Laut einer Analyse der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) hat die Erwärmung des globalen Klimas einen neuen Höchststand erreicht. Die WMO bestätigt, was bereits größtenteils bekannt war: Der Mensch verschlimmert mit seinen Aktivitäten weiter die Bedingungen, die das Klima unseres Planeten verändern. Besonders erschütternd ist die Prognose, dass „die jährliche oberflächennahe globale Durchschnittstemperatur zwischen 2023 und 2027 mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent mindestens ein Jahr lang mehr als 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegen wird“.

Weniger als fünf Jahre, bevor also die gefürchtete 1,5-Grad-Erwärmung des Pariser Abkommens Realität wird, haben Politikerinnen und politische Entscheidungsträger eine vernehmbare Mahnung erhalten, ihren Ansatz zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an seine Auswirkungen schnell und grundlegend zu ändern. Schließlich wird wenigstens eins der nächsten fünf Jahre und der gesamte Fünfjahreszeitraum mit einer Wahrscheinlichkeit von 98 Prozent der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. Seit Jahrzehnten weiß man, dass der afrikanische Kontinent für Klimawandelfolgen wie Dürren, Überschwemmungen und Hitzewellen besonders anfällig ist. Man weiß noch nicht, welche menschlichen Katastrophen und globalen Folgen es nach sich zieht, wenn sich an dem – bisher erfolglosen – Umgang mit dem Klimawandel nichts ändert. Doch mit einiger Vernunft vermag man es bereits zu erkennen.

Man muss wohl davon ausgehen, dass Klimaschutzmaßnahmen, die auf kontinentaler Ebene ergriffen werden sollten, um die Klimawandelfolgen abzuwenden, frühestens in fünf Jahren abgeschlossen sein werden. Jahrzehnt für Jahrzehnt sind die Prognosen in den Berichten des Weltklimarats (IPCC) immer verfrüht eingetreten. Der jüngste Sonderbericht, der die 1,5-Grad-Schwelle in den Blick rückt, beschreibt die Auswirkungen des Klimawandels, der in Afrika Menschen, die am wenigsten dazu beigetragen haben, ihres Lebens und ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Bei den Klimawandelfolgen, unter anderem Vertreibung, Hitze und Einbußen in Landwirtschaft und Pflanzenanbau, handelt es sich nicht mehr nur um Prognosen – und sie werden in den nächsten fünf Jahren garantiert weiter zunehmen. Damit werden auch Scheinlösungen einhergehen, etwa technisch-wissenschaftliche wie das Einbringen von Silberjodid in die Atmosphäre zur Herbeiführung von Regen oder nationalistische Maßnahmen wie die unmenschliche Rückführung der wachsenden Zahl afrikanischer Flüchtlinge durch die britische Regierung auf den vom Klimawandel am stärksten gefährdeten Kontinent.

Um in den nächsten fünf Jahren weiteres Leid und die mutwillige Vernichtung von Menschenleben in Afrika zu vermeiden, müssen sämtliche Anstrengungen darauf abzielen, Klimaschutz- und Anpassungsprojekte in einem Maß und einem Tempo umzusetzen, das die Häufigkeit der jüngsten Umweltkatastrophen übertrifft. Hungersnöte in Äthiopien, katastrophale Dürren in Kenia und Zyklone in Simbabwe – Katastrophen also, die Millionen Menschen trafen, Tausenden das Leben kosteten und seit 2021 in Somalia etwa 1,5 Millionen Menschen auf der Suche nach Nahrung und Wasser vertrieben haben – wurden vor den WMO-Prognosen von den Hauptverantwortlichen für den Klimawandel als ferne Probleme abgetan und ignoriert. Ein so kurzsichtiger Umgang mit den gigantischen globalen Klimawandelfolgen extremer Wetter- und Umweltbedingungen kann die Situation nur verschlimmern. Darüber hinaus würden die sozialen Folgen in ganz Afrika über den Fünfjahreszeitraum hinaus langfristig einen anhaltenden Druck darstellen, auch dank denen, die den Mut haben, den Politikern in den Industriestaaten den moralischen Spiegel vorzuhalten.

Unübersehbar ist auch der demografische Faktor, denn bis 2050 wird mehr als die Hälfte des globalen Bevölkerungswachstums auf Afrika entfallen.

Unübersehbar ist auch der demografische Faktor, denn bis 2050 wird mehr als die Hälfte des globalen Bevölkerungswachstums auf Afrika entfallen. Südlich der Sahara betrug die Bevölkerungszahl im Jahr 1984 noch 258 Millionen Menschen. In den nächsten sieben Jahren wird sie auf über 1,6 Milliarden anwachsen. Wenn diese Menschen dem unfruchtbaren Ackerland und den überschwemmten Gebieten, die ihnen keine Lebensgrundlage mehr bieten, den Rücken kehren und nach Europa und anderswohin fliehen, ist das nur natürlich. Tausende von Todesopfern auf See sollten der europäischen Politik klarmachen, dass das Risiko einer Überquerung des Mittelmeers auf überfüllten und morschen Booten die Menschen nicht ausreichend abschreckt. Sie sehen vor allem den Schutz in den Industrieländern, die im Vergleich zu Afrika besser an die Klimawandelfolgen angepasst sind und über Lösungen zur Eindämmung der Erderwärmung verfügen.

Ein neuer Umgang mit dem Klimawandel ist auch deswegen nötig, weil die Hilfen für Entwicklungsländer zur Bewältigung humanitärer Katastrophen schrumpfen – infolge der Inflation in den Industrieländern, aufgrund des politischen Klimas in den Geberländern und unvorhergesehener Entwicklungen wie der jüngsten Covid-19-Pandemie. Dazu kommt, dass wegen des wirtschaftlichen Drucks in den Industrieländern, zum Beispiel durch die Inflation, auch die Entwicklungshilfe gekürzt wird, dass politische Maßnahmen in der kurzlebigen Politik nicht nachhaltig sind und in der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (ODA) falsche Prioritäten gesetzt werden. Letzteres führte etwa dazu, dass Somalia 2020 und 2021 auf der Liste der zehn größten ODA-Empfänger nur Platz zehn belegte, obwohl das Land in diesem Zeitraum unter einer schweren humanitären Krise litt. Das alles, gepaart mit den Umweltkatastrophen einer um 1,5 Grad wärmeren Welt, wird in den nächsten fünf Jahren global eine humanitäre Krise auslösen, wie es sie wohl seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben hat.

Eine Art Marshallplan wäre für Afrika unnötig, wenn die Industrieländer die versprochenen Finanzhilfen gegen den Klimawandel geleistet hätten. Dass immer wieder versprochen wurde, bereits gebrochene Zusagen für die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen doch noch einzulösen, hat die afrikanischen Länder nicht davon abgehalten, ihre Resilienz zu verbessern und die große Anfälligkeit des Kontinents für Klimawandelfolgen zu verringern. Sie halten sich nach wie vor an die Regeln der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) und haben dort diverse Pläne hinterlegt, darunter solche für eine Umsetzung bestehender Vorhaben zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an seine Folgen.

Der UNFCCC zufolge ist die Realisierung so gut wie aller national festgelegter Beiträge aus etwa 100 Ländern für Entwicklung und Transfer von Technologien auf internationale Unterstützung angewiesen. Da viele Länder seit Jahrzehnten auf diese Unterstützung warten, ist zu befürchten, dass die benötigten Finanzmittel auch in den nächsten fünf Jahren nicht eintreffen werden. Und so laufen in ganz Afrika nationale Bemühungen, Leben zu bewahren, weitgehend ins Leere, während außerhalb des Kontinents die Emissionen weiter steigen und in Europa ausgerechnet der verfrühte Abgesang auf „King Coal“ Schlagzeilen macht.

Die Erkenntnis, dass private Finanzmärkte nicht dazu geeignet sind, öffentliche Probleme zu lösen, stimmt heute mehr denn je.

Angesichts dieser Versäumnisse muss man sagen, dass das Pariser Abkommen zwar womöglich die größte Errungenschaft im Kampf gegen den Klimawandel war, dass die Vereinbarungen zur Umsetzung von Lösungen aber extrem schwach sind. Egal, ob es sich nun um Anpassungsmaßnahmen und Projekte zur Abschwächung des Klimawandels handelt oder um den Technologietransfer von Industrie- in Entwicklungsländer: Da dem Geld für die Umsetzung dieser Lösungen eine völlig übertriebene Rolle und Relevanz zukommt, ist das Abkommen nicht mehr als ein Konzept. Der Finanzierungsrahmen lässt Raum für die Entstehung eines Marktes für Klimafinanzierungsfonds, betrügerisches Greenwashing und neoklassisch-marktwirtschaftliche Initiativen, die es schon bisher nicht geschafft haben, die globalen Emissionen zu senken. Die wichtigste Aufgabe des Finanzierungsrahmens bleibt dagegen unerfüllt: nämlich die Kapitalströme der Klimafinanzierung in die Entwicklungsländer in Gang zu setzen.

Dass Afrika den Klimawandelfolgen weiterhin so schutzlos ausgeliefert ist, liegt jedoch nicht am mangelnden Finanzvolumen, sondern daran, dass der Kontinent an das Geld nicht herankommt. Unter den Empfängern von Finanzmitteln des öffentlichen und privaten Sektors, etwa ausländischen Direktinvestitionen und Entwicklungshilfe, war Afrika in der Vergangenheit stets das Schlusslicht. Ähnlich ist es bei den Geldern für die Finanzierung erneuerbarer Energien und von Klimaresilienz-Projekten, die ungehindert fließen müssten. Bis 2050 bräuchte der Kontinent jährlich 240 MilliardenUS-Dollar für die Umsetzung von Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen, doch 2020 erhielt er lediglich Kredite in Höhe von 15,7 Milliarden. Die Erkenntnis, dass private Finanzmärkte nicht dazu geeignet sind, öffentliche Probleme zu lösen, stimmt heute mehr denn je. Die Wirtschaftsmacht konzentriert sich seit jeher in den Industrieländern, doch auf diese historische Ungleichheit werden die Klimawandelfolgen keine Rücksicht nehmen.

Für die Dekarbonisierung afrikanischer Volkswirtschaften braucht es gesellschaftliche, branchenspezifische und infrastrukturelle Reformen von einem in der Menschheitsgeschichte nie dagewesenen Ausmaß. Wissen und Technologien, um sie herbeizuführen, sind bereits vorhanden. Das garantiert allerdings noch nicht, dass sie auch eingesetzt werden. Denn viele Akteure beharren darauf, dass solche Transformation auf der Grundlage neoklassischer Marktlogik vollzogen werden. Eine solche Argumentation lässt nicht nur ein gewisses Maß an kognitiver Dissonanz erkennen, sondern sie verurteilt zudem noch gefährdete Menschen vorsätzlich und skrupellos zu unnötigem Leid oder zum Tod.

Eine praktikable, ja vielleicht die einzige Option wäre es jetzt, über nicht-marktwirtschaftliche Klimalösungen nachzudenken. Eine zweite wäre die Vergesellschaftung solcher Lösungen. Entscheidungen darüber, wie Hunderte von Millionen Menschen, die seit Generationen nach Sonnenuntergang im Dunkeln sitzen, mit Strom versorgt, wie Landwirte in ausgetrockneten Landstrichen mit dürreresistentem Saatgut ausgestattet und wie Frühwarnsysteme bereitgestellt werden können, um Todesfälle durch Extremwetterereignisse zu verhindern, wären dann nicht mehr von neoklassischen Vorgaben abhängig. Wenn Gesellschaften Klimalösungen an sozialen Zielen ausrichten, können sie in einer um 1,5 Grad wärmeren Welt mit wenigen Mitteln überleben.

Aus dem Englischen von Anne Emmert