Im kommenden Monat werden Afrika und Europa den vierten EU-Afrika-Gipfel abhalten – vier Jahre nach dem vergangenen Treffen in Tripolis vom November 2010. Seit dem Beginn dieser Gipfeltreffen im neuen Jahrtausend sind dies regelmäßige Konklaven, in denen europäische und afrikanische Führer Bekenntnisse zu den Prinzipien der Partnerschaft, der Kooperation, der Verantwortlichkeit und der Solidarität ablegen. Die Gipfel haben dabei die früheren postkolonialen Beziehungen abgelöst, die von den Lomé- und Cotonou-Abkommen verkörpert wurden. Tatsächlich aber unterstreichen sie zugleich die abnehmende Bedeutung von Afrika für Europa.

Afrikagipfel: Wir brauchen mehr als wohlklingenden diplomatischem Jargon

Seit dem ersten Gipfel im Jahr 2000 haben diplomatische Höflichkeiten über konvergierende Interessen und Partnerschaft die tatsächlich bestehenden tiefen Meinungsverschiedenheiten über Handel, Klimawandel, Demokratie und Regierungsführung, Migration, sowie über Frieden und Sicherheit kaschiert. Dies dürfte sich auch im kommenden Monat nicht ändern. Erwartet wird vielmehr die weitere Produktion von langen Kommuniqués in wohlklingendem diplomatischem Jargon. Zugleich werden diese Statements ausgesprochen einsilbig ausfallen, sobald es um die Finanzierungsquellen geht, die erforderlich wären, um die lange Liste der Verpflichtungen tatsächlich umzusetzen.

Glücklicherweise wird die gemeinsame EU-Afrika-Strategie aus dem Jahr 2007 weiterhin als Vorlage für die Überlegungen zu einer großen Bandbreite von Problemen in der Entwicklungszusammenarbeit dienen. Der Brüsseler Gipfel wird daher die Bestimmungen der Afrika-Strategie nicht erneut aufrollen müssen. Stattdessen sollte der Gipfel sich darum bemühen, von den bisherigen Implementierungsproblemen zu lernen und einen Weg auszuloten, diese zu überwinden.

Die Spannungen, die den Gipfel im Vorfeld zu überschatten drohten, haben sich mittlerweile gelöst. Der Präsident von Zimbabwe, Robert Mugabe, wird teilnehmen. Dies erreichte die Afrikanische Union (AU) dadurch, dass sie  Mugabe zum ersten stellvertretenden Präsidenten der Organisation wählte und so eine Einladung erzwang. Im Februar 2014 hob die EU ihre Sanktionen gegen fast alle Personen der Führung Zimbabwes auf und beendete somit einen der bestehenden Konflikte.

Ähnlich wichtig ist der Abschluss eines Ökonomischen Partnerschaftsabkommen (EPA) zwischen der EU und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS vom Januar 2014. Das Abkommen setzt einen positiven Akzent über das Gipfeltreffen. Da die Verhandlungen bereits im Jahr 2000 begannen,  haben sie in den vergangenen Jahren vor dem Hintergrund afrikanischer Bedenken über die Asymmetrie der Abkommen erhebliche Spannungen in den europäisch-afrikanischen Beziehungen ausgelöst. Das aktuelle Abkommen ist das erste seiner Art. Es wird daher als Modell für andere afrikanische Regionen dienen, die aktuell damit ringen, die Verhandlungen abzuschließen. Beiden Seiten sollte für ihre Zugeständnisse Anerkennung ausgesprochen werden, da sie erhebliche Ärgernisse in den Beziehungen beseitigt haben.

Die aktuelle globale Kampagne einiger Akteure, das Jahr 2030 als Zieljahr für ein Ende der Armut zu definieren, ist eine fruchtlose Übung.

Der Gipfel wird ein Jahr vor dem Ablauf der UN-Millenniumsentwicklungsziele stattfinden. Sicher, nur Wenige haben mit einem substantiellen Rückgang der Armut bis zum Jahr 2015 gerechnet. Doch der Gipfel sollte für Afrika eine Gelegenheit sein, den Europäern ihre falschen Versprechungen vorzuhalten. Vor dem Hintergrund der wachsenden Debatte über die Post-2015 Entwicklungsagenda sollten beide Seiten ihre Entschlossenheit erneuern, nach kreativen und realistischen Finanzierungsmechanismen zu suchen. Dabei sollte der Gipfel aber der Versuchung widerstehen, einfach in den Chor all derer einzufallen, die jetzt einen neuen Zeitrahmen definieren wollen. Ein solcher würde ohne realistische und erreichbare Ziele lediglich die Illusion von Momentum erschaffen. Die aktuelle globale Kampagne einiger Akteure, das Jahr 2030 als Zieljahr für ein Ende der Armut zu definieren, ist eine fruchtlose Übung. Dies wäre einer ernsthaften Debatte über eine Konfrontation mit der Armut nicht dienlich.

Der Sturz des ehemaligen libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi durch NATO-Truppen im Jahr 2011 sollte eigentlich nicht auf der Agenda in Brüssel stehen. Doch ob dies so bleibt, ist alles andere als sicher. Einige afrikanische Staaten könnten versucht sein, diese Frage erneut zu behandeln. Doch Europa sollte darauf bestehen, dass dies lediglich eine Ablenkung von den zahlreichen Sicherheitsherausforderungen Afrikas darstellt. Letztlich stellte die Intervention auf Einladung libyscher Rebellengruppen einen entscheidenden Punkt im Arabischen Frühling dar – und einen Beitrag zum Versuch, gute Regierungsführung und Demokratie in Nordafrika zu verankern.

Laufende Bürgerkriege und Fragilität in Mali, der Zentralafrikanischen Republik, im Südsudan und in Somalia dürften die Diskussion über die Rolle der Europäischen Union in Peacekeeping und in Friedensmissionen dominieren. Auch hier ist kaum mit wirklich neuen Ideen zu rechnen. Europa hat in den vergangenen Dekaden bereits beträchtliche Beiträge zur Stabilisierung Afrikas geleistet. Allerdings sollten Europa und Afrika das Problem der überproportionalen Interventionen Frankreichs in afrikanischen Konflikten untersuchen. Sicher, französische Interventionen in Mali und in der Zentralafrikanischen Republik haben dort einen signifikanten Beitrag zur Lösung der Konflikte geleistet. Aber wie lange noch wird Paris der europäische Polizist in Afrika bleiben?

Die Abhängigkeit der AU von EU-Ressourcen ist nicht nachhaltig. Deshalb brauchen wir in Brüssel eine ehrliche Debatte darüber, wie Afrika seine eigenen Ressourcen mobilisieren kann.

Eine Antwort auf diese Fragen führt zweifellos zu einer neuen Betrachtung der europäisch-afrikanischen Sicherheitspartnerschaft. Und zugleich wird sie zu scharfen Fragen über Lastenteilung und gemeinschaftliche Verantwortlichkeit führen. Es wird interessant sein zu sehen, wie Afrika fehlenden Fortschritt in der Etablierung einer stehenden afrikanischen Eingreiftruppe (African Standby Force,  ASF) erklären wird. Eigentlich hätte diese vor drei Jahren einsatzbereit sein sollen.

EU und AU: So kann es nicht weiter gehen

Ebenfalls eine Frage, die Aufmerksamkeit verdient, ist das EU-Engagement mit der Afrikanischen Union. Die EU ist für die AU ein bedeutsamer Partner, unterstützt diese im Institutionsaufbau und darin, Kernmandate und Missionen zu erfüllen. Doch Europa hat in der Frage, wie die AU alternative Finanzierungsquellen zur Förderung von kontinentalen Zielen erschließen kann, kaum seine Stimme erhoben. Hier hat Europa der Verantwortung entsagt und es versäumt, einen engen Zeitrahmen für die Zurückstufung finanziellen Verpflichtungen an die AU zu definieren. Die Abhängigkeit der AU von EU-Ressourcen ist nicht nachhaltig. Deshalb brauchen wir in Brüssel eine ehrliche Debatte darüber, wie Afrika seine eigenen Ressourcen mobilisieren kann. Dies wäre eine Demonstration afrikanischer Unabhängigkeit und Verantwortung.

Es bleibt zu hoffen, dass der Gipfel in Brüssel auch zu neuen Ideen und Entscheidungen führt, wie die Geißel und Schande der illegalen Migration nach Europa angegangen werden kann. Zu beobachten ist diese tagtäglich  in Lampedusa. Für Europa ist Lampedusa Metapher einer fehlgeschlagenen Einwanderungspolitik. Für Afrika ein Symbol für das fehlgeschlagene Projekt afrikanischer Entwicklung. Europa hat in die Sicherung des Mittelmeeres vor illegalen Migranten investiert, ohne zugleich entsprechende Investitionen in afrikanische Beschäftigung vorzunehmen, die Migration verhindern könnte. Die Krise der illegalen Migration verschlimmert sich ständig. Jetzt ist es Zeit für mutige Initiativen und neue Ansätze. Für den Fall, dass der Brüsseler Gipfel keine frischen Ideen erarbeitet, ist das mindeste, was wir erwarten können, doch eine ernsthafte Debatte darüber, was das europäisch-afrikanische Verhältnis belastet.