Im 21. Jahrhundert werden sich die westlichen Streitkräfte und damit auch die Kriegsbilder weiter wandeln. Ausschlaggebend ist hier in erster Linie die „Digitale Revolution“ d.h. die Integration von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien in vorhandene Waffensysteme und Streitkräftestrukturen. High-Tech-Rüstung wird durch anhaltend hohe Militärausgaben und die fortschreitende militärische Forschung und Entwicklung ermöglicht. Laut SIPRI 2013 lagen die globalen Militärausgaben zuletzt bei 1.747 Mrd. US-Dollar. Die höchsten Ausgaben für militärische Forschung und Entwicklung lagen mit etwa 80 Mrd. US-Dollar jährlich in den USA.
Treibendes Element für diese kostenintensiven Programme zur Nutzung schneller Datenübertragung, großer Speicher- und Rechenkapazitäten aber auch miniaturisierter Sensoren und neuer Materialien ist der bessere Schutz der eigenen Soldaten. Im Zuge dieser digitalen Revolution werden die Massenarmeen des 20. Jahrhunderts mehr und mehr von Hightech-Armeen abgelöst, in denen dem einzelnen Soldaten und Befehlshaber enorme technische Hilfsmittel zur Verfügung stehen.
Technisch unterlegene Gegner wie aktuell der islamische Staat (IS) haben sich auf die militärtechnische Dominanz westlicher Staaten eingestellt. Sie reagieren auf die waffentechnische Übermacht mit anderen Taktiken und einfachsten Waffen (Handfeuerwaffen und Granatwerfern), hoher Mobilität („Pick-ups“), kleinen Gruppen oder gezielten Anschlägen. Auch in Zukunft bleibt die Kriegsführung also asymmetrisch: Hier das westliche Militär, das Kriege am Bildschirm plant und führt und dort der zu allem entschlossene Kämpfer, der vor dem Einsatz des eigenen Lebens nicht zurückschreckt.
Kriegsführung aus der Distanz
Die Integration des neuen Technologiespektrums führt zu neuen militärischen Fähigkeiten: Paradigmatisch sind zielgenau steuerbare unbemannte Flugkörper („Drohnen“), die über leistungsfähige Aufklärungssensorik und Flugsteuerung verfügen. Unmanned Aerial Vehicles (UAV), d.h. ferngesteuerte wiedereinsetzbare Flugsysteme, stehen mittlerweile auf den Beschaffungslisten vieler Staaten. Neben den USA verfügen heute 80 Länder über meist unbewaffnete Drohnen. Und es ist absehbar, dass sich weitere Staaten und auch nichtstaatliche Akteure bewaffnete Drohnen zulegen werden.
Dabei ist die Spannweite der eingesetzten Typen groß. Zunehmend werden UAVs auch für Kampfmissionen umgerüstet. Heute sind lediglich die USA, Großbritannien und Israel im Besitz von Kampfdrohnen. Aber auch in China, der Türkei, den VAE, in Südafrika sowie in Europa wird an bewaffneten UAVs gearbeitet. Hier entsteht eine neue Bedrohung (auch im zivilen Bereich). Denn UAVs sind klein, leise und haben im Prinzip lange Einsatzzeiten.
Der Drohnenkrieg im Grenzgebiet von Pakistan und Afghanistan ist eine ferngesteuerte Auseinandersetzung, in der insbesondere die CIA Gegner aus der Luft „eliminiert“. Die Operateure sitzen 13.000 km entfernt und führen an Videoschirmen einen ferngesteuerten Push-Button-Krieg. Die Einsätze sind jedoch völkerrechtlich umstritten und oft politisch kontraproduktiv. Die Hauptakteure sind Geheimdienste und nicht die regulären Streitkräfte. Ein völkerrechtlicher Einblick in die Zielplanung und die Gründe wird der Öffentlichkeit verwehrt.
Unbemannte Systeme finden aber auch vermehrt auf dem Boden und im Wasser Anwendung. Die Entwicklung von Kleinstflugkörpern, nicht größer als wenige Zentimeter, wird forciert. Innovativen Konzepten sind hier keine Grenzen gesetzt, zumal das US-Militär genügend Geld für solche Forschungen bereitstellt und stets argumentiert, dass diese neuen Systeme das Leben der eigenen Soldaten schützen.
Robotik und Künstliche Intelligenz
Die nächste Runde im qualitativen Wettrüsten ist bereits eingeläutet: Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI). Sie könnte vermehrt Waffensysteme hervorbringen, die selbstständig entscheiden, welches Ziel angegriffen wird. Die „fire and forget“ Luft-Boden-Rakete Brimstone beispielsweise kann schon heute zwischen Panzern, Autos und Bussen unterscheiden. Waffensysteme werden zunehmend „autonomer“.
Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee sprechen von einem „Zweiten Maschinen Zeitalter“, in dem Computer mentale Fähigkeiten erhalten, über die bisher nur der Mensch verfügt. Neue Forschungen im Bereich KI konzentrieren sich auf Muster- und Spracherkennung, Sensorik und Antriebstechnik. Im Labor werden fliegende Systeme entwickelt, die miteinander kommunizieren, ihren Flug koordinieren und Schwarmverhalten zeigen. Auch sollen UAV-Operateure in Zukunft mehrere UAVs gleichzeitig bedienen können. Assistenzsysteme haben längst Einzug in die „automatisierte Kriegsführung“ gehalten und verdrängt den Menschen in seiner Entscheidungshoheit.
Es besteht die Gefahr, dass der Mensch durch die fortschreitende Automatisierung des Krieges seine Fähigkeit verliert, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen.
Allerdings sind zahlreiche Probleme wie die Informationsüberlastung der Operateure oder die Störanfälligkeit der Systeme nicht gelöst. So können beispielsweise UAVs abstürzen, wenn ihre Verbindung zum Operateur abreißt. Zudem können Gegner Sicherheitslücken ausnutzen. Gerade diese Probleme sind es jedoch, die als weiteres Argument für die Integration von mehr Autonomie in Waffensysteme herhalten müssen.
Angesichts dieser Entwicklungen besteht die Gefahr, dass der Mensch durch die fortschreitende Automatisierung des Krieges seine Fähigkeit verliert, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Roboter kennen keine Panik und keinen Schmerz, verfügen aber auch über kein kritisches Urteilsvermögen. Sie werden programmiert und arbeiten Algorithmen ab. Wer ist also verantwortlich, wenn es zu Unfällen oder Fehlplanungen kommt?
Mit der Integration von mehr Autonomie verschärfen sich politische, juristische und ethische Fragen. Wer fällt auf welcher Grundlage die Entscheidung über Leben und Tod? Wie kann die Einhaltung des Völkerrechts überprüft werden? Werden Kriege nicht wahrscheinlicher, wenn scheinbar "lediglich" Roboter Krieg führen? Und nicht zuletzt: Kann und darf ein Roboter im Krieg eigenständig Gegner töten?
Ausdruck der weltweiten Beunruhigung über „vollständig autonome“ Waffensysteme war u.a. eine <link aus-dem-netz artikel drohnen-als-problem-395 externen link in neuem>Konferenz der UN-Konvention über konventionelle Waffen, die im Mai 2014 in Genf stattfand. Tesla und SpaceX Gründer Elon Musk und Stephen Hawking warnten im Rahmen der Debatte um die verstärkte Nutzung von KI eindringlich vor deren Gefahren.
Outer Space
Militärische Planer gehen davon aus, dass künftig auch im Weltraum Konflikte mit Waffen ausgetragen werden. Die Nutzung für Kommunikation, Navigation und Erdbeobachtung vom erdnahen Raum aus ist für die Staatenwelt schon heute essentiell. Global agierende Streitkräfte sind heute auf weltraumgestützten Infrastrukturen angewiesen, sei es für Aufklärungszwecke, sei es zur GPS-gestützten Navigation.
Der Weltraum wurde von den Supermächten seit Beginn des Weltraumzeitalters militärisch genutzt. Diese Konkurrenz im Weltraum setzt sich bis heute fort. Zwar haben nicht alle Akteure den gleichen Zugriff, doch neben den klassischen Weltraummächten treten heute neue Akteure auf: China, Indien oder Brasilien. Iran und Nordkorea ist es gelungen, kleine Satelliten in den Orbit zu transportieren. Obwohl also immer mehr Staaten an der militärischen Nutzung des Weltraums interessiert sind, entfallen die meisten militärischen Satelliten auf die USA, die auch fast 95 Prozent der Weltraummilitärausgaben verantworten.
Satelliten besitzen bislang nur passive Anwendungen, Waffen befinden sich bislang nicht an Bord. Dieses Tabu jedoch könnte fallen: Ein deutliches Warnzeichen sind Anti-Satellitentests, die sowohl China 2007 als auch die USA 2008 durchgeführt haben. Weitere technische Möglichkeiten zur Zerstörung verwundbarer Satelliten werden erforscht: Erdgestützte Laserwaffen, Minisatelliten oder die in der Entwicklung befindliche Raketenabwehr sind denkbar. International werden keine ernsthaften Anstrengungen unternommen, die Lücken im Weltraumvertrag von 1967 zu schließen und die Zerstörung von Satelliten im All generell zu verbieten.
Der Cyberspace als Schlachtfeld
Neben dem Weltraum ist der Cyberspace in den Fokus gerückt. Die koordinierten Cyberangriffe auf Estland 2007, Georgien 2008 oder Saudi-Arabien 2012 steigern die Befürchtung, dass auch der Cyberspace zum Schlachtfeld werden kann. Die Entdeckung des Stuxnet-Wurms macht deutlich, dass auch Staaten über offensive, elektronische Mechanismen verfügen, um potenzielle Gegner anzugreifen. Auch gegen militärische Netze und Einrichtungen finden solche Angriffe statt. Der Schweizer Armeechef hat schon im September 2010 Cyberangriffe als die „aktuell gefährlichste Bedrohung“ bezeichnet: „Wenn es jemandem gelingt, unsere Kommunikations- und Stromnetze lahmzulegen, dann müssen wir über den Einsatz unserer Systeme gar nicht mehr diskutieren“ Der bisher angerichtete Schaden war rein ökonomischer Natur. Aber ein koordinierter Angriff auf kritische Infrastrukturen wie etwa Kernkraftwerke oder die chemische Industrie könnte auch erheblichen materiellen Schaden anrichten. Führende Staaten wappnen sich derzeit gegen solche umfassenden Angriffe durch die Schaffung von Cybercommands und Abwehrzentren.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch Staaten selbst offensive Cyberangriffe vorbereiten und im Kriegsfall durchführen. Die durch Edward Snowden bekannt gewordenen Dokumente weisen darauf hin, dass in den USA und China solche Planungen bereits unternommen wurden. Ein digitales Wettrüsten ist hier nicht ausgeschlossen. Es ist nun denkbar, dass künftige Kriege auch unmittelbar Auswirkungen auf das Internet haben und dass ein Krieg von Cyberangriffen begleitet oder sogar ausgelöst wird. Aufklärung, Frühwarnung und die Steigerung von Verteidigungsmaßnahmen sowie Resilienz sind hier ebenso notwendig wie internationale Diplomatie und vertrauensbildende Maßnahmen.
Möglichkeiten der Einhegung
Die Einhegungsmöglichkeiten für die Einführung neuer Waffensysteme sind bisher begrenzt. Sie reichen vom Forschungs- und Entwicklungsverbot über ein Verbot der Herstellung und des Besitzes bis hin zu einem Einsatzverbot im Rahmen von Rüstungskontrollverträgen (ius contra bellum) beziehungsweise im Rahmen des internationalen humanitären Völkerrechts (ius in bello).
Es ist die Aufgabe einer präventiven Rüstungskontrolle nach allgemein akzeptierten Kriterien destabilisierende Waffen zu verbieten oder zu begrenzen.
Es ist die Aufgabe einer präventiven Rüstungskontrolle nach allgemein akzeptierten Kriterien destabilisierende Waffen zu verbieten oder zu begrenzen. Anwendbare Kriterien sind einerseits die Prinzipien des humanitären Völkerrechts wie das Unterscheidungsgebot, das Gebot des Schutzes der Zivilbevölkerung und das Proportionalitätsgebot. Andererseits kennt die klassische Rüstungskontrolle das Ziel der Vermeidung von Rüstungswettläufen und die Verhinderung eines „Krieges aus Versehen“ durch Frühwarnung, Vertrauensbildung und Transparenz. Die vorhandenen Rüstungskontrollverträge müssen gestärkt werden und auch neue Waffensysteme umfassen, die das strategische Gleichgewicht unterminieren.
Es ist höchste Zeit, international Normen und Regeln für den Weltraum aber auch für den Cyberspace zu entwickeln. Auch die Verifikation von Vertragsverstößen muss einbezogen werden. Die Autoren des Buches The Second Machine Age rufen bei allem emphatischen Eintreten für neue Technologien zu einem verantwortungsvollen Umgang auf: „Die Technologien, die wir heute kreieren, haben die Macht die Welt zu ändern, aber mit dieser Macht geht auch größere Verantwortung einher“.
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