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Die Europäer sind dermaßen mit ihren internen Streitereien beschäftigt, dass sie auf dem besten Weg sind, durch ihre Untätigkeit eine Mitschuld an einem Völkermord in Myanmar auf sich zu laden. Nachdem dort unzählige Menschen durch Massenerschießungen und das Durchschneiden der Kehle hingerichtet wurden, mussten 625 000 Rohingya ihr Heimatland verlassen. Die meisten sind ins benachbarte Bangladesch geflohen. Das Land hat sich dieser Aufgabe mit einer Mustergültigkeit gestellt, die die meisten europäischen Länder, gemessen an ihrem Umgang mit der syrischen Flüchtlingskrise, beschämen dürfte. Doch trotz der gewaltigen Anstrengungen in Bangladesch ist eine konzertierte europäische Reaktion dringend gefordert.

Zwar muss Hilfsorganisationen zufolge auch finanziell größere Unterstützung geleistet werden, doch mit Geld allein wird sich die EU kein reines Gewissen erkaufen können. Dass der EU-Rat für Auswärtige Angelegenheiten wieder einmal unfähig war, entschlossene Maßnahmen zu ergreifen – oder auch nur zu diskutieren –, um den Druck auf Regierung und Militär in Myanmar zu erhöhen, fällt auf uns alle zurück. Die Vereinten Nationen haben die Krise als „möglichen Völkermord“ bezeichnet, doch Zweifel sind in dieser Frage wahrlich nicht angebracht. Der ehemalige UN-Generalmajor Romeo Dallaire geht mittlerweile so weit, von einem „vorsätzlichen Völkermord“ zu sprechen. Somit ist die internationale Völkergemeinschaft nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich zum Handeln verpflichtet.

Wir müssen diese Krise mit mutigen Entscheidungen lösen. Dazu gehört, dass wir gegen die für die Gewaltakte Verantwortlichen wieder Sanktionen verhängen.

Dazu müssen wir zunächst aus früheren Vertreibungen von Rohingya nach Bangladesch Schlüsse ziehen und unter anderem Zwangsumsiedlungen entgegentreten. Das heißt, solange die notwendigen Voraussetzungen dafür nicht geschaffen sind, muss die EU Stellung beziehen gegen das Rückführungsabkommen, das auf dem Rückführungspakt der Jahre 1992–1993 basiert. Mit der Binnenumsiedlung gingen seinerzeit „systematische Folter (einschließlich Vergewaltigung), grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung, das Verschwindenlassen oder die willkürliche Hinrichtung von ... ethnischen Minderheiten der Rakhine“ einher, so der damalige UN-Sonderberichterstatter.

Sanna Johnson, Direktorin der Region Asien im International Rescue Committee, sagte im Gespräch mit mir, die Aussicht auf eine Umsiedlung von Flüchtlingen aus den Lagern bei Cox's Bazar bereite ihr große Sorge. „Eine Rückführung ist, gelinde gesagt, verfrüht“, sagte sie.

Jedes Mal, wenn ein solches „Rückkehrabkommen“ getroffen wird, können Militär und Regierung von Myanmar den Raum, der den Rohingya im Rakhaing-Staat zur Verfügung steht, weiter verkleinern. Aung San Suu Kyis Beteuerungen des Gegenteils stehen die Landnahmemaßnahmen gegenüber, die von Regierungsmitgliedern des Rakhaing-Staats offen unterstützt werden. „Nach geltendem Recht geht verbranntes Land in staatliche Verwaltung über“, erklärte Minister Win Myat Aya in einer öffentlichen Sitzung.

In Myanmar droht nicht nur den Rohingya Gewalt. Auch viele Mitglieder der Jingpo im Norden Myanmars werden vertrieben. Sie alle müssen wir schützen. Wir müssen diese Krise mit mutigen Entscheidungen lösen. Dazu gehört, dass wir gegen die für die Gewaltakte Verantwortlichen wieder Sanktionen verhängen – ich habe das in einem Beitrag für auf Euractiv dargestellt – und die Umsetzung der Annan-Empfehlungen einfordern. Wie in der New Yorker Erklärung über Flüchtlinge und Migranten vereinbart, gibt es global eine gemeinsame Verantwortung für Vertriebene.

Völlig inakzeptabel ist, dass Großbritannien 2016 von den 1,15 Millionen Flüchtlingen weltweit im Rahmen des Resettlement-Programms nur 9000 Menschen aufgenommen hat. Theresa May sicherte im vergangenen November den Rohingya Hilfe zu. Nun müssen das Vereinigte Königreich und seine europäischen Partner den politischen Druck auf Myanmar verstärken. Mit Geld mag man die Symptome zum Teil behandeln können, doch um das Problem zu lösen, sind mutigere Schritte vonnöten.