In dieser Woche findet die nächste Gesprächsrunde der Verhandlungen über das iranische Atomprogramm in Genf statt. Die Chancen auf ein Abkommen zwischen den E3 + 3 und Iran stehen seit der Wiederaufnahme der Gespräche nach der Amtsübernahme von Präsident Rouhani unerwartet gut. Eine zeitweise Aussetzung und strikte Kontrollen des iranischen Nuklearprogramms würden begleitet von einer schrittweisen Rückführung des internationalen Sanktionsregimes und weiteren Verhandlungen über eine dauerhafte Regelung. Trotz massiven israelischen Widerstands gegen die aktuell im Raum stehende vorläufige Regelung wäre eine erfolgreiche Übereinkunft und eine Annäherung zwischen dem Westen und Iran die beste aller Alternativen. Weshalb? Hier sind fünf Gründe:

Erstens: Ein Abkommen stärkt den Nichtverbreitungsvertrag und eine regionale Sicherheitsarchitektur. Irans Einbindung in ein strikteres Kontrollsystem des Nuklearprogramms  bedeutet eine Stärkung des Nichtverbreitungsvertrags sowie möglicher Initiativen über eine regionale Sicherheitsarchitektur und Abrüstung. Das gilt auch für die Initiative für eine massenvernichtungswaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten. Die Einigung zwischen Iran und den E3+3 könnte frischen Wind bringen in Initiativen für eine langfristige Sicherheitsarchitektur in der gesamten Region – inklusive Israel.

Irans Einbindung in ein strikteres Kontrollsystem des Nuklearprogramms  bedeutet eine Stärkung des Nichtverbreitungsvertrags sowie möglicher Initiativen über eine regionale Sicherheitsarchitektur und Abrüstung.

Zweitens:Ein Abkommen erhöht und vereinfacht Möglichkeiten zur Kooperation in wichtigen anderen Politikbereichen, in denen sich Interessen decken. So etwa in der Bekämpfung des Drogenhandels und der Stabilisierung der iranischen Nachbarländer Afghanistan und Irak. Mit seinem Einfluss in Syrien kann Iran auch dazu beitragen, dass eine Übergangslösung nach Assad mittelfristig möglich wird. Auch diesbezüglich löst ein Abkommen nicht über Nacht alle Probleme. Aber eine Einigung im Atomstreit kann dazu beitragen, dass Iran Syrien betreffend eine auch aus westlicher Perspektive konstruktivere Rolle als bisher einnimmt. Sowohl der Westen als auch Iran haben kein Interesse daran, dass radikale, Al-Qaida-nahe sunnitische oder salafistische Gruppierungen weiter an Einfluss in Syrien gewinnen.

Ein Abkommen erhöht und vereinfacht Möglichkeiten zur Kooperation in wichtigen anderen Politikbereichen, in denen sich Interessen decken.

Drittens: Eine militärische Option verfehlt ihren Zweck und ist längst keine realistische Alternative mehr – so sie es denn je war. Sicherheitspolitisch ist ein Angriff auf iranische Atomanlagen schon lange keine Alternative mehr.  Das Atomprogramm ist militärisch nicht mehr völlig aus der Welt zu schaffen. Die Auswirkungen eines Angriffs wären vor allem für den Westen ein Desaster: Unvorhersehbare regionale Auswirkungen,  ein Austritt Irans aus dem Nichtverbreitungsvertrag sowie die Fortführung des Atomprogramms im Geheimen.  Ein Angriff auf den Iran würde das bereits jetzt schwierige Verhältnis zwischen Iran und dem Westen auf Jahrzehnte hinweg jeglicher Chancen auf Annäherung berauben und den momentan in Iran am Rande stehenden politischen und religiösen Hardlinern erneut dauerhaften Auftrieb verschaffen. Den erlangen  sie derzeit aus eigener Kraft nicht mehr.

Eine militärische Option verfehlt ihren Zweck und ist längst keine realistische Alternative mehr – so sie es denn je war.

Viertens: Das Potential der Beziehungen zwischen der EU und Iran ist endlich verfügbar. Ein Abkommen zwischen den E3+3 und Iran kann die gesamten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der EU sowie Deutschlands mit Iran auf eine angemessene Grundlage mit vielfältigen Kooperationsmöglichkeiten stellen. Iran ist weltweit der zweitgrößte Gas- und der viertgrößte Erdölproduzent, das Land verfügt über eine sehr gut ausgebildete Jugend und einen Markt von über 70 Millionen Menschen, deren jüngere Generation wie keine zweite in der Region offen ist für westliche Werte und Kultur. Eine Einigung im Atomstreit ist notwendig, damit Iran und die EU ihre Beziehungen auf das Niveau heben können, das dem vorhandenen Potential entspricht.

Fünftens: Der Iran als neuer regionaler Partner. Mit einer dauerhaften Regelung des Atomstreits kommt Iran für den Westen als (alter) neuer strategisch wichtiger Partner in der Region in Frage. Bereits jetzt bestehen außenpolitisch in der Region teils deckungsgleiche Interessen und auch mit Blick auf die in Iran – auch während der Islamischen Republik weiter bestehenden – von westlicher Philosophie, Geschichte und Kultur mitgeprägte Lehr- und Intellektuellentradition wird deutlich, dass den Westen und Iran weniger trennt als gemeinhin angenommen.

Bestehende politische Differenzen – etwa in Bezug auf Israel – werden damit nicht klein geredet. Aber der Iran steht dem Westen in vielerlei Hinsicht näher als manch anderes aktuelles Partnerland auf der arabischen Halbinsel.

Bestehende politische Differenzen – etwa in Bezug auf Israel – werden damit nicht klein geredet. Aber der Iran steht dem Westen in vielerlei Hinsicht näher als manch anderes aktuelles Partnerland auf der arabischen Halbinsel. Derer sind manche politisch wie religiös weitaus konservativer geprägt als Iran und betreiben eine durchaus fragwürdige Außenpolitik, etwa mit Blick auf die Unterstützung radikaler, teils Al Qaida nahe stehender Gruppierungen in der Region.

Ein Abkommen im Atomstreit kann die politischen Parameter in der gesamten Region für den Westen und Iran positiv verändern. Eine pragmatisch und konziliant agierende Islamische Republik, deren Nuklearprogramm unter strenger internationaler Kontrolle steht, kann eine positive Entwicklung für die gesamte Region mit sich bringen. Die Chance hierfür ist jetzt greifbar wie selten zuvor!