Über Frauen an der Macht und ihre Stilisierung zu schreiben ist nie einfach. Schnell setzt man sich dem Vorwurf aus, man würde eine erfolgreiche Frau aufgrund von Äußerlichkeiten kritisieren, bei Männern in ihren Anzug-Uniformen täte man das doch nie, und in Summe schade man damit nur der feministischen Sache. Dem ist entgegenzuhalten: Auch Männer sind Charakterisierungen aufgrund ihrer Kleiderwahl, ihrer Inszenierung und der damit verbundenen Imagebildung ausgesetzt. Und Männer wie Frauen an der Spitze in der Politik setzen diese Mittel in Zeiten von Instagram, twitter und Facebook auch bewusst ein. Es war nie einfacher, sich und sein Image auf den Kanälen der Sozialen Medien selbst zu vermarkten.

Interessant ist, dass sich in der Charakterisierung von Frauen an der Macht gewisse Klischees und Archetypen immer wieder wiederholen. Von der „Mutter der Nation“, wie sie schon die Regentinnen Maria Theresia von Österreich oder Luise von Preußen in der Vergangenheit repräsentierten. Über die „Kronprinzessin“, ein Begriff, der gerne Frauen zugeschrieben wird, die die Nachfolge mächtiger Männer antreten und von ihnen gefördert wurden, wie etwa die frühe Angela Merkel, die Helmut Kohls „Mädchen“ war. Bis hin zur „Hexe“, zu der starke, emanzipierte Frauen abgestempelt werden wie die US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton im Wahlkampf 2017. Es gibt den Typus der „schönen Linken“ – denken wir nur an die Deutsche Sahra Wagenknecht oder die ehemalige Chefin der österreichischen Grünen, Eva Glawischnig – genauso wie den der „Trümmerfrau“, die dann auftritt, wenn es aufzuräumen gibt, was Männer in der Politik vor ihr hinterlassen haben.

Aber mit genderspezifischen Zuschreibungen wird auch machtpolitisch gespielt, zum Beispiel von den Rechtspopulisten. Durch die bewusste Inszenierung von Weiblichkeit soll das Image der durchweg als männlich, autoritär und angriffig wahrgenommenen rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien sanfter werden.

Durch die bewusste Inszenierung von Weiblichkeit soll das Image der rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien sanfter werden.

Als Marine Le Pen den Front National im Jahr 2011 übernahm, war dieser eine rechtsextreme Partei. Er ist es immer noch, aber Le Pen hat ihm ein freundlicheres, weiblicheres Gesicht gegeben. Aber nicht nur ihr Äußeres spielt bei dieser Inszenierung eine Rolle. Immer wieder positioniert sie sich inhaltlich mit pseudo-feministischen Aussagen. „Perwoll-Feminismus“ nennen Beobachter diese Strategie, in Anspielung an ein beliebtes Waschmittel, das damit wirbt, Kleidungsstücke flauschiger zu machen. Rechte übernehmen feministische Versatzstücke, um sanfter, weicher, harmloser zu wirken.

„Die Frauenrechte in diesem Land werden zurückgedrängt“, beklagte Le Pen etwa am Tag der Arbeit, dem 1. Mai. „Es ist eine Selbstverständlichkeit, die aber heute oft vernachlässigt wird: Frauen und Männer sind einander ebenbürtig, überall, in jedem Punkt“, proklamierte sie zum Wahlkampfauftakt. Auch ihre persönliche Biografie setzt die Juristin ein. Le Pen ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern, sie gibt sich bodenständig und zupackend. Den Bruch mit ihrem Vater, der die Partei aufgebaut hatte und ihr mit seinen antisemitischen Ausfällen beim Weichspülen immer wieder in die Quere kam, inszenierte sie als archaischen Vater-Tochter-Konflikt.

Ohne Skrupel missbraucht Le Pen dafür die berühmteste französische Frauenrechtlerin, Simone de Beauvoir. „Ich denke an die Worte Simone de Beauvoirs“, schrieb sie in der Tageszeitung L'Opinion. „'Vergesst nie, dass es nur zu einer politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Krise kommen muss, um die Frauenrechte infrage zu stellen.’“ Le Pens Nachsatz: „Und ich befürchte, dass die Flüchtlingskrise der Anfang vom Ende der Frauenrechte ist.“ Anlass des Artikels waren die Übergriffe auf Frauen in der Kölner Silvesternacht 2015, nach denen sich viele als Feministen gerierten, die zuvor mit Frauenrechten kaum etwas am Hut hatten.

Pseudo-feministische Parolen gegen die angebliche Islamisierung des Landes, mit dieser Strategie arbeiten nicht nur Marine Le Pen und ihre Nichte Marion an der Spitze des Front National in Frankreich, sondern auch andere rechtspopulistische Bewegungen in Europa und in den USA. Die ehemalige deutsche AfD-Chefin Frauke Petry zum Beispiel. Siv Jensen, die Finanzministerin Norwegens und Vorsitzende der rechtspopulistischen Fortschrittspartei. Beata Maria Szydło, polnische Regierungschefin der PIS. Oder die Ex-Miss-Belgien Anke Van dermeersch, die für die rechtsextreme Vlaams Belang im Parlament sitzt. Für Donald Trump gibt seine Tochter Ivanka die Powerfrau, für die Feminismus mehr Accessoire als Haltung ist.

Das logische Feindbild der Perwoll-Feministin ist eine echte, emanzipierte, intellektuelle Frau wie Hillary Clinton. In der veröffentlichten, von rechten Medien angetriebenen Meinung während des Präsidentschaftswahlkampfes in den USA wurde sie zu einem uralten misogynen Archetyp gebrandmarkt: dem der Hexe. Einer Frau, die berechnend, intrigant, überehrgeizig und eiskalt ist. Hexen waren immer stark, intelligent und unabhängig, so sehr, dass sie gleichzeitig angsteinflößend waren. Ihnen wurde Macht über Männer zugesprochen. Bei Clinton finden sich diese alten Zuschreibungen in moderner Form wieder.

Ehrgeizige Frauen, die zu Verräterinnen hochstilisiert werden: Das gab es in der Geschichte immer wieder. Die amerikanische Soziologin Susan Bordo hat die Biografie einer der berühmtesten und faszinierendsten von ihnen untersucht: die von Anne Boleyn (1501-1536), der zweiten Ehefrau König Heinrichs VIII. von England. Um sie zu heiraten, wandte sich Heinrich von der römisch-katholischen Kirche ab und gründete die anglikanische. Später fiel Anne in Ungnade und wurde wegen vorgeblichen Ehebruchs und Hochverrats enthauptet.

Das logische Feindbild der Perwoll-Feministin ist eine echte, emanzipierte, intellektuelle Frau wie Hillary Clinton.

Für Bordo sind die Parallelen zu Clinton offensichtlich, schreibt sie in einem lesenswerten Essay mit dem Titel „Die Erfindung und Zerstörung der Hillary Clinton“. Sie sei nicht die falsche Kandidatin gewesen, sondern wurde zu einer gemacht. Nicht nur von der republikanisch gesteuerten Presse, sondern auch, wie Bordo kritisiert, von ihrem demokratischen Konkurrenten Bernie Sanders, der Hillary zwar nicht als Lügnerin, aber als Kandidatin der Wall Street verunglimpft hätte.

Einer der Schlüsselmomente des Wahlkampfes war jene Lungenentzündung, die Clinton nicht sogleich öffentlich eingestand. Das brachte ihr den Vorwurf ein, wieder einmal etwas vertuschen zu wollen. „Sie hätte nur ihre menschliche Seite zeigen müssen“, kritisierte der Filmemacher und Aktivist Michael Moore später. Da war sie wieder: Clinton, die Frau, an der nichts Menschliches mehr ist.

Da geht es der „Trümmerfrau“ schon besser. Ist es nicht merkwürdig? Je größer die Probleme eines Landes oder einer Partei sind, desto eher kommen Frauen zum Zug. Die britische Premierministerin Theresa May ist dafür ein gutes Beispiel. Sie wirkt anfangs wie der personifizierte Hausverstand, die einzige Erwachsene, die nach der wilden Bubenparty das zerbrochene Geschirr zusammenklaubt und schaut, was noch zu retten ist.

Die Buben sind alles ihre Parteifreunde. Zuerst zettelte ihr Vorgänger David Cameron eine Brexit-Abstimmung an, dann trat er zurück. Abstimmungssieger Boris Johnson hätte seinen Job eigentlich übernehmen müssen, wurde aber von seinem Parteifreund Michael Gove ausgetrickst. Das Bemerkenswerte ist, dass Frauen dieser Führungsgeneration in solchen Momenten die gläserne Decke nicht deswegen durchbrechen, weil der Feminismus gesiegt, die Frauenquote gewirkt hätte oder sie einfach die besten für den Job gewesen wären. Es ist richtig, dass sie aus all diesen Gründen in die zweite oder dritte Reihe vorgerückt sind.

Ins Rampenlicht dürfen sie aber erst treten, weil ihr solider Pragmatismus in Zeiten der Verunsicherung schon Ansage genug ist. Seht her, hier steht eine praktisch denkende, alles andere als exzentrische Frau, die das jetzt alles wieder in Ordnung bringt!, lautet die Botschaft.

Als „Trümmerfrauen“ werden jene Frauen mystifiziert, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in den Städten des ehemaligen Deutschen Reiches den Schutt, den die Bomben der Alliierten hinterlassen hatten, aufräumten. Dass es keine Trümmermänner gibt, hat einen einfachen Grund. Männer waren zu Kriegsende entweder als Soldaten an der Front oder als Zwangsarbeiter in Konzentrationslagern interniert. Manche der Frauen, die Trümmer wegräumten, taten das nicht freiwillig: Sie wurden von den Alliierten dazu angehalten, weil sie Nazi-Sympathisantinnen gewesen waren.

Mit Trümmerfrauen verbindet man die rückblickend glorifizierte Zeit des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders. Sie werden geehrt und als Heldinnen gefeiert. In der Wiederaufbauzeit war es gesellschaftlich erwünscht und auch notwendig, dass Frauen arbeiten. Kurze Zeit später wurden sie dann wieder ins klassische Rollenbild als Hausfrau und Mutter gedrängt. So geht es auch vielen Trümmerfrauen in der Politik. Sie sind Personen des Übergangs. Hinter ihnen wartet meistens schon ein Nachfolger. Natürlich ein Mann.