In New York knallten nach dem Mehrheitsvotum für eine UN-Steuerkonvention die Sektkorken. Mit dem klaren Ergebnis wurden die Weichen für eine stärkere Rolle der Vereinten Nationen in der Gestaltung einer inklusiveren und effektiveren internationalen Steuerkooperation gestellt. Damit wird einer jahrzehntelangen Forderung der Gruppe der G77 und der internationalen Zivilgesellschaft Rechnung getragen. Eine wichtige Vorkämpferin für faire internationale Steuerregeln ist auch die Internationale Gewerkschaft der öffentlichen Dienstleister, Public Services International (PSI). PSI-Generalsekretär Daniel Bertossa kommentierte das UN-Votum als eine Bestätigung der unermüdlichen Kampagnenarbeit der Gewerkschaftsbewegung und ihrer Partner sowie der Tatsache, dass „Steuerregeln, die uns alle betreffen, auch alle einbeziehen müssen“. Denn internationale Steuerpolitik ist letztendlich globale Verteilungspolitik, die Fragen nationaler Souveränität berührt. Der Slogan „No taxation without representation“ schallte schon im US-amerikanischen Unabhängigkeitskrieg der britischen Krone entgegen.

Schade nur, dass das historische Votum zu einer Kampfabstimmung zwischen dem Globalen Süden und dem Globalen Norden wurde. Kenias Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen kommentierte das Ergebnis auf der Onlineplattform X als das klarste Nord-Süd-Votum, das er in jüngster Zeit gesehen habe. Angesichts der zunehmenden Krisen- und Konflikthaftigkeit der internationalen Beziehungen wird gerne von globaler Allianzbildung und der Notwendigkeit von Partnerschaften auf Augenhöhe gesprochen. Doch die Verweigerung der Patentfreigabe von Impfstoff in der Covid-19-Pandemie sowie das Schulterzucken der Industrieländer in Bezug auf die für viele Länder mittleren und niedrigen Einkommens existentielle Bedrohung der internationalen Schuldenkrise haben das Vertrauen in die Verlässlichkeit solcher Partnerschaften längst untergraben.

Die Abstimmung über die UN-Steuerkonvention ist zum nächsten Prüfstein geworden. Mit einem klaren Ergebnis: 125 Länder stimmten für und nur 48 gegen die von der Gruppe afrikanischer Länder in das Zweite Komitee der Generalversammlung eingebrachte Resolution. Gegenstimmen kamen aus den USA, Kanada, Australien, von allen EU-Ländern und EU-Beitrittskandidaten sowie von der Schweiz. Abgesehen von der Enthaltung Norwegens stimmte der Globale Norden geschlossen gegen die Initiative.

Die Unabhängige Kommission für die Reform der Internationalen Unternehmensbesteuerung (ICRICT) hatte vor der Abstimmung in einem offenen Brief an die EU und die USA appelliert. In dem Schreiben warnen Mitglieder der mit hochrangigen Ökonominnen und Ökonomen aus Nord und Süd besetzten Kommission vor einem „gefährlichen Signal“, das eine „Blockade der Resolution zur Förderung einer inklusiven und effektiven internationalen Steuerkooperation bei den Vereinten Nationen“ aussenden würde. Der Verdacht läge nahe, so die Expertinnen und Experten, „dass diejenigen, die am lautesten die Vorteile einer regelbasierten internationalen Ordnung anpriesen, nicht wirklich an eine solche glaubten“.

Abgesehen von der Enthaltung Norwegens stimmte der Globale Norden geschlossen gegen die Initiative.

Steuern sind eine der wichtigsten Quellen für die Finanzierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen. In den letzten zehn Jahren ist endlich Bewegung in die Diskussion um eine Reform des internationalen Steuersystems gekommen. Doch trotz aller Gespräche und Verhandlungen können multinationale Unternehmen immer noch in großem Umfang Steuern vermeiden. Angesichts der immer stärkeren Konzentration des Reichtums in den Händen weniger Menschen und der Tatsache, dass nur vier Prozent des weltweiten Steueraufkommens aus vermögensbezogenen Steuern stammen, ist es offensichtlich, bei wem die Hauptfinanzierungslast liegt: Es sind Arbeitnehmende sowie einfache Bürgerinnen und Bürger, nicht Milliardäre. Arbeit wird besteuert, nicht Reichtum und Finanzvermögen.

Die Forderung, die Vereinten Nationen zum zentralen Austragungsort internationaler Steuerkooperation zu machen, ist so alt wie die Debatte um eine Reform des internationalen Steuersystems selbst. Bislang ist mit der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) der Club der Industrieländer federführend im Reformprozess des internationalen Steuersystems. Im Auftrag der G20 erarbeitet die OECD Vorschläge zur Eindämmung von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS). Die Gruppe der G77 und zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Global Alliance for Tax Justice fordern schon seit langem eine stärkere Rolle der Vereinten Nationen, um ein internationales Steuersystem zu gestalten, das an den Zielen der nachhaltigen Entwicklungsagenda orientiert ist und für mehr internationale Steuergerechtigkeit sorgt. Mit dem Slogan „If you are not at the table, you are on the menu“ kritisieren sie, dass Entwicklungsländer bei den OECD-Verhandlungen nicht gleichberechtigt mit am Tisch sitzen. Befürworter versprechen sich von der UN-Steuerkonvention nicht nur eine inklusivere internationale Steuerpolitik, sondern auch mehr Transparenz im Prozess durch eine stärkere Einbindung der Zivilgesellschaft. Kritikerinnen und Kritiker befürchten eine Parallelveranstaltung zu bestehenden Reformbemühungen und eine Verwässerung der bisher bei der OECD erzielten Verhandlungserfolge.

In der im Nachgang zur Abstimmung von der ICRICT-Kommission veröffentlichten Presseerklärung schlägt der ehemalige kolumbianische Finanzminister José Antonio Ocampo versöhnliche Töne an. Er nennt die Resolution „einen Schritt in Richtung globaler sozialer Gerechtigkeit“ und sieht darin eine „Stärkung der Institutionen, der Demokratie und der internationalen Stabilität“. Er ruft dazu auf, „aus all den Anstrengungen der Vergangenheit zu lernen und diesen Prozess nicht als Antagonismus zu sehen, sondern als den Beginn einer echten Zusammenarbeit zwischen Ländern und zwischen globalen Institutionen“.

Vor dem Hintergrund der enormen Finanzierungsherausforderungen unserer Zeit muss es darum gehen, zügig gemeinsame Lösungen für eine bessere internationale Besteuerung multinationaler Konzerne zu finden, ohne sich dabei im Institutionenstreit zu verlieren. Eine UN-Steuerkonvention bietet die Möglichkeit, Verhandlungserfolge des OECD-Prozesses eine universelle Legitimationsgrundlage zu geben und genauso auf wichtigen Vorarbeiten des Expertenkomitees der Vereinten Nationen zu internationalen Steuerangelegenheiten aufzubauen, wie zum Beispiel das von der UN erarbeitete Rahmenwerk zu Doppelbesteuerung. Das Inclusive Framework on BEPS der OECD hat mit der Einigung auf eine Globale Mindeststeuer ohne Zweifel einen historischen Verhandlungserfolg erzielt. Die Mindestrate soll dem internationalen Standortwettbewerb um immer niedrigere Steuern einen Riegel vorschieben.

Steuern sind eine der wichtigsten Quellen für die Finanzierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen.

Aus der Perspektive des Globalen Südens ist der Satz von 15 Prozent aber deutlich zu niedrig angesetzt, um erhoffte positive Aufkommenseffekte zu erzielen. Es besteht sogar die Sorge, dass für Länder mit höheren Steuersätzen der Anreiz entsteht, diese nach unten zu korrigieren. Die ICRICT-Kommission fordert deshalb schon lange eine Rate von 22 bis 25 Prozent. Strukturelle Ungerechtigkeiten, wie beispielsweise die Verteilung von Besteuerungsrechten, werden im Zwei-Säulen-Ansatz der OECD kaum adressiert. Kritiker sehen in der Knüpfung von Besteuerungsrechten an den Sitz des Mutterkonzerns eine Benachteiligung der Länder, in denen entlang von Produktionsnetzwerken die tatsächliche Wertschöpfung stattfindet. Kritisiert wird deshalb, dass der OECD-geführte Reformprozess für die Länder des Globalen Südens wenig zu bieten hat, sie gleichzeitig aber daran hindert, eigene Initiativen zu ergreifen, beispielsweise in der Besteuerung der Digitalwirtschaft.

Die Vereinten Nationen, so die Hoffnung, könnten einen effektiveren Interessenausgleich ermöglichen und gleichzeitig Besteuerungsfragen in den größeren Zusammenhang der Finanzierung der Transformation hin zu einem nachhaltigen globalen Entwicklungsmodell stellen. Passend dazu laufen Anfang 2024 die Vorbereitungen zur vierten internationalen Entwicklungsfinanzierungskonferenz (FfD4) an, die 2025 in Madrid stattfinden wird. Zehn Jahre nach der letzten Großkonferenz in Addis Abeba bietet die FfD4-Konferenz den dringend benötigten Rahmen, um Kohärenz zwischen den unterschiedlichen Reformagenden vor allem in den Bereichen Steuern, Schulden und Investitionen herzustellen.

Schon in Addis Abeba stand die Forderung nach der Schaffung einer universellen und intergouvernementalen Steuerinstitution unter dem Dach der Vereinten Nationen auf der Tagesordnung, wurde aber von den Industrieländern abgelehnt. In der Abschlusserklärung des begleitenden Zivilgesellschaftsforums brachten mehr als 600 Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt ihre Enttäuschung über die verpasste Gelegenheit zum Ausdruck. Mit dem neuen Votum über die UN-Steuerkonvention im Rücken ist der Globale Süden jetzt in einer deutlich besseren Verhandlungsposition für die FfD4 in Madrid 2025.