Als Donald Trump am 20. Januar vereidigt wird, befindet sich unter den Gästen der chinesische Vizepräsident Han Zheng, den Chinas Präsident Xi Jinping auf Trumps ausdrückliche Einladung hin an seiner Stelle entsandt hat. Ebenfalls anwesend ist Shou Zi Chew, CEO von TikTok – der Social-Media-Plattform der chinesischen Muttergesellschaft ByteDance, die durch einen Erlass der Biden-Administration vom US-Markt verbannt werden sollte. Trump gewährte TikTok einen Aufschub, obwohl er das Verbot aus Sicherheitsgründen in seiner ersten Amtszeit selbst angestoßen hatte.
Trumps Einladung an Xi, der zögerliche Umgang mit Tiktok sowie der chinaaffine Unternehmer Elon Musk als Regierungsberater werfen die Frage auf, wie „tough on China“ Donald Trump in seiner zweiten Amtszeit tatsächlich sein wird. Die erste Zollrunde könnte zumindest schon einmal deutlich niedriger ausfallen: Statt der im Wahlkampf angekündigten 60 Prozent plant Trump vorerst lediglich zehnprozentige Zölle auf chinesische Importe. Zudem will er überprüfen lassen, inwiefern China den Vereinbarungen des Phase One-Handelsabkommens aus seiner ersten Amtszeit entsprochen hat.
Ein Blick auf Trumps neues Team lässt keine eindeutigen Schlüsse auf die künftige Chinapolitik der US-Administration zu. Zwar scheinen die China-Hardliner in der Mehrheit zu sein, doch die strategische Ausrichtung bleibt unklar. Der neue US-Außenminister Marco Rubio, der von Peking aufgrund seiner Äußerungen zu Taiwan sanktioniert wurde, bezeichnete die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) bei seiner Anhörung im Kongress als „den mächtigsten und gefährlichsten nahezu gleichwertigen Gegner, mit dem diese Nation je konfrontiert war“.
Der nationale Sicherheitsberater Mike Waltz teilt diese Einschätzung Chinas und ist fest entschlossen, Pekings Einfluss im Indopazifik-Raum einzudämmen, inklusive Waffenlieferungen an Taiwan. Mit dem neuen CIA-Direktor John Ratcliffe und der neuen UN-Botschafterin Elise Stefanik kommen zwei weitere hochrangige Politiker hinzu, die für eine harte Linie gegenüber China stehen.
Demgegenüber sticht Elon Musk deutlich hervor. Musk unterhält enge Geschäftsbeziehungen zu China, hat Zugang zu hochrangigen Politikern wie Premier Li Qiang und vergleicht Taiwan schon mal mit dem US-Bundesstaat Hawaii oder bezeichnet es im Sinne der offiziellen chinesischen Rhetorik als fundamentalen Bestandteil Chinas. Chinakritisches findet sich bei ihm so gut wie nicht. Angesichts der Tatsache, dass Teslas E-Auto-Geschäft rund 37 Prozent seines Umsatzes in China erwirtschaftet, ist diese Entwicklung wenig überraschend. Musk und sein Unternehmen sind somit stark vom Wohlwollen der chinesischen Regierung abhängig, die in den vergangenen Jahren die Geschäftsbedingungen für ausländische Firmen in China erheblich verschärft hat.
Mit seinem direkten Zugang zum US-Präsidenten könnte Musk erheblichen Einfluss auf die China-Politik der Trump-Administration nehmen.
Mit seinem direkten Zugang zum US-Präsidenten könnte Musk erheblichen Einfluss auf die China-Politik der Trump-Administration nehmen. Zur Einordnung – wenn auch nicht als direkter Vergleich: Auch in Deutschland haben Automobilkonzerne – mit großer Abhängigkeit vom chinesischen Markt – die politische Ausrichtung gegenüber Peking maßgeblich mitgeprägt. Sollte Trump erneut einen Handelskrieg mit China entfachen, könnte Tesla schnell ins Visier chinesischer Vergeltungsmaßnahmen geraten.
Genau diese Abhängigkeit könnte dazu beigetragen haben, dass Trump in seiner ersten Amtswoche handelspolitisch zurückhaltend gegenüber China agierte. Sollte er jedoch dauerhaft einen weicheren Kurs anstreben, stellt sich die Frage, ob der Kongress und insbesondere seine eigene Partei dies mittragen würden. Eine harte Chinapolitik zählt derzeit zu den wenigen überparteilichen Konsenspunkten in den USA. Da Trump bei Gesetzgebungsverfahren auf die Zustimmung des Kongresses angewiesen ist, dürfte es für ihn schwierig werden, diese Haltung in seiner China-Strategie gänzlich zu ignorieren.
Zu bedenken ist jedoch, dass Trumps erste Amtszeit von zahlreichen Personalwechseln geprägt war. Sollte sich dieses Muster wiederholen, könnte der Einfluss einzelner Personen auf seine Politik nur von begrenzter Dauer sein – auch wenn die aktuelle Personalauswahl diesmal strategischer geplant und besser vorbereitet wurde. Letztlich wird die Ausrichtung der Chinapolitik aber vor allem von einer Person bestimmt: von Trump selbst.
Trump selbst schwankt in seiner Position gegenüber China zwischen den genannten Polen: In seiner Teleansprache auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos kurz nach seinem Amtsantritt betonte er zum Beispiel einerseits, wie unfair die Beziehungen zu China aufgrund des massiven Handelsdefizits mit den USA seien, bezeichnete sie im gleichen Atemzug aber grundsätzlich als „great“ und fügte hinzu, dass er Präsident Xi „sehr gut leiden könne“. Außerdem äußerte er Hoffnungen, China könnte helfen, den Krieg gegen die Ukraine zu beenden, und sprach sogar von einer möglichen Kooperation zwischen den USA, Russland und China mit Blick auf Denuklearisierung, was im Saal vermutlich die eine oder andere Augenbraue hochgehen ließ.
Trumps Einstellung zu Tiktok hingegen erscheint nahezu schizophren, ließe sich aber auch einfach als transaktional bezeichnen: Während er in seiner ersten Amtszeit noch ein Verbot der Plattform anstrebte, zeigt er sich inzwischen begeistert – vor allem wegen des Zugangs zu jungen Wählerinnen und Wählern, den TikTok ihm seiner Ansicht nach im Wahlkampf verschafft hat. Mögliche Sicherheitsrisiken spielt er herunter und setzt statt eines vollständigen Banns auf eine Lösung in Form eines Joint Ventures mit einer 50-prozentigen US-Beteiligung. Zudem zeigt er sich offen für die von chinesischer Seite diskutierte Möglichkeit, TikTok an Elon Musk zu verkaufen.
Ein unvorhersehbarer Kurswechsel könnte weitreichende Folgen für die EU und insbesondere für Deutschland haben.
Nimmt Trump die nationalen und wirtschaftlichen Sicherheitsrisiken, die von China für die USA und die globale Ordnung ausgehen, überhaupt ernst? Ein entscheidender Lackmustest könnte sein Umgang mit Taiwan sein. Taiwan spielt eine zentrale Rolle in der globalen Chip-Industrie und den weltweiten Handelsströmen. Während Trumps erste Amtszeit von Taiwans Führung als weitgehend positiv bewertet wurde, sind seine aktuellen Äußerungen zunehmend ambivalent. Einerseits wirft er Taiwan vor, den USA das Halbleitergeschäft „gestohlen“ zu haben, und brachte zuletzt Zölle von bis zu 100 Prozent auf taiwanesische Chip-Importe ins Gespräch. Zudem betont er, dass Taiwan geografisch weit von den USA entfernt, aber nah an China liege, und fordert, dass Taiwan die USA für seine Verteidigung bezahlen müsse.
Andererseits drohte er China mit Strafzöllen von 100 bis 150 Prozent, sollte Peking Taiwan militärisch angreifen. Wie Trump im Ernstfall – etwa im Falle einer chinesischen Blockade – tatsächlich reagieren würde, dürfte zum entscheidenden Gradmesser der US-China-Politik werden. Ein unvorhersehbarer Kurswechsel könnte weitreichende Folgen für die EU und insbesondere für Deutschland haben. Trumps politische Volten, seine tagesformabhängigen Ansagen und deal-basierten Entscheidungen machen die amerikanische China-Politik in den nächsten vier Jahren unvorhersehbar und wenig verlässlich. Für Deutschland und die EU kann sie daher keine stabile Orientierung bieten.
Stattdessen sollte die EU konsequent an ihrer De-Risking-Strategie gegenüber China festhalten und zugleich daran arbeiten, ihre sicherheitspolitische Abhängigkeit von den USA zu verringern. Andernfalls könnte ihre Handlungsfähigkeit erheblich eingeschränkt werden – insbesondere falls Trump von der EU einen härteren China-Kurs einfordert und dabei die US-Sicherheitsgarantien als Druckmittel einsetzt. Trotz aller Differenzen steht die EU keineswegs in gleicher Distanz zu den USA und China. Die transatlantische Partnerschaft beruht nach wie vor – wenn auch in eingeschränkter Form – auf gemeinsamen Werten und Interessen. Daher ist es für die EU von zentraler Bedeutung, die Zusammenarbeit und den Austausch mit den USA, insbesondere auf Arbeitsebene, so weit wie möglich aufrechtzuerhalten.
Gleichzeitig macht es der Rückzug der USA aus internationalen Institutionen, die sich der Lösung globaler Herausforderungen widmen, wie dem Pariser Klimaabkommen, dringlich, unter den veränderten geopolitischen Vorzeichen weiterhin mit China zusammenzuarbeiten. Dabei gilt es, das Thema De-Risking, speziell bei grünen Technologien, nicht aus den Augen zu verlieren. Mit Vorsicht zu genießen sind Rufe nach einer europäischen Annäherung an China, um Trump etwas entgegenzusetzen. China verfolgt nach wie vor das Ziel, die internationale Ordnung in einer Weise umzubauen, die nicht europäischen Interessen entspricht, und unterstützt Russland, das mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine Europas grundlegende Sicherheitsinteressen unterminiert.
Die EU und Deutschland müssen einen Umgang mit China finden, der auf europäischen Interessen basiert. Deutschland könnte hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten – vorwiegend durch die konsequente Umsetzung der 2023 verkündeten China-Strategie, die auf De-Risking statt Entkopplung, auf den Schutz kritischer Infrastrukturen, die Diversifizierung wirtschaftlicher Abhängigkeiten und auf eine stärkere Abstimmung der deutschen China-Politik mit der EU setzt. Eine verstärkte Europäisierung der deutschen Politik vis-à-vis Peking würde nicht nur die Resilienz gegenüber geopolitischen Risiken erhöhen, sondern auch die strategische Handlungsfähigkeit der EU stärken.