Der im Dezember 2016 verabschiedete Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte setzt darauf, dass Unternehmen sich freiwillig um ihre menschenrechtlichen Risiken kümmern. Die Bundesregierung bekräftigt die diesbezügliche Verantwortung und äußert die Erwartung, dass alle deutschen Unternehmen menschenrechtliche Sorgfaltsverfahren einführen. Der Umsetzungsstand soll stichprobenhaft überprüft werden, ein Ausschluss aus der staatlichen Förderung oder andere Sanktionen für untätige Unternehmen sind aber vorerst nicht geplant.

Stattdessen will man die Unternehmen über freiwillige Programme animieren: Beratungsstellen und Schulungsangebote werden ausgebaut, und durch einen branchenübergreifenden Konsens bei der „Corporate Social Responsibility“ (CSR) und Brancheninitiativen sollen die Anforderungen an die Unternehmensverantwortung mit Unternehmen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) konkretisiert und gemeinsame Ziele vereinbart werden.

Gibt es tatsächlich Anhaltspunkte dafür, dass freiwillige Unternehmensverantwortung funktioniert? Alle bisherigen Untersuchungen deuten in eine andere Richtung.

Die Bundesregierung vermittelt mit dieser Herangehensweise den Eindruck, dass deutsche Unternehmen durchaus willens seien, ihrer Verantwortung nachzukommen. Es fehle lediglich an Informationen, Unterstützungsangeboten und gemeinsamen Konkretisierungen. Doch gibt es tatsächlich Anhaltspunkte dafür, dass freiwillige Unternehmensverantwortung und Selbstregulierungsinitiativen funktionieren? Alle bisherigen Untersuchungen deuten in eine andere Richtung.

Eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie untersuchte im Jahr 2013 in 17 Ländern, welche Wirkung freiwillige CSR-Maßnahmen von Unternehmen haben. Ganz konkret wurden hier insbesondere die beiden Bereiche Umwelt- und Arbeitsstandards unter die Lupe genommen. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die positive Wirkung von CSR-Aktivitäten sehr gering ist. Aktivitäten seien vor allem dort erkennbar, wo eine hohe Regelungsdichte besteht, wie beispielsweise bei der Chemikaliennutzung oder der Arbeitssicherheit. Insgesamt kommt die Studie daher auch zu der sehr klaren Empfehlung, dass mehr Regulierung wünschenswert und zielführend sei.

Dies bestätigt auch die vielfach kritisierte Dodd-Frank-Regelung aus den USA zu Konfliktmineralien. Obwohl schon seit vielen Jahren bekannt war, dass der Abbau bestimmter Mineralien in der Demokratischen Republik Kongo zur Finanzierung von Konflikten beitrug, kam erst im Jahr 2010 mit Verabschiedung der gesetzlichen Vorgabe zur Offenlegung der Lieferkette Bewegung in die Unternehmen. Eine ganze Reihe von Transparenzinitiativen und Zertifizierungen entstand daraufhin, die den Handel mit Erzen aus dem Kongo transparent machen sollen.

Nur die wenigsten der Dax-30-Unternehmen analysieren Risiken systematisch oder führen effektive Maßnahmen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen durch.

Mittlerweile geben zwar in Deutschland die meisten großen deutschen Unternehmen vor, auf Arbeitsschutz und Menschenrechte in ihren Lieferketten zu achten. Die Programme kratzen oft aber nur an der Oberfläche. Im Jahr 2014 befragten Germanwatch und Misereor die Dax-30-Unternehmen nach ihren menschenrechtlichen Sorgfaltsverfahren. Sie stellten fest, dass nur die wenigsten Unternehmen systematisch und regelmäßig Risiken analysieren oder effektive Maßnahmen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen durchführen. Viele Unternehmen lassen es dabei bewenden, die Verantwortung durch entsprechende Vertragsklauseln auf die Lieferanten abzuwälzen, ohne in den Blick zu nehmen, dass sie mit den Preisen und Lieferfristen nicht unerheblich die Bedingungen für die Zulieferbetriebe diktieren. Oft verweisen die Unternehmen auch auf Sozial-Audits, die in den Fabriken oder im Bergbau durchgeführt wurden, wissen aber eigentlich selber, dass diese Bescheinigungen oft gekauft und wenig aussagekräftig sind.

Mehr Qualität und Verbindlichkeit will die Bundesregierung daher mit Initiativen wie dem Textilbündnis und weiteren Branchendialogen schaffen, in denen überprüfbare Ziele und Indikatoren vereinbart werden. Das Textilbündnis ist ein Projekt des Bundesministeriums für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit und bringt deutsche Textilunternehmen, Gewerkschaften und NGOs zusammen, um konkrete Vereinbarungen zur Verbesserung der Lebens- und Umweltbedingungen vom Baumwollanbau bis zur Textilfabrik zu treffen.

Zwei Jahre nach der Gründung hat das Bündnis sich Ende 2016 auf Kernfragen und Indikatoren geeinigt. Die Mitglieder können sich nun einzelne Ziele für ihre persönliche „Roadmap“ aussuchen. Einen verbindlichen Mindeststandard für alle gibt es nicht. Eine Veröffentlichung der individuellen Ziele ist im ersten Jahr nicht verpflichtend. Über die Form der Überprüfung und die Veröffentlichung der Prüfberichte ist noch keine Einigung erzielt worden, Sanktionen gibt es neben einem möglichen Ausschluss keine. Noch können keinerlei Aussagen darüber getroffen werden, ob das Textilbündnis Verbesserungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlang der Lieferkette bewirken wird. Die Gefahr solcher Dialogprozesse besteht jedoch darin, dass unter erheblichem Ressourcenaufwand seitens der beteiligten NGOs individuelle Ziele vereinbart werden, die unterhalb bereits bestehender internationaler Anforderungen liegen und gleichzeitig keine ausreichende Transparenz für die Überprüfbarkeit hergestellt wird.

Wenig verwunderlich: Unternehmen sind letztlich nur dann zu Veränderungen ihrer Geschäftspraxis bereit, wenn dies finanzielle Vorteile für sie hat.

Auch wenn man sich die Auswertungen ähnlicher Vereinbarungen anschaut, scheint es äußerst zweifelhaft, ob solche Initiativen den Unternehmen ausreichend Anreiz zur Änderung ihrer Geschäftspraxis bieten. In einer ausführlichen Auswertung des „Roundtable on Sustainable Palm Oil“ zeigt Brot für die Welt erhebliche Schwächen dieser Multistakeholder-Initiative auf, sowohl bei der inhaltlichen Reichweite der Kriterien als auch bei der Überprüfung. Im Jahr 2015 hat die „Royal Society for the Protection of Birds“ 161 Selbstregulierungsansätze aus allen Lebensbereichen untersucht. Ob zur Reduzierung von Treibhausgasen in Kanada, zur aggressiven Vermarktung von Medikamenten in Schweden oder zum Schutz von Albatrossen in Neuseeland: In 80 Prozent der Fälle seien die freiwilligen Vereinbarungen gescheitert, weil die gesteckten Ziele nicht erreicht wurden oder sich nur sehr wenige Unternehmen angeschlossen haben. Mindestvoraussetzung seien klar definierte, überprüfbare Ziele, eine unabhängige Überprüfung und eine transparente Berichterstattung. Vor allem aber kommt die Studie zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass Unternehmen letztlich nur dann zu Veränderungen ihrer Geschäftspraxis bereit sind, wenn dies finanzielle Vorteile für sie hat. Freiwillige Initiativen funktionieren demnach insbesondere dann, wenn es klare Anreize, beispielsweise Steuererleichterungen gibt oder wenn sie mit gesetzlichen Vorgaben kombiniert werden.

Anstatt ordnungspolitische Fragen in sogenannten Multi-Akteurs-Partnerschaften verhandeln zu lassen, sollte die Bundesregierung sich daher wieder auf ihre ureigene Aufgabe besinnen, verbindliche Rahmenbedingungen für die Einhaltung der Menschenrechte zu schaffen. Wie das aussehen kann, zeigt Frankreich: Dort wird im Februar 2017 ein Gesetz verabschiedet werden, das die großen französischen Unternehmen verpflichtet, menschenrechtliche Risiken zu verhindern, auch bei ihren Tochterunternehmen und wichtigen Vertragspartnern.