Dieser Beitrag ist zuerst in der Monatszeitschrift American Prospect erschienen.

Dass Hillary Clinton sich die Präsidentschaftsnominierung der US-Demokraten sichern konnte ist zum Teil auf ihren politischen Linksruck zurückzuführen. Dieser wiederum ist in den Augen vieler Beobachter Bernie Sanders geschuldet. In der Tat sind einige ihrer Schritte nach links ihrem sozialistischen Herausforderer Sanders zu verdanken: beispielsweise ihr Vorschlag, dass sich auch Menschen ab 50 schon über die öffentliche Krankenversicherung für Senioren (Medicare) versichern können, ihr Versprechen, keine Einschnitte bei der öffentlichen Rentenversicherung (Social Security) vorzunehmen, und ihre Zusicherung, jedes vom Kongress verabschiedete Gesetz über einen Mindestlohn von 15 US-Dollar zu unterzeichnen.

Aber Clintons zunehmende Neigung nach links ist nicht nur eine Reaktion auf den von Sanders angezettelten Aufruhr, sondern auch auf künftige demographische und wirtschaftliche Trends, die weit über die Präsidentschaftswahl von 2016 anhalten werden. Nach Jahrzehnten einer von Privatisierungen, Deregulierungen und Dezentralisierung geprägten Rechts-der-Mitte-Politik werden Entwicklungen in der Wirtschaft und in der Wählerschaft den politischen Kurs sehr wahrscheinlich in Richtung einer links der Mitte anzusiedelnden öffentlichen Politik verändern.

Kurz gesagt ist die Ära der wenig eingreifenden Regierung (small government) vorbei. Es könnte sogar an der Zeit für einen neuen „New Deal“ sein, mit dem das bestehende soziale Sicherheitsnetz ausgebaut und verstärkt wird. In der Vergangenheit haben die Amerikaner Sozialleistungen nur den Bevölkerungsgruppen zugestanden, die sie „verdienen“, nämlich den Alten und den arbeitenden Armen. Aber verschiedene Faktoren zwingen die politischen Entscheidungsträger auf beiden Seiten des politischen Spektrums dazu, auf eine Wählerschaft zu reagieren, die jünger und diverser wird und in der viele Menschen finanziell zu knapsen haben.

Immer mehr Amerikaner bezeichnen sich selbst als Linke (bzw. im Amerikanischen als „liberal“). Bei Bill Clinton erstem Wahlkampf 1992 identifizierten sich lediglich 17 Prozent der Wählerschaft mit einer linken Weltanschauung. Jahrzehntelang assoziierten die Amerikaner den Begriff „links“ mit Kriegsgegnern und radikalen Bürgerrechtlern. Mit dem Verblassen der 1960er-Jahre im öffentlichen Bewusstsein bezeichnet sich nun ein Viertel aller Wähler als links.

Zu diesem Anstieg tragen insbesondere junge Wähler bei, die mit den politischen Kämpfen der 1960er-Jahre nichts zu tun hatten. Diese auch Millenials genannten Angehörigen der Generation Y wurden von der letzten weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise schwer gebeutelt und stehen dem Kapitalismus mit großem Misstrauen gegenüber. Dieses System verbinden sie mit zunehmender Einkommensungleichheit und der Notwendigkeit, im elterlichen Haus zu wohnen. Die neuen Wähler setzen den Begriff Sozialismus nicht mit der Roten Armee gleich, sondern denken bei Rot eher an die Fußballtrikots der nordischen Länder, die sie während ihres Auslandssemesters gern besuchen würden.

Die Präsidentschaftswahl von 2016 wird die erste Wahl sein, bei der die Millenials denselben Anteil an der US-Wählerschaft ausmachen wie die Babyboomer.

Die Präsidentschaftswahl von 2016 wird die erste Wahl sein, bei der die Millenials denselben Anteil an der US-Wählerschaft ausmachen wie die Babyboomer. Die Jungwähler, die Sanders unterstützten, sind nicht zufrieden mit der Democratic Party, die für sie nur eine Sammlung von irgendwie progressiven Interessengruppen ist. Diese Wähler wollen lieber eine Partei mit linker Weltanschauung und einer aggressiven Agenda für eine nationale Umverteilungspolitik.

Zudem wird die Wählerschaft nicht nur immer jünger, sondern ist auch ethnisch gesehen viel diverser. Als Ronald Reagan 1984 wiedergewählt wurde, bestand die Wählerschaft zu 80 Prozent aus Weißen. Bei Obamas Wiederwahl 2012 betrug der Anteil der Weißen in der Wählerschaft nur noch 72 Prozent und mit einem Anteil von 28 Prozent hatten sich mehr Nichtweiße an einer Wahl beteiligt als je zuvor. Im Jahr 2016 wird die Wählerschaft noch diverser sein: Ein Drittel der Wahlberechtigten wird einen asiatischen, afro- oder lateinamerikanischen Hintergrund haben. Dieser Zuwachs ist in erster Linie auf mehr hispanische Wähler zurückzuführen. Ethnische Minderheiten lassen sich bei ihrer Entscheidung vor allem von ökonomischen Fragen leiten und neigen mehr als weiße Wähler dazu, höhere Sozialausgaben und ein stärkeres Eingreifen der Zentralregierung zu fordern.

Die zunehmende Diversität der Wahlbevölkerung wird sich vor allem in den sogenannten Swing States in den südlichen Bundesstaaten des Sun Belts bemerkbar machen. An einem interaktiven Modell von Aaron Bycoffe und David Wasserman ist abzulesen, dass der Anteil der Weißen an den Wahlberechtigten 2016 in Virginia, North Carolina, Nevada und Florida unter 70 Prozent liegen wird. Bis 2020 werden Prognosen der US-Statistikbehörde zufolge 37,2 Prozent aller Erwachsenen in den USA eine andere Hautfarbe als weiß haben und bis 2060 steigt dieser Anteil sogar auf 54,8 Prozent.

Die Führung der Republikaner ist sich dieser demographischen Trends sehr wohl bewusst und kämpft darum, die Proteste zu beschwichtigen, die ausgebrochen waren, als es hieß, der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump habe im Zusammenhang mit der Klage gegen sein jetzt nicht mehr bestehendes Online-Bildungsunternehmen namens „Trump University“ behauptet, ein Bundesrichter lateinamerikanischer Herkunft sei ungeeignet, den Vorsitz bei diesem Verfahren innezuhaben. Diese Kontroverse unterstreicht die ethnozentrische Natur seiner Kampagne, die er damit eröffnete, mexikanische Einwanderer als Vergewaltigern und Drogenhändlern zu verunglimpfen. Es ist kein Zufall, dass ungeheuer viele Lateinamerikaner im Vorfeld dieser Wahl die Staatsbürgerschaft beantragen und sich in die Wahlregister eintragen lassen.

Der demographische Wandel ist aber natürlich nur ein Teil der Geschichte. Auch die sich herausbildenden wirtschaftlichen Trends veranlassen Politiker aus beiden Lagern zu einem Schritt nach links. Die Republikaner haben in den letzten 40 Jahren immer mehr Steuervergünstigungen für die Wohlhabenden eingeführt und gleichzeitig die Sozialausgaben für die Armen immer weiter gekürzt. Aus Donald Trumps Nominierung zum Präsidentschaftskandidat wird jedoch deutlich, dass ein Gutteil der republikanischen Basis gegen eine Kürzung von Sozialausgaben und möglicherweise sogar für eine höhere Besteuerung der Reichen ist.

Die Einkommensungleichheit nimmt seit 40 Jahren zu und es ist davon auszugehen, dass die Wohlhabenden auch in den nächsten beiden Jahrzehnten ein immer größeres Stück vom Kuchen für sich beanspruchen werden. Den Durchschnittsamerikaner hat die zunehmende Ungleichheit aber dazu gebracht, eine bessere Umverteilungspolitik zu fordern und den Reichen die Schuld für die mangelnde wirtschaftliche Chancengleichheit zu geben. Dieser Wandel in der öffentlichen Meinung schafft politische Anreize für populistischere politische Angebote. Und mit derartigen Wahlversprechen haben sowohl Sanders als auch Trump die Unterstützung unzufriedener weißer Wählern für sich gewonnen.

Durch die seit langem stagnierende Lohn- und Gehaltsentwicklung werden immer mehr Menschen der Mittelschicht auf das Lohnniveau der Arbeiterschicht gedrückt.

Durch die seit langem stagnierende Lohn- und Gehaltsentwicklung werden immer mehr Menschen der Mittelschicht auf das Lohnniveau der Arbeiterschicht gedrückt. Historisch gesehen haben die Wähler aus der Arbeiterschicht immer am lautstärksten politische Umverteilungsstrategien wie höhere Mindestlöhne und allgemeine Gesundheitsversorgung gefordert. Die Realstundenlöhne der meisten Arbeiter sind seit Mitte der 1970er-Jahre nicht gestiegen. Die Gehälter der Mittelschicht haben sich (mit Ausnahme von Ende der 1990er-Jahre) seit den 1980er-Jahren bis ins erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts überhaupt nicht verändert. Im Niedriglohnbereich sieht es noch schlimmer aus: Hier sind die Löhne in denselben drei Jahrzehnten sogar um fünf Prozent gesunken.

Die Abnahme von gewerkschaftlich organisierten Arbeitsplätzen und der Übergang von einer verarbeitenden zu einer Dienstleistungswirtschaft sind nicht nur mit einem Lohnrückgang einhergegangen, sondern auch mit dem Verlust von Gesundheits- und Altersversorgung durch den Arbeitgeber. Laut dem Employment Benefit Research Institute haben geringqualifizierte Arbeitnehmer nur nach halb so oft Anspruch auf eine betriebliche Altersvorsorge wie noch 1987. Trumps Versprechen, gute Arbeitsplätze im Produktionssektor zurückzubringen, würde auf eine Wirtschaft hinauslaufen, die anständig bezahlte Arbeitsplätze mit zusätzlichen Arbeitgeberleistungen für Geringqualifizierte schafft – ein Versprechen, das realistisch gesehen nicht einzuhalten ist.

Zusammen mit der zunehmenden Globalisierung und Automatisierung machen diese Wirtschaftstrends den aus der Mittelschicht verdrängten Arbeitnehmern nicht nur zuvor als extrem links eingestufte Ideen wie kostenloses Studium und nationale Gesundheitsversorgung schmackhaft, sondern lassen auch die politischen Rezepte der Konservativen immer unrealistischer aussehen.

Die Republikaner haben versucht, verärgerte weiße Wähler aus der Arbeiterschicht mit dem Versprechen von Steuerermäßigungen zu besänftigen, die es ihnen erlauben würden, in eine eigene Altersvorsorge zu investieren und Rücklagen für die eigene soziale Absicherung zu bilden. Dazu gehören kürzlich vorgestellte Pläne, das System der Gesundheitssparkonten und individuellen Alterssparkonten auszubauen – Vorschläge, die ziemlich hohl klingen, weil die Arbeiterhaushalte sich in der Regel von Lohntüte zu Lohntüte durchhangeln. Überdies hat der durchschnittliche amerikanische Arbeiter in 30 Jahren keine Reallohnerhöhung erlebt und hat auch keine Anstellung mit großzügigen betrieblichen Sozialleistungen. Die Sparquoten der Privathaushalte liegen bei unter fünf Prozent.

Aus jüngeren Erhebungen geht hervor, dass die Hälfte aller Familien nichts für die Altersversorgung zurückgelegt hat und dass nicht einmal die Amerikaner, die älter als 55 sind, finanziell für ihre Rentenjahre vorgesorgt haben. Präsident Barack Obama sicherte seine Unterstützung für eine großzügige Erhöhung der Leistungen für gegenwärtige und zukünftige Bezieher von staatlicher Rente und anderen Einkommensbeihilfen zu. Die Zahl der über 65-jährigen US-Amerikaner wird sich zwischen heute und 2050 verdoppeln. Die Rentner sind nicht nur ein immer größerer Teil der Wählerschaft, sondern auch der mit der höchsten Wahlbeteiligung.

Die politisch aktiven Senioren von morgen werden politisch sehr viel weiter links stehen als die älteren Wähler von heute.

Wichtiger noch ist, dass die politisch aktiven Senioren von morgen politisch sehr viel weiter links stehen werden als die älteren Wähler von heute. Im vergangenen Jahrzehnt gehörten die älteren Wähler zu den Stammwählern der Republikaner und haben insbesondere bei den Zwischenwahlen immer eine große Rolle gespielt. Die Babyboomer, die während der Zeit von Kennedy, Johnson und Nixon volljährig wurden, gehören jedoch weit häufiger dem linken politischen Spektrum an als die älteren Jahrgänge.

Zudem wird die ethnische Diversität bei den zukünftigen über 65-Jährigen höher sein als bei den heutigen älteren Wählern. Für schwarze und lateinamerikanische Rentner spielen die staatliche Rentenversicherung und Medicare – Schlüsselelemente der Demokraten – eine wesentlich größere Rolle. Beispielsweise bestehen bei der Hälfte der über 65-Jährigen aus den ethnischen Minderheitsgruppen die Altersbezüge zu 90 Prozent aus staatlicher Rente, bei Weißen aber nur zu einem Drittel.

Die große Mehrheit der Wähler kennt und vertraut auf die staatliche Rente und Medicare. Mit der Alterung der Bevölkerung und der zu erwartenden zunehmenden wirtschaftlichen Unsicherheit wird daher jeder Versuch, diese Programme durch private Alternativen zu ersetzen, auf heftigen politischen Widerstand stoßen.

Wie würde ein neuer „New Deal“ für die neuen und unzufriedenen Wähler aussehen?

Zunächst einmal brauchen die Arbeitnehmer in der heutigen Wirtschaft eine umfangreiche und übertragbare Sozialversicherung. Das fängt mit der Gesundheitsversorgung an. Eine natürliche Weiterentwicklung von Obamas Krankenversicherungsgesetz (Obamacare) wäre die Bildung eines landesweiten Krankenversicherungssystems, bei dem sich Arbeitnehmer auch bundesstaatübergreifend versichern könnten und bei dem die Zentralregierung mit ihrer Kaufkraft niedrigere Preise für Gesundheitsdienste und -produkte aushandeln könnte. Ein US-weites Krankenversicherungssystem zusammen mit einer erweiterten Krankenversicherung für Ältere (Medicare) und Bedürftige (Medicaid) wäre zwar immer noch Stückwerk, aber doch eine effektive allgemeine Gesundheitsversorgung in den USA.

Amerikanische Arbeitnehmer, die mehr und mehr auf die staatliche Rente angewiesen sind und keinen Zugang zu einer privaten Altersversorgung haben, könnten von einer Erweiterung des neuen landesweiten Programms namens „myRA“ profitieren. Im Moment steht dieses Programm nur Arbeitnehmern zur Verfügung, denen keine betriebliche Altersvorsorge angeboten wird. Dieses Programm könnte zu einer obligatorischen Rentenversicherung werden, der alle Arbeitnehmer automatisch angehören und in die Arbeitgeber Beiträge in gleicher Höhe einzahlen. Das System könnte zum Teil durch den Wegfall von Steuerermäßigungen für private Altersvorsorge gegenfinanziert werden. Im Gegensatz zu den derzeitigen privaten Alterssicherungen ist myRA gebührenfrei. Der Arbeitnehmer ist auch bei einem Arbeitsplatzwechsel weiter rentenversichert, und das Programm wird vom US-Finanzministerium unterstützt. Das System würde nicht nur die Ersparnisse der privaten Haushalte erhöhen, sondern auch den Druck von den meisten Arbeitnehmern nehmen, die bei ihren Altersbezügen gegenwärtig vollkommen auf die staatliche Rente angewiesen sind.

Als nächstes könnte die Zentralregierung einige Maßnahmen ergreifen, um die Studiengebühren zu senken. Präsident Obama hatte versprochen, die ersten beiden Studienjahre von Gebühren zu befreien. Damit wollte er Familien helfen, für die eine Hochschulbildung nur schwer zu finanzieren ist. Mit ihrer Macht als größter Geldgeber von Finanzhilfen für Studenten könnte die Zentralregierung die Bundesstaaten dazu zu zwingen, wieder mehr in ihre öffentlichen Universitäten zu investieren, nachdem sie ihre Bildungsausgaben über Jahre gekürzt und stattdessen immer wieder die Studiengebühren erhöht hatten.

Und nicht zuletzt könnte die Zentralregierung auch ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen, bei dem jeder Erwachsene pro Jahr einen Scheck über 10.000 USD und jedes Kind 2.000 USD erhalten würde. Pläne dafür hatten die Konservativen schon in den 1970er-Jahren als Alternative zu den bestehenden Sozialhilfesystemen vorgelegt. Bei politischen Analytikern findet die Idee seit langem Anklang und in der Schweiz gab es kürzlich eine Volksabstimmung dazu. Da jeder in den Genuss dieses Grundeinkommens käme, könnte die Zentralregierung einig der bestehenden ineffektiven Sozialhilfemaßnahmen streichen und die nur den Reichen nützenden Steuererleichterungen drastisch kürzen – wie etwa die Ermäßigungen bei Hypothekenzinsen und Kapitalgewinnen.

Die große Herausforderung besteht natürlich darin, wie all das zu finanzieren ist. Die jüngeren Wähler wollen eine nationale Krankenversicherung und den Wegfall von Studiengebühren. Die älteren Wähler wollen das staatliche Rentensystem und Medicare erhalten. Schätzungen zufolge würden Sanders „College for All“ und sein Programm einer allgemeinen Krankenversicherung 33 Billionen USD kosten. Für die politischen Entscheidungsträger beider politischen Lager wird es schwierig werden, die Forderungen und Wünsche der jungen und älteren Wähler finanziell unter einen Hut zu bringen.

Der sinnfälligste Mechanismus zur Gegenfinanzierung dieser neuen Programme wäre eine Steuererhöhung für Wohlhabende, in deren Taschen der Großteil der Gewinne aus dem Wirtschaftswachstum der letzten vier Jahrzehnte floss. Ein deutlicher erster Schritt wäre die Streichung der mehr als eine Billion USD werten Steuererleichterungen, die hauptsächlich den Reichen zugutekommen und derzeit die Abgabenordnung durchlöchern. Ein anderer Vorschlag kommt vom Ökonomie-Nobelpreisträger Robert Shiller: Er will die Steuergesetze dahingehend ändern, dass eine Erhöhung der Einkommensungleichheit einen Anstieg des Spitzensteuersatzes nach sich zieht. Dieser Ansatz würde der Einkommensungleichheit nicht nur dadurch aktiv entgegenwirken, dass der Spitzensteuersatz in Abhängigkeit von der Kluft zwischen Arm und Reich festgesetzt wird, sondern auch dadurch, dass der Staat mehr Einnahmen hätte, mit denen er öffentliche Programme auflegen könnte, die den Armen und der Mittelschicht zugutekämen.

Allein mit Steuererhöhungen für die Reichen lassen sich die Kernprogramme des neuen „New Deal“ noch nicht finanzieren. Auch die Amerikaner aus der Mittel- und Arbeiterschicht, deren Einkommen- oder Lohnsteuer seit Jahrzehnten immer weiter gesenkt wurde, müssten wieder mehr Steuern berappen. Das würde zwangsläufig zu politischem Widerstand führen. Die Lösung könnte vielleicht in einer neuen Verbrauchssteuer liegen, die zwar regressiv, aber für die Öffentlichkeit nicht so offensichtlich wäre. Im Gegenzug könnten weitere Einkommensteuersenkungen gewährt werden. In welcher Form die Steuererhöhungen auch daherkommen, aus neueren Umfragen geht hervor, dass die meisten Wähler die Forderungen in ihren Steuerbescheiden nicht als zu hohe Belastung empfinden.

In einigen Kreisen wird ein neuer „New Deal“ mit Sicherheit auf Widerspruch stoßen, und er wäre auch nicht über Nacht durchzusetzen. Da aber der Anteil an jüngeren, ethnisch diverseren und linken Wählern sich anschickt, die Mehrheit in der Wählerschaft zu werden, und da sich immer mehr Amerikaner mit der Arbeiterschicht assoziieren, müssen die politischen Entscheidungsträger allmählich auf die Forderungen dieser Menschen nach wirtschaftlicher Gerechtigkeit, Einkommenssicherheit und tragfähigerer sozialer Absicherung reagieren.