In diesem Sommer wurde die Welt von einer ganzen Reihe von Naturkatastrophen heimgesucht, die neue Rekorde aufstellten. Überschwemmungen ungekannten Ausmaßes sorgten in Mitteleuropa und China für Tod und Zerstörung, Nordamerika und Südeuropa litten unter Hitzewellen, und in Griechenland und Sizilien, Kanada und Sibirien wurden durch großflächige Brände viele Hektar Wald vernichtet.

Diese Extremwetterereignisse wirken sich nicht nur verheerend auf unsere Umwelt aus, sondern bringen auch für die Beschäftigten in der Lebensmittelkette gewaltige Herausforderungen mit sich. Je unbeständiger und unberechenbarer das Klima wird, desto prekärer werden die Lage der Landwirtschaft und der Menschen, die dort arbeiten. Die Verletzung von Arbeitnehmerrechten und die Zerstörung der Umwelt hängen eng miteinander zusammen. Zusätzlich verschärft wird dieser Nexus durch ein Nahrungsmittelsystem, das Ungleichheit produziert, nicht nachhaltig ist und sich destabilisierend auswirkt. Darum ist der Kampf gegen den Klimawandel in hohem Maße zugleich ein Kampf für Arbeitnehmerrechte.

Je unbeständiger und unberechenbarer das Klima wird, desto prekärer werden die Lage der Landwirtschaft und der Menschen, die dort arbeiten.

Während der jüngsten Hitzewellen in den USA litten die Landarbeiterinnen unter extrem hohen Temperaturen und verfügten nicht über geeignete Schutzmaßnahmen. Im Bundesstaat Oregon starben bei Temperaturen über 40°C mehrere Farmarbeiter. In ihrer Verzweiflung gingen einige dazu über, in den Nachtstunden zu arbeiten. In Europa stellt sich die Situation nicht anders dar. Durch die steigenden Temperaturen wächst für Landarbeiter das Risiko von Dehydrierung und Sonnenbrand, schlimmstenfalls mit tödlichen Folgen. Der 27-jährige Saisonarbeiter Camara Fantamadi aus Mali verstarb am 24. Juni, nachdem er in Brindisi im süditalienischen Apulien bei 40°C auf dem Feld gearbeitet hatte. Seine Schicht hatte an diesem Tag um 12 Uhr mittags begonnen, als die Temperaturen bereits unerträglich hoch waren. Als er nach getaner Feldarbeit mit dem Fahrrad nach Hause fuhr, brach er zusammen. Camara hatte für einen Stundenlohn von sechs Euro Tomaten geerntet.

Nach seinem Tod untersagte die apulische Regionalregierung landwirtschaftliche Arbeiten in den heißesten Stunden des Tages zwischen 12.30 und 16 Uhr. Für Camara kam dieses Verbot zu spät. Einmal mehr wurden die Behörden erst aktiv, nachdem die Tragödie bereits ihren Lauf genommen hatte. Der Tod Camaras und vieler anderer Landarbeiter sollte uns zum Nachdenken bringen. Wenn ein Menschenleben weniger wert ist als ein paar Kilo Tomaten, läuft etwas entsetzlich falsch.

Wenn ein Menschenleben weniger wert ist als ein paar Kilo Tomaten, läuft etwas entsetzlich falsch.

Übermäßige Hitze bei der Arbeit bringt berufsbedingte Gesundheitsrisiken mit sich. Sie beeinträchtigt die Körperfunktionen, die Arbeitsfähigkeit und auch die Produktivität der Beschäftigten. Nach den internationalen Arbeitsnormen und den EU-Richtlinien sind Arbeitgeber eindeutig verpflichtet, alle Risiken abzuschätzen und jede Tätigkeit einzustellen, bei der eine unmittelbare und erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit besteht. Der europäische Gewerkschaftsdachverband EFFAT (European Federation of Food, Agriculture, and Tourism Trade Unions) appelliert an alle Arbeitgeber, Tarifverträge abzuschließen und den in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeitskräften Schatten, Wasser und längere Ruhepausen zu gewähren sowie Schutzkleidung zur Verfügung zu stellen. Das Arbeiten während der heißesten Stunden des Tages muss verboten werden. Zudem sollte eine Maximaltemperatur festgelegt werden, die den Beschäftigten zugemutet werden darf.

Die qualvolle Hitzebelastung ist aber nicht die einzige gesundheitliche Gefährdung, der die Beschäftigten in der Landwirtschaft ausgesetzt sind. Eine der Begleiterscheinungen des Klimawandels ist die stärkere UV-Strahlung. Dies führt bei Menschen, die unter freiem Himmel arbeiten, zum vermehrten Auftreten von Nicht-Melanom-Hautkrebs. Die politischen Institutionen sind hier gefordert, unter Einbindung der Sozialpartner umfassende Strategien zur Hautkrebsprävention zu erarbeiten. Das bedeutet zunächst, dass Hautkrebs europaweit als berufsbedingte Erkrankung anerkannt werden muss. In mehreren europäischen Ländern sind Sozialpartner und Gesundheits- und Sicherheitsbehörden schon dabei, Instrumente zur Erkennung von Strahlungsgefährdungen zu entwickeln. Arbeitgeber sollten jederzeit adäquate Ausrüstung wie Sonnenmilch, Kopfbedeckungen und UV-Schutzbrillen bereitstellen. Weitere Lösungen wie Schutzkleidung und Sonnenschutzvorrichtungen sind für Arbeiten in der Landwirtschaft derzeit leider weder ausreichend praktisch noch bequem. Hier muss dringend mehr in Forschung und Entwicklung investiert werden.

Eine zukunftsfähige Agrarwirtschaft setzt voraus, dass Produktionsmethoden gefördert werden, die zum einen die Rentabilität sichern und zum anderen die Umwelt schonen.

Camara Fantamadis Tod und das Schicksal Tausender Landarbeiter, bei denen Hautkrebs diagnostiziert wurde, machen deutlich, dass die Landwirtschaft einer radikalen Veränderung bedarf. Um wirkliche Nachhaltigkeit zu erreichen, braucht es eine neue langfristige Vision. Dabei müssen die Sozialpartner in vollem Umfang einbezogen werden. Eine zukunftsfähige Agrarwirtschaft setzt voraus, dass Produktionsmethoden gefördert werden, die zum einen die Rentabilität sichern und zum anderen die Umwelt schonen. Außerdem müssen für diejenigen, die unsere Lebensmittel ernten und verarbeiten, annehmbare Arbeits- und Lebensbedingungen geschaffen und hohe Gesundheitsschutz- und Sicherheitsstandards etabliert werden. Wenn wir für die Beschäftigten in der Landwirtschaft, für unsere Ökosysteme und die künftigen Generationen die Weichen für eine bessere Zukunft stellen wollen, muss eine solche neue Vision darüber hinaus eine Strategie für die Anpassung an Temperaturanstieg und Klimawandel beinhalten.

Ein sozial gerechter Übergang muss vor allem die arbeitenden Menschen schützen – und zwar nicht nur vor gesundheitlichen Risiken und prekären Arbeitsbedingungen, sondern auch vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze. Die Beschäftigungssituation in der Landwirtschaft wird direkt in Mitleidenschaft gezogen, wenn es durch verstärkte Desertifikation vermehrt zu Bodenerosion und Überschwemmungen kommt und die Ernteerträge zurückgehen. Dann ist auch mit verheerenden Auswirkungen auf das Arbeitsplatzangebot in der Landwirtschaft und auf die Zukunft des Agrarsektors insgesamt zu rechnen.

Um den notwendigen Übergangsprozess gerecht zu gestalten, braucht es eine gründliche Bewertung der sozioökonomischen Auswirkungen. Es gilt, sich rechtzeitig auf Veränderungen einzustellen und gerade dort, wo die Gefahr eines Einbruchs der Beschäftigungslage besonders groß sein könnte, die individuellen und kollektiven Arbeitsrechte zu stärken. Arbeitnehmer und ihre Familien müssen mit Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten unterstützt und sozial angemessen abgesichert werden. Es muss auf einen gerechteren und inklusiveren Arbeitsmarkt hingearbeitet werden, indem gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz vorgegangen wird und Geschlechtergerechtigkeit und Demokratie am Arbeitsplatz gefördert werden.

Ohne menschenwürdige Arbeit wird es keinen gerechten Übergang zur Klimaneutralität geben.

Die Maßnahmen der EU und der nationalen Regierungen greifen bislang zu kurz. Das neue Gesetzespaket Fit for 55 formuliert beispielsweise ehrgeizige Ziele für den Nettoabbau von Treibhausgasen, blendet aber die sozialen und wirtschaftlichen Realitäten in wesentlichen Sektoren wie der Agrarwirtschaft aus. Der Umstieg auf nachhaltige Systeme der Lebensmittelproduktion und Landbewirtschaftung kann nicht gelingen, solange diejenigen, die die dafür notwendigen Veränderungen konkret umsetzen, weiterhin unter erbärmlichen Bedingungen arbeiten und leben müssen.

Das gilt im Übrigen nicht nur für die Landwirtschaft. Ein weiteres Beispiel für die wachsende Diskrepanz zwischen den erklärten Zielen der politischen Entscheidungsträger und den realen Gegebenheiten vor Ort ist die jüngst vorgestellte EU-Forststrategie. Sie zielt auf eine qualitative und quantitative Verbesserung der europäischen Wälder und die Stärkung ihrer Widerstandsfähigkeit ab. Mit keinem Wort geht sie aber darauf ein, dass dringend mehr Forstarbeiter eingestellt werden müssen, die gerade bei Waldbränden und anderen Naturkatastrophen eine entscheidende Schutzfunktion für unsere Wälder wahrnehmen.

In den vergangenen Jahrzehnten verloren viele Forstbeschäftigte ihre Jobs infolge rigider Sparmaßnahmen. Die tödliche Quittung dafür, dass wir die Gesundheit unserer Wälder vernachlässigen, war die Eskalation zahlreicher Waldbrände in Südeuropa in diesem Sommer. Ohne Forstarbeiter werden Europas Wälder allen guten Absichten der EU zum Trotz in Zukunft noch anfälliger werden. Der Europäische Gewerkschaftsdachverband EFFAT fordert deshalb, dass in der EU pro eintausend Hektar mindestens ein zusätzlicher Forstarbeiter eingestellt wird.

Die EFFAT setzt sich mit Nachdruck für die ambitionierten Umweltziele des Green Deal der EU ein. Aber ohne ein inklusives Regierungshandeln, das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aktiv einbindet, ist mit dem bloßen Formulieren von Zielen nichts erreicht. Ob Initiativen wie der europäische Green Deal in Sektoren wie der Landwirtschaft auf lange Sicht Erfolg haben, hängt nicht zuletzt davon ab, ob sie wirksam dazu beitragen, der Ausbeutung ein Ende zu setzen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Ohne menschenwürdige Arbeit wird es keinen gerechten Übergang zur Klimaneutralität geben.

Aus dem Englischen von Andreas Bredenfeld