzen, sondern durch erneuerbare Energien.

Der „Übergangsbrennstoff“ Gas verursacht zwar nur halb so viel Emissionen wie Kohle, aber es ist eben immer noch ein fossiler Brennstoff.

Laut der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) werden derzeit nur etwa 2 Prozent der weltweit genutzten erneuerbaren Energien in Afrika eingesetzt. Mit Blick auf den afrikanischen Primärenergieverbrauch dominieren Öl, Kohle und Gas. Aber auch der Handel spielt hier eine wichtige Rolle: Fast die Hälfte des afrikanischen Exportvolumens besteht aus fossilen Energieträgern. Dies zu verändern, wird für die Wirtschaft des Kontinents nicht einfach sein, weil dafür umfangreiche Investitionen benötigt werden. So wird es noch schwerer, den Ausstieg aus der Kohle zu finanzieren – und ihn politisch zu verkaufen. Zwar ist Sonnenenergie bereits heute die günstigste Stromquelle, aber auch die Umrüstung der Energieinfrastruktur erfordert erhebliche Ressourcen. Auch die notwendige Erhöhung der Energieversorgungsrate in Afrika – sie liegt derzeit bei nur 50 Prozent – ist kostspielig.

Die öffentliche Finanzierung der Kohle soll im Zuge des Ausstiegs reduziert werden. Theoretisch bedeutet das, dass enorme Geldsummen für Investitionen in erneuerbare Energieträger verfügbar werden. China hat in Afrika lange Zeit sowohl „saubere“ Energien als auch Kohle finanziert. Dies ändert sich nun, da das Land keinen Kohleabbau im Ausland mehr fördern will. Das bedeutet, dass Anlagen im südlichen Afrika – wie in Botswana oder Simbabwe – Schwierigkeiten haben werden, ihre Kohleprojekte weiter zu finanzieren. Die Industrieländer haben bisher ihre Zusagen zur Finanzierung von Klimamaßnahmen nicht erfüllt. Eine aktuelle OECD-Analyse zeigt, dass sie erst 2023 in der Lage sein werden, ihr Versprechen von 100 Milliarden US-Dollar jährlich zu erfüllen.

Letzte Woche konnte sich Südafrika über eine Partnerschaft mit der Europäischen Union, Großbritannien, den Vereinigten Staaten, Deutschland und Frankreich 8,5 Milliarden Dollar für den Übergang zu erneuerbaren Energien sichern. Ist dieses Projekt erfolgreich, könnte es – insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent – als Muster dafür dienen, wie die Industriestaaten in den Entwicklungsländern eine faire Energiewende finanzieren können.

Da China keinen Kohleabbau im Ausland mehr fördern will, werden einige Länder Schwierigkeiten haben werden, ihre Projekte weiter zu finanzieren.

Trotzdem gab Südafrika nun bekannt, außerhalb der internationalen Verhandlungen keine Absichtserklärungen zu unterstützen, da es kein multilaterales Verfahren zum Erreichen der mit ihnen verbundenen Ziele gebe. Südafrika befürwortet Erdgas als Übergangsbrennstoff. Das könnte dazu führen, dass sich auch andere Länder auf dem Kontinent für diese Möglichkeit entscheiden.

Eigentlich gebe es keinen Grund, warum diese Länder nicht über 100 Prozent erneuerbare Energien verfügen sollten, meint Roberts. Die technischen Lösungen seien vorhanden. Aber es sei auch politischer Wille nötig. Und natürlich bedürfe es der Finanzierung. Dass der vollständige „Kohleausstieg“ gescheitert sei, erweise sich für die afrikanischen Länder somit als erhebliche Erleichterung.

Eigentlich hätte die COP26 eines der progressivsten Treffen bislang sein sollen. Stattdessen wurde sie von den Ländern erneut als politisches Spielfeld benutzt, um eine weitere jährliche Konferenz auf ihrer Liste abhaken zu können.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff