Ana blickt zu ihrer Schwester Rosa, der die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben steht, und sagt: „Wir haben alles verloren.“ Beide Frauen sind über 70 Jahre alt und leben in der chilenischen Region Valparaíso, die im Februar von den verheerendsten Waldbränden der Geschichte verwüstet wurde. Mindestens 133 Menschen starben, viele werden nach wie vor vermisst. Die beiden Schwestern, die als Hausangestellte arbeiten, haben das von ihren Eltern geerbte Haus verloren. Innerhalb weniger Minuten ging das Werk von zwei Generationen in Flammen auf. Da die Schwestern, wie so viele Frauen, keinen Zugang zum regulären Bankensystem haben, verloren sie außerdem ihre gesamten Ersparnisse, die sie in Bargeld aufbewahrt hatten.

Rosa und Anas Schicksal ist dabei jedoch kein Einzelfall: Weltweit werden Frauen von Rekordhitze, Dürreperioden, Überschwemmungen und verheerenden Waldbränden überproportional hart getroffen. Im vergangenen Jahr berichteten die Nachrichten über Brandkatastrophen in den USA, Griechenland, Nepal, Kolumbien und Spanien, um nur einige der betroffenen Länder zu nennen. Auch aus Venezuela, Ecuador und Kolumbien wurden schwere Brände gemeldet, während in Brasilien riesige Tropenwaldgebiete vernichtet wurden. In Afrika gibt es von Äquatorialguinea bis zu den Küstenstädten Südafrikas ebenfalls viele Regionen, die regelmäßig wegen Waldbränden evakuiert werden müssen. In Australien hingegen ließen Buschbrände im Februar das Vieh verenden, sie zerstörten Hab und Gut und zwangen 2 000 Menschen zur Flucht aus den Städten rund um Melbourne. Die Feuer weckten Erinnerungen an die Brände des „Schwarzen Sommers“ 2019/2020, die ein Gebiet von der Größe der Türkei verwüsteten und 33 Menschen und drei Milliarden Tiere in den Tod rissen.

Aufgrund struktureller Diskriminierung und traditioneller Rollenmuster haben Frauen unter Katastrophen, die durch den Klimawandel bedingt sind, unverhältnismäßig stark zu leiden.

Weltweit führen die sich verschärfende Klimakrise, Umweltzerstörung und Extremwetterereignisse in Kombination mit schlechter Planung und unzureichenden Anpassungsmaßnahmen dazu, dass die Zahl der Naturkatastrophen in alarmierendem Maß zunimmt und es immer mehr Leidtragende gibt. Wer dabei wie massiv unter den Folgen zu leiden hat, ist nicht nur sehr unterschiedlich, sondern hängt auch stark vom Geschlecht ab: Aufgrund struktureller Diskriminierung und traditioneller Rollenmuster haben Frauen unter Katastrophen, die durch den Klimawandel bedingt sind, unverhältnismäßig stark zu leiden; sie sind mit spezifischen Risiken konfrontiert, die sich zudem wechselseitig bedingen. Denn bei allen Aspekten eines Katastrophenfalls zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede – angefangen mit der Tatsache, dass Evakuierungen durch Haus- und Care-Arbeit erschwert werden, bis hin zu eingeschränkten Regenerationsmöglichkeiten.

Frauen haben außerdem keinen gleichberechtigten Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen, weniger Entscheidungsgewalt in ihren Familien und Gemeinschaften und wenig Erfahrung mit politischer Partizipation. Das führt häufig dazu, dass sie kaum Hilfe und Unterstützung bekommen, wenn sie nach Katastrophen gezwungen sind, wieder von vorn anzufangen.

Um angesichts der Zunahme von durch den Klimawandel verursachten Katastrophen die Resilienz von Frauen zu stärken, muss daher unbedingt in die Überwindung der Geschlechterkluft investiert werden. Leider besteht, wie die Vereinten Nationen warnend feststellen, bei der Umsetzung der Gleichstellungsziele eine gravierende Finanzierungslücke. Der Fehlbetrag ist gewaltig: Um die von den Ländern im Rahmen der Agenda 2030 für Entwicklung zugesagten Verpflichtungen zu erfüllen, bräuchte es jedes Jahr 360 Milliarden US-Dollar.

Da die Kassen vieler Länder des Globalen Südens jedoch leer sind, lassen die zur Beseitigung struktureller Ungleichheit benötigten Finanzmittel sich nur aufbringen, wenn international stärker zusammengearbeitet wird. Bisher sind allerdings nur vier Prozent der bilateralen Hilfen primär für den Zweck der Geschlechtergleichstellung bestimmt. Das Instrument der bilateralen Hilfen ist jedoch nicht die einzige Option. Als Mitglieder der Unabhängigen Kommission zur Reform der internationalen Vermögensbesteuerung (Independent Commission for the Reform of the International Corporate Taxation System, ICRICT) vertreten wir die Auffassung, dass alle Länder und besonders die Länder des Globalen Südens ihre finanzpolitischen Spielräume vergrößern können, indem sie diejenigen besteuern, die am reichsten sind: Konzerne und Multimillionäre.

Ein zentraler Ansatz ist dabei die Einführung einer weltweiten Mindeststeuer von zwei Prozent auf das Vermögen von Superreichen.

Ein zentraler Ansatz ist dabei die Einführung einer weltweiten Mindeststeuer von zwei Prozent auf das Vermögen von Superreichen. Im Februar hat der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Zucman, der ebenfalls der ICRICT angehört, dieses Programm den Finanzministern der G20 auf ihrem Treffen im brasilianischen São Paulo vorgestellt. Die Maßnahme orientiert sich an der globalen Mindeststeuer für Unternehmen, würde weniger als 3 000 Einzelpersonen betreffen und jährlich etwa 250 Milliarden US-Dollar einbringen. Die Besteuerung der Superreichen, die bislang fast keine Steuern zahlen, wäre folglich ein enormer Fortschritt. Zusammen mit der globalen Mindeststeuer für multinationale Unternehmen ließen sich die zusätzlichen 500 Milliarden US-Dollar zusammenbringen, die benötigt werden, um den Klimawandel zu bekämpfen und in Programme zur Überwindung der Geschlechterkluft und zum Empowerment von Frauen zu investieren.

Denn stellvertretend für Tausende von Frauen, die in Katastrophengebieten leben, stehen Ana und Rosa nach den Bränden ohne materielle Besitztümer da. Für sie als ältere Frauen ohne ausreichende Rente oder Sozialleistungen war das eigene Haus die einzige Absicherung gegen die Armut. Trotzdem können sie sich noch glücklich schätzen, denn aufgrund schlecht gebauter Häuser oder enger Gassen überlebten viele andere die Tragödie nicht oder verloren in anderen Regionen gemeinsam mit ihrer Ernte die Existenzgrundlage.

Angesichts von zahllosen Krisen, Kriegen, hohen Inflationsraten und hoher Verschuldung ist für viele Regierungen die Förderung der Geschlechtergleichstellung mittlerweile jedoch kein vorrangiges Ziel mehr. Vor diesem Hintergrund sollten wir uns zum diesjährigen Internationalen Frauentag wieder bewusst machen, dass es ohne Geschlechtergleichheit keinen sozialen Fortschritt geben kann. Frauen müssen als Akteurinnen anerkannt werden, die im Rahmen von Entwicklungsstrategien eine entscheidende Rolle spielen – das ist eine Schlüsselvoraussetzung für eine gerechtere, integrativere und nachhaltigere Gesellschaft. Die Superreichen, die in vielen Fällen von Krisen profitieren, außerdem zur Kasse zu bitten, hält für unsere Regierungen ein Instrument parat, das für die soziale Gerechtigkeit enorm viel bewirken kann.

Aus dem Englischen von Christine Hardung