In den vergangenen zwei Jahren hat US-Präsident Joe Biden eine beeindruckende, wenn bisher auch weitgehend unangekündigte nationale Industriestrategie ausgearbeitet, die darauf abzielt, die amerikanische Wirtschaft global wettbewerbsfähiger zu machen und gegen Rivalen wie China zu stärken. Ein gewichtiger Teil dieser Strategie, der Inflation Reduction Act (IRA) vom vergangenen August, hat allerdings zu einem diplomatischen Zerwürfnis mit Amerikas langjährigen Verbündeten in Europa und Asien geführt. Diese Auseinandersetzung illustriert die Notwendigkeit, Amerikas dringend benötigte öffentliche Investitionen im Inland mit einer umfassenderen geopolitischen Strategie im Ausland zu verknüpfen.
Verbündete wie Frankreich, Deutschland, Südkorea und Japan lehnen die Maßnahmen im IRA ab, die amerikanische Verbraucher beispielsweise zum Kauf von in den Vereinigten Staaten hergestellten E-Autos ermutigen sollen. Im Rahmen des IRA gibt es beim Kauf von Elektrofahrzeugen eine Steuervergünstigung von 7 500 Dollar – sofern deren Batterien zu einem gewissen Teil in Nordamerika hergestellt wurden und in diesen Batterien ein bestimmter Anteil an Mineralien wie Nickel, Kobalt und Lithium enthalten ist, die in den Vereinigten Staaten oder in Ländern, mit denen die USA Freihandelsabkommen haben, abgebaut oder verarbeitet wurden. Die Regierungen der Partnerländer befürchten, dass ihre eigenen Autohersteller durch diese Anforderungen einen Wettbewerbsnachteil gegenüber US-Unternehmen erleiden.
Die Unzufriedenheit der europäischen Verbündeten über den angeblich diskriminierenden Charakter der US-Regelungen hält an.
Die Sorgen, wie sich diese amerikanischen Anreize auf die europäischen und asiatischen Volkswirtschaften auswirken könnten, sind nicht unbegründet: Tesla hat Berichten zufolge seinen Plan aufgegeben, eine Batteriefabrik in Deutschland zu bauen. Stattdessen will man offenbar von den Steuervergünstigungen im Rahmen des IRA profitieren. Erschwerend für die europäischen Verbündeten kommt hinzu, dass die durch den Krieg in der Ukraine verursachten hohen Erdgaspreise viele europäische Industriekonzerne dazu bewegt haben, ihre Produktion in Europa herunterzufahren und sie teilweise in die Vereinigten Staaten zu verlegen.
Es ist daher nicht überraschend, dass der französische Präsident Emmanuel Macron im Gegenzug „Buy European“-Bestimmungen fordert, um die eigenen Autohersteller zu schützen. Ebenso wenig verwunderlich ist, dass die deutsche Bundesregierung für einen solchen Schritt empfänglich zu sein scheint. Der südkoreanische Botschafter in den USA erklärte derweil, seine Regierung führe „sehr intensive Gespräche“, um Bedenken auszuräumen, dass der IRA koreanischen E-Auto-Herstellern schaden könnte. Die Unzufriedenheit der europäischen Verbündeten über den angeblich diskriminierenden Charakter der US-Regelungen hält an, wobei die Beschwerden wohl zum Teil übertrieben sind, um in den Gesprächen mit Washington ein gewisses Druckmittel zu haben.
Wie inländische Investitionen mit außenpolitischen Zielen der USA verknüpft werden, ist eine der Schwächen des derzeitigen amerikanischen Ansatzes in der Industriepolitik.
Die Beschwerden mögen angesichts der Erfolgsbilanz der Regierungen, die diese Beschwerden vorbringen, etwas übertrieben sein. Trotzdem spiegeln sie reale diplomatische Bedenken wider, die von den Vereinigten Staaten ernst genommen werden sollten. Die europäischen Sorgen weisen auch auf eine Schwäche des derzeitigen amerikanischen Ansatzes in der Industriepolitik hin – nämlich auf die Art und Weise, wie inländische Investitionen mit außenpolitischen Zielen der USA verknüpft werden.
Kurz gesagt, die Vereinigten Staaten müssen in der Industriepolitik einen internationaleren Ansatz verfolgen als bisher. Es gibt diverse Möglichkeiten, wie die US-Regierung dies tun könnte, zum Teil auf der Grundlage bestehender Strategien und Ansätze, die erweitert und ausgebaut werden sollten.
Die Volkswirtschaften der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten sind nach wie vor eng miteinander verflochten.
Die besagten Anforderungen für Elektroautos im Inflation Reduction Act sind aktuell wohl das Hauptproblem in den Handelsbeziehungen der USA mit ihren europäischen und asiatischen Verbündeten. Da diese Länder meist keine Freihandelsabkommen mit den USA haben (von den direkten Verbündeten haben nur Australien, Kanada und Südkorea derartige Abkommen), profitieren sie nicht von den IRA-Bestimmungen. Dementsprechend sollte die Regelung auf alle Länder ausgedehnt werden, mit denen die Vereinigten Staaten ein formelles Sicherheitsbündnis unterhalten, sei es bilateral wie im Fall von Japan und Südkorea oder multilateral wie im Rahmen der NATO. Noch ehrgeiziger wäre es, solche Bestimmungen zum grundsätzlichen Standard zu machen – „Buy Allied“ statt lediglich „Buy American“ unter Einbeziehung einiger weniger Freihandelspartner.
Eine solche Vereinbarung wird nicht alle Handelsstreitigkeiten oder Konfliktpunkte zwischen den USA und ihren Verbündeten beseitigen. Aber sie würde die Partner in eine ausgeglichenere Ausgangslage bringen, in der ähnliche Volkswirtschaften und politische Systeme füreinander offener wären als gegenüber anderen Volkswirtschaften und anderen Systemen. Darüber hinaus würde anerkannt, dass die Volkswirtschaften der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten nach wie vor eng miteinander verflochten sind, auch wenn amerikanische, europäische und asiatische Unternehmen um Marktanteile konkurrieren. In der U-Bahn von Washington D.C. werden beispielsweise Waggons und Loks eingesetzt, die von einem italienisch-japanischen Konzern im US-Bundesstaat Maryland hergestellt werden.
Der Zugang zum US-Markt kann nicht absolut bedingungslos sein.
Gleichzeitig muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass diese Art von Marktzugang nicht absolut bedingungslos sein kann. Die Vereinigten Staaten müssen daher deutlich machen, was sie von ihren Verbündeten erwarten – nämlich, dass sie Investitionen in kritische Industrien durch potenziell feindliche Mächte wie Russland und insbesondere China genauer im Auge behalten. Der sogenannte CHIPS Act – eine weitere tragende Säule der Industriepolitik der Biden-Regierung – enthält eine Bestimmung, die es Halbleiterherstellern, die im Rahmen des Gesetzes Bundesmittel erhalten, untersagt, ihre Aktivitäten in China auszuweiten. Es gibt Einschränkungen des Gesetzes, um bereits bestehende Unternehmensinvestitionen in China zu schützen. Außerdem haben Unternehmen wie TSMC, Intel und Samsung Berichten zufolge bereits einjährige Ausnahmen erhalten. Weitere Neuinvestitionen werden jedoch für Unternehmen, die Subventionen der US-Regierung erhalten wollen, nicht möglich sein.
Ähnliche Maßnahmen könnten für Investitionen in anderen wichtigen Industrien eingeführt werden, auch wenn diese nicht unbedingt so restriktiv sein müssen wie die des CHIPS Act. So könnten die USA Regelungen schaffen, die den Marktzugang beschränken, wenn Investitionen von Ländern wie Russland und China in kritischen Industrien getätigt werden sollen. In ähnlicher Weise hatte die Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz kürzlich zwei chinesische Investitionen in kritische Industrien in Deutschland blockiert.
Klare Kriterien für Investitionen in solchen Industriezweigen – am besten in Zusammenarbeit mit Amerikas europäischen und asiatischen Verbündeten, aber notfalls auch im Alleingang – würden helfen, künftige Unklarheiten und Streitigkeiten in dieser Hinsicht zu vermeiden. Derartige Regelungen müssten äußerst flexibel sein und einen großen Ermessensspielraum für die Exekutive bieten. Dennoch ist es wichtig, bei diesem Thema eindeutige Signale zu senden.
Nicht zuletzt sollten die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten ihre bestehende Zusammenarbeit bei großen wissenschaftlichen, technologischen und technischen Projekten vertiefen. Angesichts der Stärke der bereits bestehenden Beziehungen ist die Weltraumforschung womöglich der beste Ort, um mit der Vertiefung der Zusammenarbeit bei beeindruckenden Großprojekten zu beginnen, die für die heimische Wirtschaft und Industrie von großem Nutzen sind. Im Rahmen des Artemis-Programms der NASA gab es bereits eine umfassende Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), die die Wartungsmodule für das Orion-Besatzungsfahrzeug der NASA baut.
Hinzu kommt die Mission Artemis I, die derzeit den Mond umkreist. Die ESA wird auch zur Gateway-Raumstation beitragen, die ebenfalls den Mond umlaufen soll, und die NASA und die japanische Raumfahrtbehörde haben gerade ein Abkommen über zusätzliche japanische Beiträge zu Gateway unterzeichnet. Darin ist unter anderem vorgesehen, dass ein japanischer Astronaut an einer künftigen Artemis-Mission teilnimmt.
Neben Artemis und gemeinsamen Robotermissionen wie dem James-Webb-Teleskop und dem Mars Sample Return gibt es potenziell weitere Bereiche für die Zusammenarbeit zwischen den USA und ihren Verbündeten in der Weltraumforschung. Die ESA hat beispielsweise Ambitionen in Sachen „autonome“ Raumfahrt geäußert. Hier besteht zusätzliches Potenzial für eine Kooperation mit den Vereinigten Staaten, die eine unterstützende Rolle spielen könnten – ähnlich wie die ESA eine unterstützende Rolle bei Orion gespielt hat.
Der Weltraum ist jedoch nicht der einzige Ort, an dem die USA und ihre Verbündeten bei wichtigen wissenschaftlichen und technischen Projekten gemeinsam aktiv werden können. Bereiche wie die Erforschung der Unterwasserwelt, fortschrittliche Kernreaktoren, Quantencomputer und künstliche Intelligenz würden alle von einer engen Zusammenarbeit über den Atlantik und den Pazifik hinweg profitieren. Der US-EU Trade and Technology Council bietet heute schon ein wichtiges Forum für die Diskussion über solche Themen. Das Format sollte auf transpazifische Verbündete wie Australien, Japan und Südkorea ausgeweitet werden.
Groß angelegte Pläne zur Organisation und Steuerung einer neuen Weltwirtschaft werden nicht funktionieren.
Man sollte und kann den USA und ihren Verbündeten keinen Strick daraus drehen, dass ihre Industriepolitik auf internationaler Ebene nur schleppend vorankommt und recht unübersichtlich bleibt. Die Unsicherheiten, die mit dem Übergang von der Ära der Hyper-Globalisierung nach dem Kalten Krieg zu einer neuen, bisher unbekannten globalen Wirtschaft verbunden sind, sind einfach zu groß, um etwas anderes zu erwarten. Klar ist jedoch, dass wir alle enger zusammenarbeiten müssen, statt einfach auf die Konzepte und Ideen der Vergangenheit zurückzugreifen.
Klar ist auch, dass groß angelegte Pläne zur Organisation und Steuerung dieser neuen Weltwirtschaft nicht funktionieren werden. Stattdessen brauchen die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten eine praxisnahe Zusammenarbeit, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern und umgehend darauf zu reagieren – keine abstrakten Forderungen nach globalen Regeln, die sich überlebt haben, so nützlich sie auch einmal gewesen sein mögen. Tatsächlich können Handels- und internationale Wirtschaftskonflikte konstruktiv und hilfreich sein, wenn sie zwischen den beteiligten Ländern und Organisationen aufrichtig und offen ausgetragen werden.
Letztendlich wird aus den Maßnahmen der USA und ihrer Verbündeten – zumindest teilweise – eine neue Weltwirtschaft hervorgehen. Dieser Prozess wird nicht angenehm sein, aber neue Regeln und Beziehungen werden eher durch Handeln geschaffen als durch den Top-Down-Versuch, eine regelbasierte Wirtschaftsordnung von oben herab durchzudrücken. Mit etwas Glück und harter Arbeit wird sich diese neue Weltwirtschaft als widerstandsfähiger erweisen und den Menschen in den Vereinigten Staaten und ihren Partnerländern zugutekommen.
Die Originalversion des Artikels erschien zuerst beim US-Analyseportal The Liberal Patriot.
Aus dem Englischen von Tim Steins