Auf der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 war der sudanesische Verhandlungsleiter der Gruppe der 77 (G77), Lumumba Di-Aping, bestürzt darüber, dass die Konferenz keine ambitionierte, bindende Vereinbarung zur Emissionsreduzierung sondern stattdessen ein freiwilliges Pledge-and-Review-Verfahren („zusagen und überprüfen“) beschloss. Er lehnte insbesondere die Festsetzung einer Temperaturzunahme von zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau ab. Nach Di-Alping bedeute ein solches Erwärmungsziel den „sicheren Tod für Afrika“ und sei Kennzeichen des „Klimafaschismus“. Seine heftige Anklage gegen das schließlich beschlossene Abschlussdokument von Kopenhagen beruhte darauf, dass Afrika generell einer anderthalbfachen Temperaturerwärmung des globalen Durchschnitts ausgesetzt ist. Mit anderen Worten: Eine Erwärmung von zwei Grad Celsius über vorindustriellem Niveau würde Afrika wortwörtlich „rösten“ und dramatische Folgen der Klimaveränderung auf dem gesamten Kontinent auslösen. Di-Alping fragte demonstrativ, warum Afrika aufgefordert würde, ein Abkommen zu unterzeichnen und eine Vereinbarung zu feiern, die im Austausch gegen zehn Milliarden US-Dollar eine solch verheerende Erwärmung zulassen würde.   

Eine Erwärmung von zwei Grad Celsius über vorindustriellem Niveau würde Afrika wortwörtlich „rösten“.

Die zehn Milliarden US-Dollar, auf die er sich bezog, sollen bis 2020 jährlich als Beitrag zum Green Climate Fund (GCF) erhoben werden. Sie sollen eingesetzt werden, um weltweit Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen in armen und gefährdeten Regionen zu finanzieren. Die notwendigen Investitionen für den Aufbau einer Klimaresilienz in Afrika werden allerdings inzwischen auf sieben bis zehn Milliarden US-Dollar jährlich geschätzt, was die Schwäche des in der Übereinkunft von Kopenhagen festgesetzten und später im Dezember 2015 im Klimaabkommen von Paris verabschiedeten Ziels verdeutlicht. Bereits eine Studie des Kongresses der Südafrikanischen Gewerkschaften (COSATU) von 2012 betonte die enormen wirtschaftlichen Folgen einer Erwärmung für Afrika. Die Studie stellte fest, dass eine Temperaturerhöhung um 1,5 Grad Celsius Afrika bis 2040 1,7 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) und ein Szenario mit zwei Grad Temperaturanstieg 3,4 Prozent seines BIP bis 2060 kosten würde. Um alarmierende zehn Prozent würde das BIP bis 2100 sinken, wenn die Temperatur um 4,1 Grad Celsius anstiege.

Schätzungen einer Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) von 2010 zeigen, dass die wirtschaftlichen Kosten der Klimaveränderungen für Afrika bis 2030 jährliche Ausgaben zwischen 1,5 und 3 Prozent des BIP erforderlich machen könnten. Das Pariser Klimaabkommen regelt nun, dass der Green Cimate Fund ab 2020 auf 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr ansteigt. Doch selbst bei dieser Summe bleibt implizit die Frage der Verantwortung, da der Fonds zulässt, dass nicht nur bedürftige Nationen Anspruch auf Geld haben, sondern auch Unternehmen.  

Den Teilnehmern der diversen UN-Klimakonferenzen scheinen die nackten Realität und die üblen Folgen, mit denen der Kontinent und verletzliche Inselstaaten konfrontiert sind, entgangen zu sein. Die Klimaziele des gefeierten Abkommens von Paris gelten mit einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius bzw. deutlich unter zwei Grad als ambitioniert. Doch niemand hat sich die Mühe gemacht zu fragen, was mit „deutlich unter zwei Grad“ gemeint ist. Angesichts dessen, was man bisher weiß, ist dies für die Armen und Gefährdeten eine sarkastische Zumutung im Kampf um ein gutes Klima. Es sind mehr oder weniger die gleichen Ziele, die Lumumba Di-Aping bereits in Kopenhagen so aufgeregt haben.

Den Teilnehmern der diversen UN-Klimakonferenzen scheinen die nackten Realität und die üblen Folgen, mit denen Afrika und verletzliche Inselstaaten konfrontiert sind, entgangen zu sein.

Einige reiche industrialisierte Nationen, wie die Vereinigten Staaten, waren immer gegen eine bindende Vereinbarung, die Nationen verpflichtet, Emissionen ihrem gerechten Anteil an der Erwärmung entsprechend und nach wissenschaftlichen Berechnungen zu begrenzen. Vor allem darum ist das Kyoto-Protokoll gescheitert. Es wurde jetzt durch eine Regelung ersetzt, nach der Länder ihre Ziele zur Emissionsreduzierung auf der Grundlage von unabhängigen, national festgelegten Klimaschutzzusagen (INDCs oder NDCs) beschließen können. Dieses Pledge-and-Review-Verfahren erlaubt es Ländern außerdem, ihre Kohlstoffemissionen zu verrechnen, anstatt Emissionen verpflichtend an der Quelle zu reduzieren. Das ist „business as usual“, auch wenn die Verhandlungsführer der Klimaverhandlungen ständig versichern, dies zu verabscheuen.

Wie zu erwarten waren Politiker und Wirtschaft begeistert von dem Pariser Klimaabkommen, weil sie nun legitim behaupten können, etwas für das Klima zu tun, obwohl sie in Wirklichkeit nichts tun, außer die Situation zu verschlimmern oder das bittere Ende einfach hinauszuzögern. Afrikanische Nationen haben, wie auch andere, ihre INDCs eingereicht. Beobachter haben darauf hingewiesen, dass manche Länder sich verpflichtet haben, Emissionen zu reduzieren, die sie eigentlich gar nicht produzieren. Einige Länder haben es sich offenbar sehr leicht mit ihren Aufgaben gemacht, während andere INDCs wohl von externen Beratern vorbereitet wurden, die ihre Vorlagen auf reinen Annahmen begründeten. Darüber hinaus erlaubt die INDC-Regelung, dass Länder festlegen, was sie bedingungslos und was sie nur auf der Grundlage bestimmter Bedingungen, wie zum Beispiel den Zugang zu Geld und Technologie, erfüllen können.

Wie zu erwarten waren Politiker und Wirtschaft begeistert von dem Pariser Klimaabkommen, weil sie nun legitim behaupten können, etwas für das Klima zu tun, obwohl sie in Wirklichkeit nichts tun.

Den Bedingungen, die an INDCs von Ländern geknüpft wurden, die nicht erheblich zur Klimakrise beigetragen haben, wird das Fairnessprinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung (common but differentiated responsibilities, CBDR) zugrunde gelegt. Nationen, die am stärksten zur Klimakrise beigetragen haben, sollen entsprechende Verantwortung übernehmen, während allgemeine Maßnahmen je nach den vorhandenen Möglichkeiten zugewiesen werden. Das Prinzip ist Teil des Klimaabkommens von Paris, ebenso wie die Menschenrechte, das Recht auf Gleichberechtigung der Geschlechter, die Rechte von Ureinwohnern und lokalen Gemeinden sowie das Recht auf Entwicklung und auf Generationengerechtigkeit.

Es gibt nur wenige Länder in Afrika, in denen die Suche nach und die Förderung von Ölvorhaben kein aktueller Schwerpunkt sind. Auch das Wissen, dass bis zu 80 Prozent der bekannten fossilen Energieträgerreserven nicht verbrannt werden dürfen, wenn wir eine Chance haben wollen, die Klimaerwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten, konnte den Andrang auf das schwarze Gold nicht bremsen. Politiker sprechen davon, dass sie das mit der Ölförderung verdiente Geld nutzen wollen, um die Entwicklung einer klimafreundlichen Wirtschaft zu fördern. Diese Behauptung ist in einer fragwürdigen Logik gefangen, nach der Gewinne aus schmutziger Energie genutzt werden, um ein sauberes Energiesystem aufzubauen. Ausgehend von der Idee, ein Recht auf Entwicklung zu haben, folgen auch afrikanische Länder dieser Logik. Diese Mentalität des Aufholens lässt aber keine kritischen Fragen darüber zu, was Entwicklung wirklich ist und welchen Weg sie nehmen soll. Um das Szenario noch zu verschlimmern: Auch reiche Länder sind in dieser Öl-Zivilisation gefangen und betreiben extreme Förderarten wie Fracking oder Tiefseebohrungen.

Afrika steckt in einer Tretmühle, die „Klimakonferenzen“ heißt, und diese Klimakonferenzen werden von einem petro-militärischen-Komplex angetrieben, der die Welt weiter nach Ölvorhaben suchen lässt und verhindert, dass der Begriff „fossile Brennstoffe“ in Klimaabkommen überhaupt genannt wird. In Kombination mit dem Traum einer nicht näher definierten Entwicklung kann man das Klimaabkommen von Paris und den gegenwärtigen Verhandlungszirkus womöglich irgendwann so sehen, dass wir uns im Kreis drehen, während Afrika brennt.