Die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) war die größte einer US-Bank seit der Finanzkrise 2008. Die SVB musste Insolvenz anmelden, weil zu viele Kunden gleichzeitig ihr Geld abziehen wollten, nachdem Zweifel an der Stabilität der Bank aufgekommen waren. Das Geschäftsmodell der Bank war, wie der Name vermuten lässt, auf Tech-Start-ups ausgerichtet. Diese hatten große Teile ihrer Einlagen bei der Bank, wodurch die SVB einen besonders hohen Anteil von Einlagen über 250 000US-Dollar aufwies.

Das zentrale Problem der Bank lag jedoch in ihrer Anlagestrategie. Sie steckte die großen Einlagen vor allem in niedrig verzinste Anleihen. Diese waren in Zeiten insgesamt niedriger Zinsen eine sichere Anlage. Allerdings wurde in letzter Zeit der Leitzins durch die amerikanische Zentralbank Federal Reserve kräftig erhöht, um die Inflation zu bekämpfen. Durch die steigenden Zinsen fielen die Anleihen im Wert, denn durch die Zinswende gab es am Markt besser verzinste vergleichbare Angebote. Gegen das Risiko fallender Anleihekurse hätte sich die SVB absichern und einen Bank-Run wohl verhindern können. Diese Chance hat sie aber verpasst.

Dass die SVB diese Risiken nicht absichern musste, liegt sehr wahrscheinlich am Einfluss der Finanzlobby. Nach dem Crash 2008 wurden extra verpflichtende Stresstests für Banken eingeführt. Bei einem solchen Test prüft die Bankenaufsicht die Bilanzen der Banken mit Hilfe von Krisenszenarien. Diese hätten das enorme Zinsänderungsrisiko der SVB vermutlich aufgedeckt. Allerdings wurde diese Regulierung unter Einsatz der Bankenlobby 2018 unter US-Präsident Donald Trump zurückgedreht. Auch SVB-Chef Greg Becker hatte sich dafür stark gemacht.

Offenbar mit enormen Folgen. Denn so konnten die Zinsänderungsrisiken der SVB ungesichert bleiben, worin Investorinnen und Investoren massive Probleme witterten. Tech-Start-ups werden in der Regel von Risikokapitalgebern (Venture Capital) finanziert. Mit Peter Thiel schlug einer der bekanntesten dieser Kapitalgeber bei den von ihm finanzierten Unternehmen Alarm und machte auf die Probleme der SVB aufmerksam. Viele Tech-Start-ups verfielen in Panik um ihr angelegtes Geld und begannen, es abzuziehen. Die Folge war ein sogenannter Bank-Run, dem die SVB letztlich nicht standhalten konnte.

Diese außerordentliche Reaktion der Aufsichtsbehörden zeigt, dass der Krisenmodus an den Finanzmärkten Normalität geworden ist.

Mit potenziellen Folgen für die Kundinnen und Kunden: Denn in den USA sind Einlagen bis zu 250 000US-Dollar durch die Einlagensicherung (FDIC) geschützt. Einlagen darüber hinaus sind es nicht und würden im Falle einer Insolvenz also nur zum Teil, aus der Insolvenzmasse, gezahlt werden. Aufgrund ihres Geschäftsmodells hatte die SVB besonders viele Einlagen über dieser Grenze. Tech-Unternehmen hätten innerhalb kürzester Zeit große Probleme bekommen können. Deshalb griff die Aufsicht, mit Berufung auf eine Ausnahme für systemische Risiken, direkt ein und sicherte die Einlagen großzügig ab.

Dass die USA die Einlagen der SVB absichern kann, ohne in die Staatskasse zu greifen, liegt an der gemeinsamen Einlagensicherung und den Eingriffsmöglichkeiten der zuständigen Behörde FDIC. Geld verlieren in erster Linie die Aktionäre sowie einige Anleihebesitzerinnen der SVB und nicht der Staat. Das ist auch gut so. Doch die Maßnahme, die Einlagen zum Großteil zu schützen, stößt auch auf Kritik. Die Entschädigung aller Einlagen untergräbt nach Sicht einiger europäischer Regulierungsbehörden weltweit vereinbarte Standards. Eine vollständige Entschädigung der Anlegerinnen und Anleger aufgrund „systemischer Risiken“ für eine kleine Bank sei, wie eine Fliege mit dem Vorschlaghammer zu erschlagen.

Aber die FED hatte offenbar zu große Sorgen, dass weitere Banken das Ziel von Bank-Runs werden könnten. Deshalb legte sie sogar noch am Sonntag ein Sonderprogramm auf. Banken können nun Anleihen, die durch die Zinswende weniger wert sind, zum ursprünglichen Wert (Nennwert) gegen Liquidität tauschen. Dies hilft vor allem den Banken, die ihre Zinsänderungsrisiken nicht selbst abgesichert haben. Das Risiko dieses Geschäfts trägt allerdings das US-Finanzministerium, welches für die FED bürgt, und somit letztlich die Steuerzahlenden. Diese Maßnahmen sollen eine größere Panik an den Finanzmärkten verhindern.

Dies ist ein absolut historischer Schritt wie Daniela Gabor, Professorin für Volkswirtschaft an der UWE Bristol, kommentierte. Es ist die Regel, dass Zentralbanken Abschläge, sogenannte „Haircuts“, auf den Wert der Anleihen vornehmen. So lieh beispielsweise die EZB während der Eurokrise Griechenland nur 50 Prozent des ursprünglichen Wertes für griechische Anleihen. Diese außerordentliche Reaktion der Aufsichtsbehörden zeigt, dass der Krisenmodus an den Finanzmärkten Normalität geworden ist. Laut Autor Zachary Carter war das FED-Programm zusammen mit der vollständigen Einlagensicherung sogar „effektiv eine Verstaatlichung großer Teile des Bankgeschäfts“. Statt sich auf solide Finanzmarktregulierung verlassen zu können, müssen also ständig Zentralbanken intervenieren. Dies zeigt sich immer wieder: in der Repo-Krise 2019, in der Corona-Finanzkrise 2020 sowie bei den britischen Pensionsfonds während der kurzen Amtszeit von Liz Truss 2022.

Statt sich auf solide Finanzmarktregulierung verlassen zu können, müssen also ständig Zentralbanken intervenieren.

Finanzmärkte reagieren bekanntlich schnell, und so haben sich zu Beginn der Woche Marktteilnehmer die nächsten Wackelkandidaten gesucht. Nachdem weitere Regionalbanken von ähnlicher Größe wie die SVB kurzfristig unter Druck gerieten, scheint dieser Entwicklung durch das FED-Programm vorerst Einhalt geboten. Stattdessen fiel der Fokus auf die Credit Suisse, eine internationale und systemrelevante Bank. Diese war in den letzten Jahren vor allem wegen ihrer langen Liste an Skandalen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Sowohl bei der Insolvenz der Greensill Bank als auch des Archegos Hedgefonds hat Credit Suisse Verluste in Milliardenhöhe gemacht. Zudem wurden im Frühjahr 2022 die Swiss-Leaks veröffentlicht, welche eine ganze Reihe schmutziger Geschäfte mit Kleptokraten und Oligarchen aufdeckte.

Der Aktienkurs der Credit Suisse brach zu Beginn der Woche um zwischenzeitlich fast 30 Prozent ein. Anlegerinnen und Anleger wetten auf eine mögliche Insolvenz, dabei scheint die Credit Suisse jedoch besser abgesichert als die SVB. Sie erfüllte alle regulatorischen Standards für Eigenkapital und Liquidität. Trotzdem bat die Credit Suisse die Schweizer Aufsicht (Finma) und die Schweizer Nationalbank am 15. Märzöffentlich um Unterstützung. Diese folgte prompt in einer Pressemitteilung am Abend, als die Finma und die Schweizer Nationalbank öffentlich bestätigten, dass die Credit Suisse alle Standards erfülle und die Nationalbank ihr gegebenenfalls zusätzliche Liquidität zusichere. Dies nahm die Credit Suisse auch unmittelbar in Anspruch und lieh sich im Tausch für Anleihen 54 MilliardenUS-Dollar von der Nationalbank. Eine sehr ähnliche Maßnahme wie sie die FED in den USA ergriff. Allerdings sind bisher keine Details zu den Konditionen mit Blick auf mögliche Abschläge bekannt. Es zeigt sich wieder einmal: Die aktuelle Finanzregulierung reicht im Krisenfall nicht und es bedarf stets staatlicher Intervention.

Auch in Europa und Deutschland sind wir vor ähnlichen Entwicklungen nicht geschützt. Zinsänderungs- und Kursrisiken sind auch für deutsche Banken ein Problem, wie die Bundesbank in ihrem jüngsten Finanzstabilitätsbericht schreibt. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband bestätigte dies jüngst in einer Mitteilung. So haben die knapp 360 Sparkassen in 2022 7,9 Milliarden Euro auf Anleihen, Aktien und andere Wertpapiere abgeschrieben.

Zinsänderungs- und Kursrisiken sind auch für deutsche Banken ein Problem.

Mit Blick auf die Regulierung bleibt die fehlende europäische Einlagensicherungsbehörde wie die amerikanische FDIC ein zentrales Versäumnis. So wäre ein resolutes Einschreiten wie von der FDIC in Europa nicht möglich. Während hier zwar ein einheitlicher Banken-Abwicklungs-Mechanismus eingeführt wurde, gibt es immer noch keine europäische Einlagensicherung. Dagegen hatten sich vor allem deutsche Sparkassen und Genossenschaftsbanken ausgesprochen und wurden dabei von Finanzminister Christian Lindner unterstützt. Das bedeutet, dass es bei einer vergleichbaren Pleite einer europäischen Bank, unterschiedliche nationale Einlagensysteme gibt. Dies könnte zu Ungerechtigkeiten und enormen Unsicherheiten in der Abwicklung führen.

Hinzu kommt, dass die EU-Kommission erst kürzlich beschloss, internationale Eigenkapitalstandards zu unterschreiten. Europäische Banken müssen deshalb weniger Kapital vorhalten als amerikanische. Diese negative Entwicklung ist dem enormen Einfluss der Finanzlobby zu verdanken. Seit Ende 2019 haben sich Bankenlobbyisten ganze 176-mal mit Vertreterinnen und Vertretern der EU-Kommission zum Thema Bankenpaket getroffen. Dem stehen lediglich zwei Treffen mit der Zivilgesellschaft gegenüber.

So bleibt festzuhalten: Das Finanzsystem ist immer noch unzureichend reguliert, stets sind neue historische Rettungsmaßnahmen nötig. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Es braucht jetzt einen neuen Anlauf der Finanzmarktregulierung. Die von der Finanzlobby ausgebremsten Maßnahmen wie Trennbankensystem, Finanztransaktionssteuer und die Regulierung der Schattenbanken müssen endlich umgesetzt werden. Besondere Priorität zur Stabilisierung des europäischen Bankensektors haben erstens die Vollendung der Bankenunion durch eine europäische Einlagensicherungsbehörde, welche die gleichen umfassenden Kompetenzen hat wie die amerikanische FDIC, und zweitens die Erhöhung der ungewichteten Verlustpuffer der Banken auf mindestens zehn Prozent der Bilanzsumme. Nur so werden Finanzkrisen verhindert und ein teures Eingreifen von Finanzministern oder Zentralbanken gar nicht erst nötig.