Anfang Juni verkündete die „Letzte Generation“ eine neue Strategie, um durch gezielte Aktionen auf die außergewöhnlich große Verantwortung von Reichen für den Klimawandel aufmerksam zu machen. „Die Klimakatastrophe kommt nicht einfach so. Sie wird gemacht – und zwar in erster Linie von den Reichen“, heißt es in der entsprechenden Erklärung des Aktionsbündnisses, das in den vergangenen Monaten in Deutschland vor allem durch Blockaden der Verkehrsinfrastruktur Aufsehen erregt hat, und gegen das inzwischen polizeilich und staatsanwaltschaftlich ermittelt wird. Unabhängig davon, welche Meinung man zu den Aktionen der selbsternannten „Letzten Generation“ vertritt, bleibt ein Fakt imminent: Der Zusammenhang von Reichtum und klimaschädlichem Verhalten ist signifikant.

Erstens verursachen Reiche deutlich mehr CO2-Emmissionen als Arme. Zweitens sind reiche Bevölkerungsgruppen weniger von den spürbaren Klimaschäden betroffen, oder sie können sich vergleichsweise einfach den gravierenden Klimaschäden entziehen, wenn sie etwa ihren Wohnraum und Lebensbereich so wählen, dass sie von Dürre- oder Hochwasserkatastrophen persönlich kaum etwas mitbekommen. Diese Befunde gelten international ebenso wie auf nationaler Ebene. Studien belegen. Die massiven CO2-Emmissionen der Reichen lassen ärmere Bevölkerungsschichten leiden und erhöhen deren Sterblichkeitsraten, ohne dass die Verursacher der Krise selbst stark betroffen sind.

Wenn aber der genannte Zusammenhang so klar belegt ist, muss das Folgen für die Bekämpfung des Klimawandels haben. Konkret lässt sich daraus ableiten, wer verpflichtet ist, die Investitionen für CO2-Reduktion zu finanzieren, wer die infrastrukturellen Anpassungen an den Klimawandel bezahlen muss, und wer für die soziale Abfederung von notwendigen Transformationen sowie für die bereits entstandenen Schäden aufkommen muss.

Der Ende 2020 vorgestellte Hickel-Report stellt nüchtern fest: Der globale Norden ist verantwortlich für 92 Prozent der globalen CO2-Emmissionen. Auch wenn inzwischen die Volkswirtschaften von China und Indien zu den großen Klima-Verschmutzern gehören und auch wenn in einigen – vor allem ölexportierenden – Regionen der CO2-Verbrauch pro Kopf obszön hoch ist, bleibt unbestritten, dass die historische Verantwortung für die Klimaschäden weitestgehend beim globalen Norden liegt. In einer jüngst vorgestellten Studie werden die Schulden des Nordens beim globalen Süden für die Übernutzung der Atmosphäre mit 192 BillionenUS-Dollar beziffert.

Der globale Norden ist verantwortlich für 92 Prozent der globalen CO2-Emmissionen.

Mit dem Gesagten sollen nicht diejenigen von ihrer Verpflichtung entlastet werden, die aktuell auch zu den großen Klimasündern gehören. Natürlich müssen die Volkswirtschaften Chinas, Russlands und Indiens deutlich CO2-Emmissionen einsparen und dafür die Art ihres Wirtschaftens ändern. Auch sollte natürlich der CO2-pro-Kopf-Verbrauch in Ländern wie Iran, Saudi-Arabien und Indonesien deutlich sinken. Dennoch tragen die G7-Staaten und der globale Norden nicht nur eine besondere historische Verantwortung, denn sie verursachen noch immer einen außergewöhnlich hohen Anteil am Ausstoß der CO2-Emissionen weltweit.

Dass Reichtumsverteilung mit klimaschädlichem Verhalten zusammenhängt, gilt auch im nationalen Kontext. Der Climate Inequality Report von 2023 stellt nüchtern fest: „Die Ungleichheit innerhalb eines Landes ist eine entscheidende Dimension der globalen Emissionsverteilung. Es wird festgestellt, dass die Ungleichheit der Kohlenstoffemissionen innerhalb eines Landes inzwischen den größten Teil der globalen Emissionsungleichheit ausmacht, das heißt etwa zwei Drittel der Gesamtungleichheit.“ Dieser Befund kann nicht wirklich überraschen, wenn man sich manch groteske Entwicklung anschaut, etwa die dramatische Steigerung von Privatflugreisen, oder die nicht zu übersehende Zunahme von klimaschädlichen und protzigen SUVs im Straßenverkehr.

Die inzwischen regelmäßig erhobenen Armuts- und Reichtumsberichte zeigen seit längerem eine immer breiter werdende und sich verfestigende Kluft zwischen Arm und Reich, die zunehmend mit klimaschädlichem Verhalten korreliert. Zugespitzt gesagt, zeichnet sich eine immer dramatischere Entsolidarisierung von Reichen bei gesellschaftlich notwendigen Entwicklungen ab. Dabei ist diese Gruppe nicht nur überwiegend für den Klimawandel verantwortlich, die größten CO2-Einsparungen leisten darüber hinaus vor allem ärmere Bevölkerungsschichten auf der ganzen Welt und diejenigen, die kaum etwas zum Klimawandel beitragen. Damit rücken Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen ins Zentrum von Politik.

Im Zusammenhang mit der globalen Klimafinanzierung ist 2022 bei der Klimakonferenz in Ägypten ein wichtiger Fortschritt erreicht worden, in dem der sogenannte „Verlust- und Schadensfonds“ etabliert wurde. Die digitale Berichtsplattform euronews ordnet dies wie folgt ein: „Mehr als dreißig Jahre nach dem ersten Vorschlag einigten sich die Länder darauf, vulnerablen Nationen bei der Bewältigung von klimabedingten Katastrophen zu helfen.“ Im Finanzteil des Implementierungsplans von Sharm-El-Sheikh heißt es, „eine solche Finanzierung zu liefern, wird eine Transformation des Finanzsystems und seiner Strukturen und Prozesse erfordern, in die Regierungen, Zentralbanken, Geschäftsbanken, institutionelle Anleger und andere Finanzakteure eingebunden sein werden“.

Die Armuts- und Reichtumsberichte zeigen eine immer breiter werdende Kluft zwischen Arm und Reich.

So ist es nicht überraschend, dass nicht nur bei den internationalen Klimaverhandlungen, sondern auch innerhalb der G7- und G20-Treffen die Finanzierungsfrage im Zusammenhang mit dem internationalen Klimaschutz mehr und mehr diskutiert wird. Direkte Zahlungen von reichen an ärmere Volkswirtschaften und eine Reform der internationalen Finanzinstitutionen werden bereits intensiv verhandelt, so auch beim diesjährigen Frühjahrs-Treffen von Weltbank und Währungsfonds. Dabei geht es darum, die internationalen Finanzinstitutionen so zu reformieren, dass sie einen besseren Beitrag zum Klimaschutz leisten können und dabei gerade jene im Auge behalten, die besonders vom Klimawandel betroffen sind, und die aus eigenen Kräften kaum selbst die Transformation ihrer Volkswirtschaften zu Nachhaltigkeit schultern können.

Aber neben der Reform von Finanzinstitutionen und der direkten Zahlung von Nord an Süd, drängt sich ein Finanzierungsinstrument auf, das unmittelbar mit dem Verursacherprinzip korrespondiert: die Besteuerung. Der Charme einer internationalen Steuer, die direkt zur Finanzierung von Klimaschäden und zur Transformation in Richtung klimafreundliche Gesellschaften eingesetzt würde, liegt unter anderem darin, dass im besten Fall ein Instrument geschaffen würde, das automatisch klimabezogene Maßnahmen finanziert, das also – einmal international vereinbart – unabhängig von politischen Themenkonjunkturen Mittel für den Klimakampf generiert.

Gleichzeitig würden auf diese Weise diejenigen besteuert, die in erster Linie für die Klimaschäden verantwortlich sind. Um diesen zweiten Effekt zu erreichen, liegen bereits einige Instrumente nahe: Neben der stärkeren Besteuerung von besonders klimaschädlichem Verhalten, beispielsweise durch die deutliche Verteuerung von Reisen in Privatflugzeugen, sind ebenso einkommens- und vermögensbezogene Klimaabgaben für besonders reiche Privatpersonen und Firmen denkbar. Der bereits zitierte Climate Inequality Report ist hier eindeutig: „In Anbetracht des großen Finanzierungsbedarfs der Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen in den kommenden Jahrzehnten und in Anbetracht der sehr hohen und weiter zunehmenden Konzentration von Vermögen bei einigen wenigen Spitzenreitern auf globaler Ebene lässt sich leicht argumentieren, dass die Frage der progressiven Vermögensbesteuerung noch nie so wichtig war.“

Der Zusammenhang von Reichtum und Klimaschädigung ist evident. Der führende Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber forderte deshalb Anfang des Jahres ein festes CO2-Budget pro Person, mit dem ärmere Menschen sogar handeln könnten: „Ärmere Schichten der Bevölkerung verkaufen, weil sie’s eh nicht so brauchen, einen Teil [ihres CO2-Budgets und] können sich ein bisschen was dazuverdienen. Und dann muss eben ein Milliardär sich hundert Tonnen pro Jahr dazukaufen.“ Auch wenn der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck diesen Vorschlag unmittelbar ablehnte, schreit der Zusammenhang von Reichtum und Klimaschädigung nach einem Instrument, das das Verursacherprinzip endlich ernst nimmt. Zwar stellt der in der EU geltende Emissionshandel bereits einen Zusammenhang zum CO2-Verbrauch her und federt überdies entstehende Kosten über einen Klimasozialfond ab. Er wählte damit aber einen Mechanismus, der nur mittelbar wirkt. Deshalb überrascht die Analyse des Climate Inequality Report nicht: „In vielen Ländern fehlen weiterhin progressive Kapitaleinkommenssteuern, Spitzen-Erbschaftssteuern und progressive Vermögenssteuern, welche signifikante Einnahmen für vulnerable Gruppen darstellen könnten, ohne das ökonomische Wachstum oder die Mittelschicht zu gefährden.“ Diese Tatsache führt absehbar zu gefährlichem sozialem Sprengstoff.

Es gilt also nicht nur in Deutschland und im globalen Norden, eine neue Art des Wirtschaftens zu etablieren. Die dominanten CO2-Emittenten müssen diejenigen unterstützen, die es sich nicht erlauben können und die am meisten vom Klimawandel betroffen sind. Denn die Gruppe der Klimaverschmutzer ist zugleich die Gruppe, die über die notwendigen Mittel hierfür verfügt – national wie international. Auch unter diesem Aspekt sollten zukünftig Debatten über Einkommens-, Vermögens- und Erbschaftssteuern geführt werden – in Deutschland, wie auf der ganzen Welt.