Die Bilder gingen um die Welt: In Sri Lanka führten im vergangenen Jahr gravierende Engpässe bei Treibstoff- und Lebensmittelversorgung zu massiven Protesten, während derer das Büro und das Wohnhaus von Präsident Gotabaya Rajapaksa besetzt wurden. Mit dem Aufstand wurde zwar der Präsident aus dem Amt gejagt, aber die Proteste zielten nicht darauf ab, das bestehende autoritäre Präsidialsystem abzuschaffen und die ungerechte Wirtschaftsordnung zu ändern. Das weiterhin von Rajapaksa geführte Parlament wählte Ranil Wickremesinghe zum neuen Präsidenten, der seinerseits umgehend die Sicherheitskräfte einsetzte, um die Demonstrationen brutal niederzuschlagen. Aus ökonomischer Sicht waren derweil die seit fast 18 Monaten andauernden Austeritätsprogramme (auf Empfehlung des Internationalen Währungsfonds, IWF) und die anschließende Vereinbarung mit dem Fonds im März 2023 verheerend für die arbeitende Bevölkerung.

Das IWF-Paket in Höhe von drei Milliarden US-Dollar, das über einen Zeitraum von vier Jahren ausgezahlt werden soll, wird nur drei Prozent der Import-Kosten des Landes bedienen und deckt nur fünf Prozent der aktuell bestehenden Auslandsschulden ab. Seitens des IWF, des internationalen Treuhänders für die Begleichung der Schulden und den Zugang zu künftigen Krediten, wird behauptet, die Gelder seien „ein Signal“ an Sri Lanka, dass in Zukunft weitere Finanzmittel verfügbar gemacht werden können. Angesichts des Zahlungsausfalls Sri Lankas bei seinen Auslandsschulden im vergangenen Jahr dürfte allerdings ein anderes Darlehen der Weltbank und der Asiatischen Entwicklungsbank in Höhe von vier Milliarden Dollar in naher Zukunft die einzige finanzielle Unterstützung von außen sein. Tatsache ist und bleibt derweil, dass jährlich 20 Milliarden US-Dollar nach Sri Lanka fließen für Waren, die von ausgebeuteten Arbeiterinnen und Arbeitern hergestellt werden. Sie sind es, die auf den Teeplantagen und in den Nähereien die Produkte für den Export herstellen und die von der Regierung mit ihrer Austeritätspolitik im Stich gelassen werden.

So könnte ein wirtschaftspolitischer Kurs mit weiteren marktfreundlichen Reformen und Schuldenrestrukturierung das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft in Sri Lanka drastisch verändern – und zwar nicht zum Guten. Ähnliches gilt für mehr als 50 Staaten im Globalen Süden, die ebenfalls enorme Schuldenprobleme haben. Die hyperfinanzialisierte globale Schuldenwirtschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Ländern zu wiederholten und sich verschärfenden Krisen geführt.

Die vom IWF gewünschte Austerität hat weltweit immer wieder zu Konjunkturabschwüngen geführt sowie die wirtschaftliche Erholung und das Wachstum der betroffenen Länder gebremst.

Solche Krisen zeigen, dass die globale Finanzmarktstruktur grundlegend geändert werden muss. Es geht um ähnliche Fragen wie zur Zeit der Großen Depression in den 1930er Jahren. Wird die Antwort eine internationale Zusammenarbeit sein, die die Autarkie und Eigenständigkeit sowie den sozialen Wohlstand im Globalen Süden fördert? Oder werden Ausbeutung, Extraktivismus und Enteignung beibehalten und mit zunehmender politischer Polarisierung einhergehen?

Das IWF-Paket für Sri Lanka hat zwei Schwerpunkte. Erstens wird ein Primärüberschuss im Staatsbudget gefordert, also höhere Einnahmen als Ausgaben im Haushalt. Zweitens soll es eine Umschuldung geben, um sicherzustellen, dass die Gläubiger ihre Rückzahlungen erhalten. Die vom IWF gewünschte Austerität hat weltweit immer wieder zu Konjunkturabschwüngen geführt sowie die wirtschaftliche Erholung und das Wachstum der betroffenen Länder gebremst. Auch in Bezug auf Sri Lanka gibt es das unausgesprochene Ziel, die Renditen der internationalen Gläubiger und die Interessen zukünftiger Geldgeber zu bedienen – und nicht das Wirtschaftswachstum zu fördern oder die lokale Bevölkerung zu entlasten.

Auch in Bezug auf Sri Lanka gibt es das unausgesprochene Ziel, die Renditen der internationalen Gläubiger und die Interessen zukünftiger Geldgeber zu bedienen.

Laut Vereinbarung mit dem IWF wird sich der Auslandsschuldendienst für Sri Lanka in den kommenden zehn Jahren auf 4,5 Prozent des jährlichen BIP belaufen. Das BIP-Wachstum dürfte in den nächsten Jahren nur drei Prozent betragen. Ein solch mickriges zukünftiges Wachstum kann den massiven Rückgang von 7,8 Prozent im vergangenen Jahr und den anhaltenden Abschwung in diesem Jahr nicht ausgleichen. Somit würde das 1,5-fache des Produktionswachstums Sri Lankas in die Rückzahlung der Auslandsschulden fließen. Das bedeutet auch, dass Investitionen gehemmt werden – was zu einem „verlorenen Jahrzehnt“ in der Entwicklung des Landes führen dürfte.

Des Weiteren erklärt der IWF, die von der Krise am stärksten Betroffenen hätten Anspruch auf gezielte Unterstützung. Tatsächlich beträgt der für soziale Schutzmaßnahmen bereitgestellte Betrag jedoch nur magere 0,6 Prozent des BIP pro Jahr. Diese Zuweisungen sind nicht nur unzureichend, sondern der Ansatz des „gezielten Sozialschutzes“ mit Geldtransfers für Einzelpersonen ist auch ein direkter Angriff auf die allgemeine Sozialversorgung in Sri Lanka. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Zahl der „gezielt“ mit Geldern versorgten Bedürftigen geringer ausfällt und dass die getätigten Geldtransfers von der Inflation aufgefressen werden. Genau das war bereits das Problem mit Sri Lankas Armutsbekämpfungsprogramm „Samurdhi“.

Zu allem Überfluss hat die Regierung mit dem Ziel, die internationalen Gläubiger zufriedenzustellen, die Umstrukturierung der Inlandsverschuldung in Übereinstimmung mit den Bruttofinanzierungszielen des IWF abgeschlossen. Das bedeutet, dass in den kommenden 16 Jahren 0,5 Prozent des jährlichen BIP von den Rentenersparnissen der Erwerbstätigen abgezogen wird, was einem Verlust von 47 Prozent der angesammelten Rentengelder entspricht. Die Kürzungen treffen einige der am stärksten ausgebeuteten Personen, insbesondere Frauen, die in Sektoren wie der Bekleidungsindustrie oder der Teeproduktion arbeiten.

Korruption erreicht gerade dann ihren Höhepunkt, wenn Länder privatisieren, wenn staatliche Vermögenswerte veräußert werden.

Als Ursache für die Krise machen der IWF und seine Vertreter in Sri Lanka vor allem die Korruption verantwortlich. Doch im gesamten Globalen Süden herrscht aktuell Krise. Das kann nicht (allein) mit Korruption erklärt werden. Das Narrativ, mit einer Veränderung der Wirtschaftspolitik die Korruption zu bekämpfen, zielt vielmehr darauf ab, die Privatisierung zu beschleunigen und eine technokratische Hegemonie im Bereich Wirtschaft zu festigen. Die „Anti-Korruptions-Empfehlungen“ lassen die Tatsache außer Acht, dass Korruption gerade dann ihren Höhepunkt erreicht, wenn Länder privatisieren, wenn staatliche Vermögenswerte veräußert werden. Dass weitere öffentliche Einrichtungen verkauft und privatisiert werden, ist auch in Sri Lanka das wahrscheinliche Szenario angesichts der Haushaltsauflagen des IWF, die das Land in seiner Handlungsfähigkeit stark einschränken. Hinzu kommt, dass technokratische Lösungen die demokratische Kontrolle der Wirtschaft untergraben und stets zu Ungunsten der arbeitenden Bevölkerung ausfallen. Dies wird sich auch bei der Umstrukturierung der Schulden Sri Lankas wieder deutlich zeigen.

Der IWF scheint sich jedoch nicht für die politischen Folgen seines Sparpakets zu interessieren. Seine Lösung besteht darin, die Logik des Marktes im Interesse des globalen Kapitals durchzusetzen. Die Finanziers streben nach Rendite, ungeachtet der großen Marktturbulenzen und des damit verbundenen Leids der Menschen vor Ort. Allerdings haben wir schon oftmals bei solchen externen Lösungen erlebt, dass die Hybris der mächtigen Akteure zum Aufstieg anderer Kräfte führen kann, die von der entstehenden Polarisierung und der damit verbundenen Xenophobie profitieren.

Der IWF scheint sich jedoch nicht für die politischen Folgen seines Sparpakets zu interessieren.

Die Geschichte Sri Lankas liefert diesbezüglich wichtige politische Lektionen. Vor gut 20 Jahren wurde im Inselstaat ein jahrzehntelanger bewaffneter Konflikt mit einem von diversen internationalen Akteuren vermittelten und unterstützten Friedensprozess beendet. Mit Unterstützung der Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und Japans versprach der Hauptvermittler Norwegen satte 4,5 Milliarden US-Dollar Unterstützung für die zukünftige (neoliberale) Entwicklung des Landes. Diese Finanzhilfe wurde von Fortschritten bei der Konfliktlösung abhängig gemacht. Der heutige Präsident Sri Lankas, Wickremesinghe, der damals Premierminister war, setzte sich stark für das fragwürdige neoliberale „Friedenspaket“ ein. Die Arroganz der Großmächte und die Nichtbeachtung der lokalen Demokratieansätze verschafften beiden Konfliktparteien im Krieg eine kurze Atempause, um wieder aufzurüsten. Bei den nächsten Wahlen wurde der Premierminister aus dem Amt gejagt. Ein noch heftigerer Bürgerkrieg entbrannte und führte zu einem katastrophalen Ende mit zehntausenden Toten. Vor diesem Hintergrund entstand das autoritäre Rajapaksa-Regime.

Die gleiche Überheblichkeit der westlichen Mächte und ihre Ignoranz gegenüber den Folgen der Austerität könnte nun zu einer langwierigen Krise beitragen, die die arbeitende Bevölkerung Sri Lankas endgültig in den Ruin treiben könnte. Vor allem aber könnte sie dazu beitragen, dass in Reaktion auf diese Lage der Weg für den Aufstieg faschistischer Kräfte geebnet wird. Die wirtschaftliche Trost- und Aussichtslosigkeit der Menschen in Sri Lanka lässt sich in vielen Teilen des Globalen Südens in ähnlicher Weise beobachten. Sollten wir nicht eine Lehre aus der Großen Depression und ihren Folgen bis hin zum Weltkrieg gezogen haben – insbesondere, da sich die Dynamiken in Sri Lanka in zahlreichen anderen Ländern ebenfalls abzeichnen?

Die heutige Krise erfordert andere Lösungen als die üblichen technokratischen und finanzkapitalzentrierten Konzepte des IWF.

Die heutige Krise erfordert andere Lösungen als die üblichen technokratischen und finanzkapitalzentrierten Konzepte des IWF. Stattdessen braucht es Programme zur Demokratisierung der Wirtschaft. Mit anderen Worten: weniger Austerität, mehr Umverteilung des Reichtums. Es ist an der Zeit, dass das globale Finanzkapital, das Ländern wie Sri Lanka so viel Geld abgepresst hat, die angehäuften Schulden erlässt. Das globale Finanzsystem ist marode und steht vor dem Kollaps. Wenn die sogenannte Entwicklungsfinanzierung wirklich zur Entwicklung beitragen soll, dann muss sie zu günstigen Konditionen und langfristig orientiert erfolgen.

Ebenso sollten die heimischen wohlhabenderen Bevölkerungsschichten, die von der zunehmenden Ungleichheit und der Ausbeutung in Staaten des Globalen Südens profitiert haben, durch Maßnahmen wie Vermögenssteuern zur Kasse gebeten werden. Eine Politik der Eigenständigkeit und Autarkie, um die schlimmen Auswirkungen von Nahrungsmittelkrisen zu vermeiden, sollte Vorrang vor dem Luxuskonsum der Eliten haben, der bisher mit der von den westlichen Mächten vorangetriebenen Handelsliberalisierung einherging.

Nur eine derartige, groß angelegte Lösung kann sicherstellen, dass die arbeitende Bevölkerung nicht noch eine weitere Generation verliert, dass ihre Lebensgrundlagen nicht zerstört werden, dass Kinder nicht unterernährt bleiben oder sogar sterben. Heute, da die Welt mit der schlimmsten Schuldenkrise der jüngeren Vergangenheit konfrontiert ist, stehen sowohl die Demokratie als auch das wirtschaftliche Überleben auf dem Spiel.

Aus dem Englischen von Tim Steins