Robert Habeck hat eine eindeutige Meinung zum Thema CO2-Speicherung im Meeresboden: „Die Technik ist sicher“, so der Bundeswirtschaftsminister Ende Februar. Damit reiht sich die sogenannte Carbon Capture and Storage-Technologie (CCS) in vergangene Entwicklungen ein. Jede technische Revolution hat ihren Propaganda-Moment. Damit ist politisches Handeln mit der Absicht gemeint, die öffentliche Meinung hinsichtlich der Legitimierung einer neuen Technologie oder ihrer Weiterentwicklung zu manipulieren. In einem solchen Moment wird jeweils eine Technologielücke ausgenutzt, bei der alle anderen sich noch nicht oder zu spät den Technologievorteil aneignen oder ein Informationsdefizit überwinden.
Gleichzeitig werden Risiken verharmlost und ein Punkt überschritten, ab dem es kein Zurück mehr gibt. Mit Blick auf die Technologie der CO2-Speicherung kann Habecks Rede als ein solcher Propaganda-Moment erkannt werden. Während das Umweltbundesamt im Februar 2024 zu dem Ergebnis kam, dass es im Falle von Leckagen „zu schädlichen Wirkungen auf das Grundwasser und den Boden kommen kann“, gibt Robert Habeck eine andere Einschätzung wieder. Der Minister und Vizekanzler suggeriert eine absolute Sicherheit, obwohl bereits jetzt grundlegende Zweifel bestehen und eine nahezu unerprobte Technik wie diese gar nicht derart abschließend beurteilbar ist.
Es gibt kaum Erfahrungswissen im industriellen Umfang zu dieser Technik. Der Forschungsstand wird von einem Beispiel, dem Sleipner-Gasfeld in Norwegen, dominiert. Hier wurde bereits in einem Bruchteil der anvisierten Laufzeit eines solchen Speichers ein CO2-Aufstieg und ein Druckanstieg festgestellt. CCS ist eine Technologie in der Testphase: In Dänemark laufen etwa zwei Pilotprojekte und ab 2026 soll im Hafengebiet Rotterdam das Projekt Porthos betriebsbereit sein. Darüber hinaus gab es zudem im brandenburgischen Ketzin und gibt es im isländischen Hellisheiði Forschungsstellen, die jedoch mit kleinen Mengen operieren. Das Projekt in Ketzin wurde ein Jahrzehnt lang erforscht, daraus wurden Prognosen für 10 000 Jahre erstellt, die weder abschließend zu verstehen sind, noch Aussagen über den tatsächlichen Zeitraum von Millionen von Jahren darstellen. In nationaler Denke möchte Habeck zukünftig das „deutsche CO2“ kilometerweit unter dem Nordseeboden in Buntsandsteinformationen lagern.
Im Namen des Klimaschutzes finden hier Prozesse der Aneignung, der Kommodifizierung und der Schaffung von grenzüberschreitenden Gefahrenlagen statt.
Im Namen des Klimaschutzes finden hier Prozesse der Aneignung, der Kommodifizierung und der Schaffung von grenzüberschreitenden Gefahrenlagen statt. Habecks Beschreibung impliziert ein Weltbild, bei dem der Meeresboden wie im Wilden Westen vom Stärksten nach Belieben angeeignet und entrechtet werden kann. Eine solche CO2-Speicherung bringt eine Inwertsetzung mit sich, die wiederum eine Erzeugung von CO2 wirtschaftlich antreibt und einen point of no return darstellt. Es entsteht ein Markt mit extrem ungleichen Startbedingungen, auf dem CO2 zur Handels- und Investitionsmasse wird. Dabei kommt es zudem zu Rentabilitätsansprüchen mit einer Selbsterhaltungslogik. Diese Prozesse führen zu Sachzwängen einer dann vermeintlich „notwendigen“ CO2-Produktion.
Die Gefahrenlagen sind nicht ausreichend abschätzbar, da die CO2-Speicherung vor der Lagerphase auf mindestens vier aufeinander einwirkenden Prozessschritten basiert: Abscheidung, Verdichtung, Transport und Verpressung. Wie bei der Langzeitlagerung bestehen bereits bei allen vier Schritten zuvor erhebliche Unsicherheiten. Es reichen allein die Unfallszenarien durch beispielsweise eine Havarie eines CO2-Containerschiffs, um die Gefahren für Menschen, Tiere und die natürliche Umwelt darzustellen. Ein einziges Zementwerk würde laut einem Schweizer Forschungsprojekt derzeit etwa 25 000 Containerschifftransporte pro Jahr benötigen, um seine CO2-Emissionen an einen Speicherort zu verschiffen. Und schließlich fließen Millionen von europäischen Steuergeldern in die Erforschung dieser Technologie, die dabei insbesondere Menschen zugutekommen, die viel Zement produzieren wie konsumieren. Diese Gelder fehlen wiederum jenen, die am wenigsten Energie verbrauchen. Sollte CCS in Deutschland legalisiert werden, würden Millionen Euros aus dem Bundeshaushalt hinzukommen.
Mit Blick auf andere Technologieentwicklungen können argumentative Muster erkannt werden. In Bezug auf CCS heißt es nun, die Risiken seien „beherrschbar“ und dass ein „verantwortlicher Umgang“ verfolgt würde. Diese beiden Argumente wurden historisch vielfach als falsch entlarvt. Die Atomkraft ist beispielsweise eine Technologie, die laut ihren politischen wie wissenschaftlichen Vertreterinnen und Vertretern niemals zu einem Supergau hätte führen dürfen. Bereits in einer äußerst kurzen Betriebszeit von wenigen Jahrzehnten kam es jedoch bereits zu Reaktorunfällen, etwa in Majak, Windscale, Harrisburg, Church Rock, Tschernobyl und Fukushima. Fossile Energieträger wurden einst, unter anderem von den Vereinten Nationen, als der Entwicklungsfaktor für das menschliche Zusammenleben auf dem Planeten propagiert. Heute steht fest, dass fossile Energieträger die menschliche Existenz auf diesem Planeten gefährden. Katastrophen geschehen auch, wenn sie nie passieren sollten.
Katastrophen geschehen auch, wenn sie nie passieren sollten.
Wie bei der Atomkraft geht es bei CCS längst nicht mehr um CO2, obwohl in beiden Fällen genau dieses Argument ins Zentrum gestellt wird. Im Gegenteil, der Fokus auf klimaschädliches CO2 vernachlässigt, dass selbst mit „erneuerbaren“ Energien massive Umweltschäden durch die Rohstoffgewinnung in Kauf genommen werden. So ist der vielfach von den Grünen eingebrachte Transformationsbegriff mit Blick auf das damit beabsichtigte Weiter-so von Konsum- und Produktionsweisen erschreckend inhaltsbefreit. Kein Lithium- oder Kupfer-Bergbau der Welt ist nachhaltig. Kein Auto wird nachhaltig produziert. Der Versuch, die jetzigen Konsumniveaus aufrechtzuerhalten, nur eben auf Basis von „erneuerbaren“ Energien, ist eine Selbsttäuschung. Beispielhaft steht hierfür der Umstieg auf batteriebetriebene Autos. Wollte man das EU-Ziel von mindestens 30 Millionen E-Autos bis zum Jahr 2030 erreichen, dann bedürfte es einer Verdoppelung der weltweiten Bergbauaktivitäten zur Extraktivierung der dazu notwendigen Rohstoffe. Die Rohstoffe für Deutschlands Energiewende kommen überwiegend aus dem Globalen Süden, wo europäische Wirtschaftsinteressen den Aufbau von Umwelt- und Sozialstandards bis heute erschweren. CCS reiht sich also ein in eine Kette politischer Machterhaltungshandlungen.
Analog zu CCS gibt es weitere Propaganda-Momente. Ähnlich wie Habeck argumentiert etwa Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder, wenn er zukünftige Energie mittels Kernfusion „sauber und CO2-neutral“ erzeugen möchte. Die Kernfusion ist jedoch eine energieintensive Technologie, die bei großem Platzbedarf lediglich im geringen Maße Energie erzeugt. Das Isotop Tritium ist dabei besonders teuer und krebsgefährdend. Darüber hinaus ist diese Technologie als Kriegswaffe konzipiert (Wasserstoffbombe), sodass Forschung allem voran militärischen Zwecken mit enormem Vernichtungspotenzial dient. Die Landesregierung in Bayern möchte hierfür gleich sechs neue Lehrstühle schaffen und einen neuen Kernfusionsreaktor in Bayern bauen. Wie zuvor dient hier die politische Setzung einer Technologie-Legitimierung. Es braucht ebenfalls eine erhebliche Selbsttäuschung, um weiter das Ausmaß der Energie-Vernutzung und damit das gegenwärtige Lebensmodell zu rechtfertigen. Ähnlich wie bei einer kognitiven Dissonanz stehen sich Selbst- und Fremdbild diametral gegenüber. Während klimawissenschaftliche Erkenntnisse wie der Brundtland-Bericht von 1987 schon seit Jahrzehnten eine Aufrechterhaltung des Niveaus an Produktion und Konsum kritisieren, täuschen Deutschlands Vizekanzler und Bayerns Ministerpräsident ihre Bevölkerung dahingehend, dass jeder Mensch so weiter leben könne wie bisher.
Es sind aber auch erste Risse zu erkennen. Beim Versuch, technikoptimistische Bevölkerungsgruppen mit Überlegenheitssinn zu gewinnen, könnte Habeck seine Stammwählerschaft insbesondere aus den Umweltverbänden verlieren. Der B.U.N.D. oder Greenpeace sind beim Thema CCS in Opposition zur Partei Bündnis 90/Die Grünen und infolgedessen auf der Suche nach neuen Bündnissen, die eine sozial-ökologische Gerechtigkeit stärker adressieren. Es bleibt abzuwarten, ob andere Parteien dieses Vakuum füllen werden. Der Konflikt wird sich zuspitzen, da die CO2-Speicherung die strukturellen Probleme der Erderwärmung nicht mindern wird, sondern einer Industrie der Lebensgrundlagenzerstörung mehr Akzeptanz und Legitimität beschafft.