Es ist ein goldenes Jubiläum: Anfang März feierten Australien und der Verbund Südostasiatischer Nationen (ASEAN) mit einem Sondergipfel das 50-jährige Bestehen ihrer diplomatischen Beziehungen. Auch wenn Australien der älteste Partner des ASEAN ist, war und ist die Partnerschaft zwischen ihnen nicht immer problemlos. Australiens Beteiligung am Quadrilateralen Sicherheitsdialog (Quad) mit Indien, Japan und den USA sowie seine Ankündigung des AUKUS-Sicherheitspakts mit den USA und Großbritannien stießen in der Region auf gemischte Reaktionen. Auch Menschenrechtsfragen wurden zu einer Belastung in der Beziehung, wie in der umstrittenen Rede des philippinischen Präsidenten Marcos Jr. vor dem australischen Parlament deutlich wurde. Nichtsdestotrotz scheinen die Beziehungen zwischen den beiden immer enger zu werden – durch eine Reihe neuer Vereinbarungen über eine Vertiefung der Zusammenarbeit in den Bereichen Handel, erneuerbare Energie und maritime Sicherheit.

Die Verbindungen der Europäischen Union zum ASEAN sind fast so alt wie die Australiens – ihre diplomatischen Beziehungen wurden 1977 aufgenommen. Und doch wirkt die Partnerschaft zwischen den beiden Staatengemeinschaften nach wie vor halbherzig – das Potenzial dieser Partnerschaft kommt nicht voll zur Geltung.

Andere an einer Zusammenarbeit mit ASEAN interessierte Länder wie China, Japan und Indien wetteifern um Einfluss in Südostasien.

Angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen und geopolitischen Bedeutung von Südostasien ist dieses ungenutzte Potenzial ein Problem. Beide regionalen Organisationen haben wichtige gemeinsame strategische Interessen, da sie sich beide für eine inklusive multilaterale Ordnung einsetzen und nicht in die Rivalitäten zwischen den USA und China verstrickt werden wollen. Diese Beziehung hat auch ein beträchtliches wirtschaftliches Potenzial, da Südostasien (als Block) Prognosen zufolge bis 2040 zur viertgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen wird. Aber andere an einer Zusammenarbeit mit ASEAN interessierte Länder wie China, Japan und Indien wetteifern um Einfluss in Südostasien und untergraben dabei langsam, aber sicher den Vorteil Europas als einem der ersten Investoren des ASEAN.

Die politisch Verantwortlichen der EU sollten daher vom australischen Ansatz lernen. Der Schlüssel zu einer stärkeren Zusammenarbeit mit dem ASEAN liegt darin, die Organisation – und ihre Einschränkungen – besser zu verstehen. Canberra hat ein deutliches Zeichen für sein Engagement in der regionalen Beziehung gesetzt, gemeinsame Ziele in die Tat umgesetzt und die Einschränkungen des ASEAN erfolgreich umschifft.

Der diplomatische Ansatz des ASEAN stützt sich sehr auf Dialog und persönliche Beziehungen.

Der diplomatische Ansatz des ASEAN stützt sich sehr auf Dialog und persönliche Beziehungen. Australiens kontinuierliches Engagement auf höchster Ebene war deshalb ein entscheidender Schritt für die Vertrauensbildung in der Partnerschaft. Die Regierung von Premierminister Anthony Albanese war mit dem Wahlversprechen angetreten, die Zusammenarbeit mit Südostasien zu intensivieren. Das ist zwar keine neue Priorität in der australischen Außenpolitik, aber die Regierung hat der Beziehung mittels konzertierter diplomatischer Bemühungen eine neue Dringlichkeit verliehen.

Die Ernennung der malaiisch sprechenden Penny Wong zur Außenministerin sowie ausgedehnte Reisen von politisch Verantwortlichen auf Regierungs- und Ministerebene durch die gesamte Region unterstrich Canberras politischen Willen. Albaneses Reise auf die Philippinen im vergangenen Jahr war der erste Besuch eines australischen Premierministers in dem Land seit 20 Jahren. Zu den weiteren bemerkenswerten Erfolgen gehören eine umfangreiche Partnerschaftsvereinbarung mit Laos, ein neues Verteidigungsabkommen mit Osttimor sowie die Verbesserung der diplomatischen Beziehungen zu Vietnam, den Philippinen und Brunei. Die Ausrichtung des ASEAN-Sondergipfels vom 4. bis 6. März in Melbourne markierte den Höhepunkt dieser Bemühungen.

Europa muss seine Anstrengungen intensivieren und aufrechterhalten.

Das Beispiel Australiens zeigt, dass Europa sein Engagement für eine Zusammenarbeit mit dem ASEAN steigern kann. Eine Zunahme an Aktivitäten wie der Besuch der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf den Philippinen oder die beiden Ministertagungen von EU-ASEAN und EU-Indopazifik im Februar sind ein guter Anfang. Angesichts des großen Stellenwerts, den Dialog und persönliches Engagement für den ASEAN hat, schwächt die Abwesenheit von Schlüsselfiguren wie dem französischen Außenminister und der deutschen Außenministerin bei wichtigen multilateralen Sitzungen allerdings den Versuch, die bilateralen Beziehungen zu stärken. Europa muss seine Anstrengungen intensivieren und aufrechterhalten, um die Beziehungen zwischen den Staatengemeinschaften auszubauen.

Australien konnte zudem seine Beziehungen zu der Region stärken, indem es eine klare Kooperationsagenda aufstellte und dabei seine politischen Maßnahmen sorgfältig den Bedürfnissen der Region anpasste. Letztes Jahr gab das Land eine Wirtschaftsstrategie für die Zusammenarbeit mit Südostasien heraus und kündigte auf dem Sondergipfel die Einrichtung einer Investitionsfazilität mit zwei Milliarden Australischen Dollar an, umgerechnet mehr als 1,2 Milliarden Euro. Das ist nicht nur ein klarer Strategieplan für die Förderung von Handel und Investitionen in beide Richtungen, sondern auch ein wichtiger Schritt für den ASEAN, deren Mitglieder ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von China verringern wollen. Gleichzeitig sind diese Maßnahmen eine sofortige Lösung für Finanzierungslücken in Bereichen wie der Energiewende und unterstreichen damit Australiens Engagement, seinen Partnern zuzuhören und gezielt zu helfen.

In Südostasien herrscht Skepsis darüber, ob die EU in der Lage ist, wichtige und grundsätzliche Zusagen zum Wohl der Region tatsächlich in konkrete Initiativen umzusetzen.

Im Gegensatz dazu herrscht in Südostasien Skepsis darüber, ob die EU in der Lage ist, wichtige und grundsätzliche Zusagen zum Wohl der Region tatsächlich in konkrete Initiativen umzusetzen. Auf dem EU-ASEAN-Jubiläumsgipfel im Jahr 2022 sagte die EU beispielsweise Hilfen in Höhe von zehn Milliarden Euro für Konnektivitätsprojekte in der Region zu. Zwei Jahre später muss immer noch über die Hälfte des Betrags mobilisiert werden. Streitigkeiten mit Malaysia und Indonesien über die EU-Verordnungen zu Biodiesel und Drohungen, anderen ASEAN-Mitgliedstaaten wegen Menschenrechtsverletzungen Handelsprivilegien zu entziehen, haben die ambivalente Haltung mancher ASEAN-Staaten gegenüber Brüssel noch intensiviert.

Die EU wird derzeit in erster Linie als normativer Akteur und Kooperationspartner bei den neueren Sicherheitsbedrohungen wie Klimawandel angesehen und weniger als „dritter Weg“ inmitten der Rivalität zwischen den USA und China im indopazifischen Raum. Der Krieg in der Ukraine hat die Wahrnehmung verstärkt, dass Europa gerade durch seine unmittelbare Nachbarschaft abgelenkt ist und der EU die enge Zusammenarbeit mit den USA wichtiger ist als eine strategische Autonomie im Indopazifik. Um seine Glaubwürdigkeit als Partner für den ASEAN zu erhöhen, muss Europa daher seinen Grundsätzen unbedingt auch substanzielle Taten folgen lassen.

Sowohl Canberras als auch Brüssels diplomatischer Ansatz mit dem ASEAN ist durch die Verpflichtung des Staatenbunds zu Nichteinmischung und zum Konsensprinzip geprägt. Die auf dem Sondergipfel in Melbourne verabschiedete Erklärung veranschaulicht die Einschränkungen. Einem Vorentwurf war zu entnehmen, dass Australien eine starke Haltung der Regierungen gegen das Eindringen Chinas in umstrittene Teile des Südchinesischen Meers anstrebte, einschließlich Hinweisen auf den Schiedsspruch von 2016, der Chinas Ansprüche auf Seegebiete zurückgewiesen hatte. Ein zu starkes Drängen hätte jedoch das Ziel der Vertrauensbildung in der Partnerschaft untergraben. Aufgrund der verschiedenen geopolitischen Ausrichtungen innerhalb des ASEAN fiel die Abschlusserklärung dann sehr viel moderater aus – selbst als während des Gipfeltreffens ein chinesisches Schiff am Second Thomas Shoal mit einem philippinischen Versorgungsschiff zusammenstieß.

Genau wie Australien muss auch die EU geopolitische Divergenzen mit dem ASEAN umschiffen. Die politisch Verantwortlichen der EU würden es begrüßen, wenn der ASEAN den russischen Überfall auf die Ukraine schärfer verurteilen würde, aber die ASEAN-Mitgliedstaaten sind in ihren Haltungen zum Krieg nach wie vor gespalten. Einige ASEAN-Regierungen haben dagegen von den politisch Verantwortlichen der EU gefordert, konsequenter für die Einhaltung des Völkerrechts und der Menschenrechte in Palästina einzutreten. Für die Beziehung zwischen den Staatengemeinschaften wird es eine entscheidende Rolle spielen, wie diese Differenzen überwunden werden können. Die EU und der ASEAN funktionieren unterschiedlich, wobei der ASEAN in seinen Handlungsmöglichkeiten eingeschränkter ist. Deshalb ist es unabdingbar, eine gemeinsame Basis zu finden und sich auf das zu konzentrieren, was möglich ist, um die gemeinsamen Grundsätze wie Multilateralismus und die auf festen Regeln beruhende Weltordnung zu schützen.