Es ist unbestritten, dass die Spirale aus Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise in vielen Ländern der Eurozone und der Europäischen Union zu erheblichen Problemen geführt hat, die längst schon nicht mehr nur währungs- und wirtschaftspolitischer Natur sind.

Bei der Suche nach Lösungen zur Bewältigung der Krise wurden einseitige Sparmaßnahmen zu Lasten der Sozialsysteme und damit großer Teile der Bevölkerung ergriffen. Statt die Verursacher der Krise auch an der Bewältigung der Folgen zu beteiligen, spüren vor allem die sozial Schwachen die Auswirkungen. Damit können die Ursachen dieser Krisen und somit auch deren Erscheinungsformen und Folgen nicht bekämpft werden. Vielmehr erfahren sie Verschärfungen. Die Sparpolitik in der EU führt dazu, dass insbesondere die nationalen sozialen Sicherungssysteme massiv in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigt sind.

Die Umsetzung der Kürzungsvorgaben verletzt zudem demokratische Grundsätze und Menschenrechte.

Die Umsetzung der Kürzungsvorgaben verletzt zudem demokratische Grundsätze und Menschenrechte und gefährden somit ernsthaft das „Projekt Europa“ und den sozialen Frieden. Dies zeigt sich derzeit besonders am Beispiel einiger südeuropäischer Mitgliedstaaten. Deren „Staatsschuldenkrise“ ist auch Folge der öffentlich finanzierten Bankenrettung. Die Inanspruchnahme des „Euro-Rettungsschirms“ ist mit strengen Sparvorgaben verbunden, die Wirtschaft und Arbeitsmarkt dieser Staaten direkt beeinflussen und soziale Sicherungssysteme zerstören. Dabei sind insbesondere die Menschen, die auf Arbeit und einen funktionsfähigen Sozialstaat angewiesen sind, von den Auswirkungen der Krise betroffen.

Sozial- statt Sparpolitik

Sparpolitik ist keine Lösung! Vielmehr muss der Fokus einer zukunftsfähigen und nachhaltigen europäischen Politik auf das gerichtet werden, was Gesellschaften befähigt, mit einer komplexen und ungewissen Umwelt umzugehen, Krisen zu bewältigen und Wohlstand für alle zu entwickeln.

Der Schlüssel zur Bewältigung ist dabei nach Meinung des Sozialverbands Deutschland (SoVD) ein Kurswechsel hin zu einem sozialen Europa mit solidarischen Krisenlösungen, mehr Transparenz und Demokratie sowie einem sozial ausgewogenen Wirtschafts- und Sozialprogramm. Aus Sicht des SoVD muss die konkrete Ausgestaltung der Sozialpolitik weiterhin Kernkompetenz der Nationalstaaten bleiben.

Die Strategie Europa 2020 muss sozial ausgerichtet und vor allem mit Leben gefüllt werden. Nicht Wettbewerbsfähigkeit und der Markt sollten im Mittelpunkt stehen, sondern Nachhaltigkeit, Solidarität, Kohäsion und Gleichberechtigung. Wirtschaftliches Wachstum, quantitativ und qualitativ ausreichende Beschäftigung sowie soziale Verantwortung müssen als gleichrangig erkannt  und anerkannt werden. Dabei sind der Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit, Armut und Ausgrenzung, der Ausbau sozialer Sicherungssysteme, eine gerechte Bildungs-, Teilhabe- und Inklusionspolitik und die Erhöhung  von Lebensstandard und Mindestlöhnen in allen Mitgliedstaaten Bereiche, in denen ein ständiger Erfahrungsaustausch sinnvoll und notwendig ist.

Europa braucht einen neuen Marshallplan

Mit dem Fiskalpakt haben sich die unterzeichnenden Mitgliedstaaten weiter zu einer rigorosen Sparpolitik und nahezu ausgeglichenen öffentlichen Haushalten verpflichtet. Weitere  Kürzungen in den nationalen sozialen Sicherungssystemen und bei den Einrichtungen und Leistungen der Daseinsvorsorge sind unvermeidbar.

Auch eine Kreditfinanzierung kann zweckmäßig und notwendig sein.

Dabei steht fest, dass rigorose Kürzungen in wesentlichen Wirtschafts- und Sozialbereichen  die weiteren Entwicklungsperspektiven der Mitgliedsländer  bremsen und damit  die Zukunft der Menschen sowie die Integration in Europa gefährden. Erforderlich sind vielmehr öffentliche Ausgaben für einen umfassenden „Marshallplan" (wie zum Beispiel der Marshallplan des DGB) für wirtschaftliche Entwicklung, Beschäftigung, Bildung und Ausbildung. Dabei kann auch eine Kreditfinanzierung zweckmäßig und notwendig sein.

Die bitteren Folgen einer weiteren rigorosen und einseitigen Kürzungspolitik sind sinkende Steuereinnahmen, sinkende Einnahmen aus Erwerbseinkommen, ein geringeres Beitragsaufkommen bei den Sozialversicherungen und damit das Verspielen der Zukunft für uns und die nachkommenden Generationen.

Die Schuldenbremse und  der Fiskalpakt dienen als Rechtfertigung, bei den Sozialausgaben zu kürzen und die Sozialversicherungssysteme zu schwächen. Zusätzlich wird die soziale Vorsorge und Absicherungen zunehmend privatisiert. In Folge wird die bereits fortschreitende Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich mit allen damit verbundenen Gefahren für unsere Demokratie und das Projekt „Europa“ weiter voranschreiten.