Die Reduktion der CO2-Emissionen stockt. Die kommende Bundesregierung wird unter Druck stehen, den CO2-Preis schneller als geplant anzuheben, im Kontext ohnehin steigender Energiepreise. Im Zusammenhang mit dieser Forderung schwelt schon länger eine Debatte: Wie lässt sich ein solcher Anstieg sozial abfedern? Oft wird dabei eine pauschale Auszahlung an die Bürger gefordert – wie sie es z.B. in der Schweiz und Kanada gibt. Diese Idee scheint zwar elegant, ist aber nicht zielführend.

Die Corona-Krise hat Deutschland bei der Erreichung der CO2-Ziele nur einen kurzen und ökonomisch freilich sehr teuren Aufschub beschert: Die Emissionsziele, die 2020 erreicht wurden, werden aller Voraussicht nach im Jahr 2021 wieder deutlich verfehlt. Der Handlungsdruck auf die politischen Parteien, die Reduktion der Emissionen zu beschleunigen, ist entsprechend groß – und viele Akteure glauben, dass dies nur über einen schnelleren Anstieg des CO2-Preises gelingen wird. Es besteht Einigkeit darüber, dass bei der Einführung eines solchen Instruments ein beschleunigter Preisanstieg sozial abgefedert werden muss. Eine prominente Forderung dafür ist die pauschale Rückerstattung von Einnahmen aus dem CO2-Preis an die Bürger. Sie wird als „Energiegeld“ von Bündnis 90/Die Grünen eingebracht, als „Ökobonus“ von BUND und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband; aber auch durch das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft oder dem Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in unterschiedlichen Varianten in die Debatte getragen.

Die Idee eines pauschalen Energiegelds scheint zwar elegant, ist aber nicht zielführend.

Die Idee wirkt elegant: Der Staat zahlt zumindest einen Teil der Einnahmen aus der CO2-Abgabe mittels einer einheitlichen Auszahlung an alle Bürger zurück. Er signalisiert damit, dass es ihm um die Lenkungswirkung der Abgabe geht und nicht um höhere Belastungen. Zugleich stellt sich eine umverteilende Wirkung ein, weil Menschen mit geringeren Einkommen typischerweise ein deutlich CO2-sparsameres Konsumverhalten haben als Menschen mit hohen Einkommen. Für erstere ergibt sich deshalb netto – im Durchschnitt – eine Entlastung, für letztere eine Belastung. Die Befürworter eines solchen Mechanismus betonen deshalb, ein solcher Bonus trage zu einer gerechten Klimapolitik und einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz eines höheren CO2-Preises bei. Als Vorbilder gelten die Schweiz, in der ein solches System schon seit 2008 besteht, und Kanada, das seit 2018 in Teilen des Landes einen Climate Action Incentive an die Bürger auszahlt.

Doch so wichtig es ist, dass der CO2-Preis sozial abgefedert wird: Es sprechen gute Gründe gegen eine pauschale Rückerstattung. Selbst wenn sie nur ein Instrument unter mehreren wäre – der mühsamere Weg einer bedarfsorientierten Kompensation ist zielführender.

Zunächst gilt, dass eine pauschale Rückerstattung natürlich bedeutet, auch allen wohlhabenden Bürgern diesen einheitlichen Anteil am CO2-Abgabenaufkommen auszuzahlen. Eine Rückerstattung an diese Gruppe wäre in doppelter Hinsicht ineffizient: Sie würde die Lenkungswirkung der CO2-Abgabe unnötig reduzieren und Geld für einen Ausgleich verschlingen, wo dieser nicht gebraucht wird. Dieses Effizienz-Argument ist nicht trivial: Bei einem CO2-Preis von 50 Euro pro Tonne wäre bereits mit Einnahmen von etwa 14,5 Milliarden Euro zu rechnen – bei einem stärkeren Anstieg mehr, ceteris paribus, also wenn alle anderen Bedingungen gleich bleiben.

Ökonomen und Klimaforscher sind sich einig, dass das Erreichen der Klimaziele ein deutliches Aufstocken staatlicher Ausgaben für Infrastrukturen und Anreizsysteme erfordert. Die Denkfabrik Agora Energiewende schätzte zuletzt, dass ein Klimahaushalt in Höhe von jährlich 30 Milliarden Euro nötig ist. Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) und des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e.V. (IW) fassen die Bedarfe etwas breiter und rechnen mit zusätzlichen öffentlichen Ausgaben von über 45 Milliarden Euro jährlich. Die Corona-Krise hat indes den Schuldenstand des Bundes erhöht, und noch zeichnet sich kein Kompromiss zwischen den Parteien ab, wie unter den fortbestehenden Restriktionen der Schuldenbremse die nötigen Ausgaben gestemmt werden könnten. Ein wirksamer Einsatz der verfügbaren Gelder ist schlicht notwendig.

Der mühsamere Weg einer bedarfsorientierten Kompensation ist zielführender.

Außerdem: Eine pauschale Rückerstattung ignoriert das Prinzip der Bedarfsorientierung, das sozialpolitischem Handeln eigentlich zugrunde liegt. Die tatsächliche Betroffenheit, die verfügbaren Mittel, das tatsächliche Vorliegen von Alternativen für die Einzelperson – all diese individuellen Bedingungen spielen hier keine Rolle. Der Ansatz nimmt damit implizit an, dass jede Person allein für ihren CO2-Fußabdruck und dessen Reduktion verantwortlich sein kann. Ein im Kern individualistischer Ansatz, der an Vorschläge wie das bedingungslose Grundeinkommen oder ein Grunderbe erinnert. Er ignoriert z.B., dass oft die Voraussetzungen dafür fehlen, dass Bürger eine Wahl treffen könnten – beispielhaft sei hier auf die Ladeinfrastruktur für E-Autos oder den öffentlichen Nahverkehr verwiesen: Beide Infrastrukturen sind für einen flächendeckenden Wechsel hin zu CO2-ärmeren Alternativen auf Jahre nicht hinreichend ausgebaut. Ein höherer CO2-Preis verteuert dann für viele die Lebenshaltung, ohne dass sie ihr Verhalten selbstbestimmt ändern könnten – dies würde Unmut hervorrufen, statt die Akzeptanz des CO2-Preises zu stärken.

Auch die Erfahrungen aus Kanada und der Schweiz stimmen vorsichtig: In der Schweiz wird etwa ein Drittel der Einnahmen aus der CO2-Steuer in die energetische Gebäudesanierung investiert, etwa zwei Drittel fließen an Bevölkerung und Wirtschaft zurück. Eine schweizerische Forschungsarbeit aus dem Jahr 2015 weist allerdings darauf hin, dass der großen Mehrheit der Bevölkerung auch Jahre nach Einführung der CO2-Steuer der Rückverteilungsmechanismus (über eine Reduktion der Krankenkassenbeiträge) nicht bekannt ist. Das bestätigt die Vermutung: Die Anhänger des Energiegeldes scheinen die kommunikative Wirkung des Instruments zu überschätzen. Statt Akzeptanz zu schaffen, geht es im Steuer- und Abgabendschungel unter. Erst im Juni 2021 wurde eine Erhöhung des CO2-Preises, für die ebenfalls der Rückverteilungsschlüssel gelten sollte, in einer Volksabstimmung abgelehnt – wenn auch in politisch aufgeheizter Stimmung.

In Kanada sind die Provinzen angehalten, eine CO2-Bepreisung nach national vorgegebenen Mindeststandards einzuführen. Tun sie das nicht, greift das nationale „Backstop“-System, das einen CO2-Mindestpreis und steuerliche Rückerstattungen an die Bevölkerung vorsieht. Obwohl schon vor dieser landesweiten Regelung mehrere Provinzen CO2-Bepreisungssysteme hatten, drohte die Stimmung im Land zu kippen: In New Brunswick und Alberta wurden Regionalregierungen gewählt, die die CO2-Bepreisung ablehnten, Ontario und Alberta schafften ihre eigenen Bepreisungssysteme ab, mehrere Provinzen klagten schließlich gegen die Einführung der landesweiten Vorgaben. Diese Klagen wurden im März 2021 vom Obersten Gerichtshof abgewiesen, und womöglich ließen sich solche Zerwürfnisse mit sorgsamerer politischer Kommunikation verhindern – sicher aber scheint das nicht.

Die Anhänger des Energiegeldes scheinen die kommunikative Wirkung des Instruments zu überschätzen.

Die meisten hiesigen Vorschläge für die Kompensation einer CO2-Steuer sehen nicht allein eine pauschale Rückerstattung vor. Oft wird ein Absenken der Strompreise über eine anteilige oder vollständige Übernahme der EEG-Umlage aus Steuermitteln vorgeschlagen, was ebenfalls progressiv auf die Einkommensverteilung wirken und zudem noch die Nutzung von strombasierten Alternativen attraktiver machen würde. Auch Boni für CO2-armes Pendeln, das Sicherstellen von Warmmietenneutralität bei Gebäudesanierungen oder die Einführung eines Fonds, der Bürger unterstützt, die der CO2-Preis mit besonderer Härte trifft, sind im Gespräch.

All diese Vorschläge eint, dass sie sich an konkretem Bedarf nach CO2-armen Alternativen ausrichten – und eben das ist der richtige Weg. Dieser Ansatz mag weniger elegant sein als eine pauschale Rückerstattung, mitunter bürokratieaufwendiger und in seiner Umsetzung sicher auch nicht immer fair. Aber er hat zwei entscheidende Vorteile: Er erkennt die individuellen Verhältnisse an, unter denen Menschen abverlangt wird, ihre Gewohnheiten, ihren Lebensstil und ihr Konsumverhalten nun rasch zu verändern. Und er sieht eine aktive Rolle für den Staat vor. Politik – und Wirtschaft – haben den Wandel lange verschleppt. Wenn der CO2-Preis nun eine Art Leitinstrument der Emissionsreduktion werden soll und sein Anstieg beschleunigt wird, dann steigt auch der Bedarf in der Bevölkerung nach einer infrastrukturellen Flankierung dieser Maßnahme. Eine pauschale Rückerstattung würde diesem Ansatz nicht nur Gelder entziehen, sie könnte auch bedeuten, dass politische Akteure ihre mit dem CO2-Preis steigende politische Verantwortung als zusehends pauschal abgegolten betrachten.

Dabei gilt: Auch bei einem beschleunigten Anstieg wird der CO2-Preis ein Instrument unter vielen bleiben, und in dieser Logik sollte auch seine Kompensation gedacht werden, d.h. eingebettet in den Ausbau des ÖPNV, Förderprogramme für Gebäudesanierungen, Wärmepumpen und E-Mobilität. Eine wirksame Kompensation richtet sich nicht schlicht am CO2-Preis aus, sondern an der ganzheitlichen Herausforderung einer CO2-neutralen Gesellschaft.