Die Wirkung der UN-Sanktionen gegen Nordkorea erweist sich trotz – oder vielleicht wegen – der Drohgebärden von US Präsident Donald Trump und des seit 1950 eskalierenden Wirtschaftskriegs der USA als erstaunlich dürftig. Die Zwangsmaßnahmen der UN, die ohne militärischen Eingriff, aber im Einklang mit multilateraler Diplomatie Frieden und Sicherheit garantieren sollten, können unter Trumps undiplomatischem Getöse ihre Wirkung nicht entfalten. Laut dem Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses des US-Senats, Bob Corker, treibt der US Präsident sogar, statt situationsgerecht die Sanktionsschrauben anzuziehen, die „USA in einen Dritten Weltkrieg“. Typisch für Washingtons überhandnehmende Laiendiplomatie ist, dass Corker selbst, wahrscheinlich unabsichtlich, mit seinen Äußerungen der Führung  in Pjöngjang die Risiken einer frühzeitigen Aufgabe ihrer nuklearen Ambitionen aufgezeigt hat.

Diese naive Vehemenz ist allerdings weder der einzige Fehler der Sanktionspolitiker, noch ein allein amerikanischer. Immer wieder haben politische und wirtschaftliche Faktoren die Nordkorea-Sanktionen der UN seit ihrem Beginn im Dezember 2006 untergraben. Diese Faktoren sind dem politischen Wankelmut vieler Entscheidungsträger geschuldet. Weil die westlichen Großmächte UN-Sanktionen oft ihren nationalen Interessen unterordneten, behinderten China und Russland deren Umsetzung und signalisierten damit Sanktionsskeptikern, dass auch sie kostenfrei die Maßnahmen ignorieren könnten.

So bröckelte die Umsetzung stetig, und besonders die theoretisch stärksten Maßnahmen, die Finanzrestriktionen, verloren ihre Zwangswirkung, weil sie in sehr unterschiedlichem Maß durchgesetzt wurden. Darüber hinaus verwässern erhebliche Deutungsunterschiede der zuständigen Mitgliedsstaaten und des privaten Sektors die Sanktionen. Der Sicherheitsrat selbst reagiert inkonsistent auf die Verletzung internationaler Gesetze: Mit wenigen Ausnahmen werden gegen jeden, der an der Finanzierung von terroristischen Organisationen beteiligt ist, Sanktionen verhängt. Bei der absichtlichen oder unabsichtlichen Finanzierung von zwischen- oder innerstaatlichen Konflikten geschieht dies jedoch nicht.

Obwohl das Verantwortungsprinzip vom Menschenrechtsrat angenommen wurde, ist kein einziger Fall bekannt, bei dem Anleger gegen Sanktionsvergehen ihrer Unternehmen einschritten.

Zwar schützen sich Banken, eine wichtige Untergruppe potenzieller Finanziers von Sanktionsbrechern, seit langem mit der KYC-Verpflichtung ihrer Branche (Know Your Customer) gegen Verstrickungen in Verbrechen und Geldwäscherei. Aber wenn es um UN-Sanktionen außerhalb der Terrorismusbekämpfung geht, wird die Umsetzungspraxis vieler Banken aalglatt.

Noch problematischer steht es um die Ausübung der Eigentümerverantwortung institutioneller Anleger. Dank milliardenschwerer Aktienanteile an börsengehandelten Unternehmen in aller Welt könnten sie eigentlich besonders großen Einfluss ausüben. Konfliktsensible Praktiken sind immerhin Teil der weithin akzeptierten 31 UN-Leitprinzipien, die John Ruggie als UN-Sonderbeauftragter für Unternehmen und Menschenrechte unter dem Titel “Protect, Respect and Remedy” (Schützen, Respektieren, Wiedergutmachen) formulierte. Obwohl dieses Verantwortungsprinzip 2011 vom Menschenrechtsrat angenommen wurde, ist kein einziger Fall bekannt, bei dem Anleger gegen Sanktionsvergehen ihrer Unternehmen einschritten.

Vielleicht reflektiert diese Lethargie der Anleger in ihrem pragmatischen Eigennutz nur die Zerrissenheit der Sanktionspolitiker. Sanktionen werden zwar ziemlich regelmäßig gegen diejenigen verhängt, die terroristische Organisationen finanzieren. Aber Finanziers zwischenstaatlicher und innerstaatlicher Konflikte werden selten belangt. Zu dieser Inkonsistenz gehört auch, dass Empfänger illegaler Waffenlieferungen wesentlich häufiger mit Vermögenssperren und Reiseverboten belegt werden als ihre Lieferanten, die oft noch umfangreicher die UN-Waffenembargos verletzen. Ähnlich einseitig verhält es sich mit Rohstoffhändlern. Diamantenverkäufer, die während der 1990er Jahre die Bürgerkriege Angolas und Sierra Leones mitfinanzierten, wurden mit Sanktionen bestraft. Die Ankäufer der Blutdiamanten in der belgischen Diamantenmetropole Antwerpen kamen ungeschoren davon. Ebenso ging es liberianischen Holzunternehmern, die dem Regime ihres demokratisch gewählten Präsidenten Charles Taylor (der später für Kriegsverbrechen verurteilt wurde) Steuern zahlten. Sie wurden sanktioniert. Die in Liberia tätigen Kautschukplantagen von Firestone oder die Auto- und Lebensmittelimporteure, die ebenfalls Steuern zahlten, wurden dagegen von den UN nie ernsthaft für die Verhängung von Sanktionen in Betracht gezogen.

Zu dieser Inkonsistenz gehört auch, dass Empfänger illegaler Waffenlieferungen wesentlich häufiger mit Vermögenssperren und Reiseverboten belegt werden als ihre Lieferanten.

Weitere Beispiele gibt es im Fall Nordkorea: Die A.M.M. Middle East General Trading Company aus Dubai  schickte am 6. März 2015 eine Quittung über 1,4 Millionen Dollar für den Verkauf von Goldbarren und Schmuck an den nordkoreanischen Diplomaten Son Young-Nam. Es ist unbestritten, dass dieser Goldhandel indirekt zur Finanzierung des nordkoreanischen Programms für Massenvernichtungswaffen beigetragen hat. Dennoch haben die Sicherheitsratsdelegationen des Sanktionsausschusses den Goldverkäufer aus Dubai nicht sanktioniert.

Auch für die Lieferung eines P-750 XSTOL-Flugzeugs samt Ersatzteilen an Nordkorea wurden keine Sanktionen verhängt, obwohl dies einen Verstoß gegen das Verbot der Lieferung von  Luxusartikeln an Nordkorea darstellt. Weder der chinesische Verkäufer, der neuseeländische Hersteller, noch die Banken, die die Transaktionen abwickelten, werden UN-Sanktionen unterworfen.

Nicht zu Unrecht erwecken all diese Beispiele den Eindruck bei vielen UN-Mitgliedsländern, Unternehmen und Großinvestoren, dass Sanktionsresolutionen Papiertiger sind, die man mit Lippenbekenntnissen füttern kann.