Das Vorhaben des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, an der 3200 Kilometer langen Grenze der Vereinigten Staaten zu Mexiko eine „großartige Mauer“ zu bauen, um, wie er sagt, „Kriminelle, Drogenhändler und Vergewaltiger“ auszusperren, ist keineswegs neu. Es haben bereits einige andere Länder, oft aus Islamophobie, Grenzzäune zu ihren Nachbarn errichtet, um illegale Migranten, Terroristen und Kriminelle aufzuhalten.

Trump wäre gut beraten, die Erfahrungen dieser Länder zu berücksichtigen. Ihre Grenzzäune sind nicht nur nicht besonders effizient, ihre Errichtung und Instandhaltung verursachen auch enorme Kosten, die sich nicht nur in Geld, sondern auch in Menschenleben bemessen.

Indien hat zum Beispiel Grenzzäune zu zwei seiner Nachbarn, Pakistan und Bangladesch. Der Grenzzaun zu Bangladesch soll hauptsächlich bangladeschische Migranten daran hindern, nach Indien zu kommen. Die Entscheidung, ihnen einen Zaun in den Weg zu stellen, wurde in den 1980er Jahren getroffen, nachdem die Immigration aus Bangladesch im Bundesstaat Assam im Nordosten Indiens zu einem brisanten Thema wurde.

Damals gab es heftige Unruhen und einen bewaffneten Aufstand, um auf die Auswirkungen der Migration auf Demographie, Identität, Wahlverhalten und den Arbeitsmarkt des Bundesstaats aufmerksam zu machen. Um die Aufregung zu beschwichtigen, stimmte die indische Regierung einer Reihe von Maßnahmen zu, darunter die Errichtung eines Zaunes gegen „illegale Migranten“.

Die gemeinsame Grenze von Indien und Bangladesch schlängelt sich über 4097 Kilometer durch Flachland, Reisfelder, über Hügel und Flüsse. Das Grenzgebiet ist eng besiedelt; seine Einwohner nutzen viele grenzüberschreitenden Wege, die teils seit Jahrhunderten, teils erst seit kurzer Zeit bestehen.

Es ist eine abschreckende Anlage, die aber nichts daran geändert hat, dass Bangladescher weiterhin die Grenze nach Indien überqueren.

Rund 70 Prozent der Grenze sind durch einen zweieinhalb Meter hohen Zaun aus Stacheldraht befestigt, der streckenweise unter Strom steht. Es ist eine abschreckende Anlage, die aber nichts daran geändert hat, dass Bangladescher weiterhin die Grenze nach Indien überqueren, um Verwandte zu besuchen oder die gefährliche Reise aus Hoffnung auf ein besseres Leben auf sich nehmen. Auch Schmuggler, Drogenkuriere, Menschenhändler und Viehdiebe von beiden Seiten der Grenze überqueren diese weiterhin, oft unter Duldung der indischen und bangladeschischen Grenzposten.

„Grenzzäune schaffen es nur selten, Migration zu verhindern“, erklärt Reece Jones, Professor an der Universität Hawaii und Autor des Buchs Violent Borders: Refugees and the Right to Move. Demnach wären die meisten Grenzen „zu lang und zu leicht bewacht, um einen Einfluss auf die Bewegungen der Menschen durch ihr Gebiet zu haben“.

Dass der Zaun nicht „wasserdicht“ sei, bestätigt auch ein Anwalt aus Khulna, der Heimatstadt vieler bangladeschischer Migranten, gegenüber der Zeitschrift The Diplomat. Auf den 1116 Kilometern der Grenze, die durch Flüsse verlaufen, gibt es zum Beispiel keinen Zaun. Etwa 44 Kilometer der Grenze zwischen Assam und Bangladesch verlaufen durch den Brahmaputra, dessen Lauf sich von Jahr zu Jahr verändert. Hier war es nicht möglich, einen festen Zaun zu errichten. Für die Boote, die stattdessen die Grenze patrouillieren, ist es ungleich schwieriger, Grenzüberquerungen zu verhindern.

Davon abgesehen gebe es laut Jones auch „mehrere Grenzübergänge, an denen Menschen mit gefälschten Papieren oder durch Bestechung die Grenze überqueren können“. Wie er erklärt, könne ein Grenzzaun daher die Bewegungen der Bevölkerung zwar verändern, aber nicht grundsätzlich verhindern.

Jones hält es außerdem für unwahrscheinlich, dass der Grenzzaun Terroristen an der Einreise nach Indien hindert. Wie er erklärt, hätten Terroristen typischerweise die Mittel, sich gefälschte Papiere zu beschaffen oder sogar die Möglichkeit, mit gültigen Papieren regulär über die Grenze zu kommen.

Etliche Menschen wurden beim Versuch der Grenzüberquerung brutal niedergeschossen.

Der Grenzzaun ist also nicht nur „weitestgehend wirkungslos“, wenn es darum geht, Migranten und Kriminelle aufzuhalten. Es ist auch viel Gewalt damit verbunden, die Grenze durchzusetzen. Etliche Menschen wurden beim Versuch der Grenzüberquerung brutal niedergeschossen.

Für weltweite Empörung sorgte im Jahr 2011 die Tötung Felani Khatuns, eines 15-jährigen Mädchens, das nach Bangladesch heimkehren wollte. Laut einem Bericht von Human Rights Watch aus dem Jahr 2010 haben Grenztruppen zwischen 2001 und 2010 etwa 900 Bangladescher beim Versuch, die Grenze zu überqueren, erschossen.

„Viele dieser Opfer sind Menschen, die im Grenzgebiet unterwegs sind, um ihr Land zu bestellen“, berichtet der Anwalt aus Khulna. Oft handele es sich bei den Getöteten um heimkehrende, die für ein paar Tage Verwandte auf der anderen Seite besucht hatten.

Der Zaun hat also schreckliche Auswirkungen auf Familien und Gemeinschaften. Vor der Errichtung des Grenzzauns sei es sehr einfach gewesen, Verwandte auf der anderen Seite zu besuchen. Wie Jones erklärt, müssten die Grenzanwohner dazu nun Schmuggler bezahlen und darum fürchten, von Grenzposten erschossen zu werden.

Warum sind Grenzzäune angesichts dieser Probleme trotzdem so beliebt bei Regierungen –insbesondere solchen, die sich auf Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit stützen?

Grenzzäune sind „nationalistische Symbole“. Laut Jones verbildlichen sie „die Idee, eine andere Bevölkerung auszuschließen“. Im Fall des Zauns zwischen Indien und Bangladesch sind dies Muslime aus Bangladesch, im Fall von Donald Trumps Grenzwall sind es die Mexikaner.

Durch Grenzzäune könnten Regierungen Stärke demonstrieren, erklärt der Anwalt: „Als würden sie entschlossene Maßnahmen ergreifen, um ihr Volk vor sogenannten ‚Illegalen‘ und ‚Fremden‘ zu schützen.“ Laut Jones wirken sich Grenzzäune allerdings tatsächlich vor allem auf das Leben der Migranten im Inland aus. Statt Immigration nach Indien oder in die Vereinigten Staaten zu verhindern, machten Zäune das Leben für jene prekärer, die bereits da seien und wegen des Zaunes sogar oft länger blieben. So verwandle der Zaun letztlich zeitweilige Gastarbeiter in dauerhafte Einwohner ohne Papiere.

In Bangladesch wird der Zaun als Einschüchterungsversuch eines tyrannischen großen Bruders wahrgenommen.

Die Errichtung des Grenzzauns hatte negative Auswirkungen auf die sonst guten Beziehungen zwischen Indien und Bangladesch. In Bangladesch wird der Zaun als Einschüchterungsversuch eines tyrannischen großen Bruders wahrgenommen. Seine Errichtung hat nichts mit guter Nachbarschaft zu tun, sondern unterstreicht das Misstrauen, das die gegenseitige Wahrnehmung der beiden Länder prägt. Entsprechend kritisch wird der Zaun in Bangladesch und weiten Teilen Südasiens gesehen. Wie ein Leitartikel im südasiatischen Nachrichtenmagazin Himal 2008 schrieb, lasse der Zaun jedes Verständnis für die historisch etablierten Wege der Menschen in der Region vermissen. Stattdessen richte er eine starre Grenze ein, die weder mit der Vergangenheit noch mit der Gegenwart vereinbar sei.

Der Zaun widerspricht auch den derzeitigen Bemühungen, grenzüberschreitende Kontakte, Handelsbeziehungen und Kooperationen zwischen den Grenzanwohnern zu fördern. In den letzten Jahren wandte sich Indien an benachbarte Länder wie Bangladesch, Bhutan, Nepal und Myanmar, um über freie Reisemöglichkeiten und die Konstruktion transnationaler Straßen und Eisenbahnstrecken zu beraten.

Vor allem müsste man sich eingestehen, dass der Grenzzaun zwischen Indien und Bangladesch den Menschen dieser Länder keine Sicherheit gebracht hat, sondern nur Angst und Verunsicherung.

Auf lange Sicht verstärkt der Grenzzaun nur die Probleme in der Region. Das betrifft insbesondere die Probleme des tief liegenden Landes Bangladesch: Bei einem Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter würde wahrscheinlich ein Fünftel des Landes überflutet werden. Dies wird zum Ende des Jahrhunderts erwartet.

Es gibt also Anlass zur Sorge um die Einwohner von Bangladesch. Indien umgibt das Land auf drei Seiten, der Zaun kesselt die Bevölkerung praktisch ein. Mit Khulna, Satkhira und Bagerhat liegen die gefährdetsten Küstenregionen nahe der indischen Grenze. Wohin werden diese Menschen fliehen, wenn ihre Häuser und Felder im Meer versinken?

Indien kann es sich nicht leisten, dieses Problem zu ignorieren. Das wäre nicht nur inhuman, der ansteigende Meeresspiegel könnte auch unmittelbar für Indien ähnlich katastrophale Folgen haben. Tatsächlich führen einige Studien Indien neben Bangladesch unter den durch den Klimawandel „extrem gefährdeten“ Ländern auf.

Statt sich also von Bangladesch und dem Thema Klimawandel zu distanzieren, sollte Indien eine stärkere Kooperation anstreben. Der Abriss des Zaunes wäre ein wichtiger erster Schritt in diese Richtung. Es ist aber noch viel schwieriger, Mauern abzureißen, als sie zu bauen. Dies erfordert einen klaren politischen Willen und setzt ein Umdenken voraus. Vor allem müsste man sich eingestehen, dass der Grenzzaun zwischen Indien und Bangladesch den Menschen dieser Länder keine Sicherheit gebracht hat, sondern nur Angst und Verunsicherung.

Doch es bleibt fraglich, ob diese Überlegungen auf der politischen Landkarte eines Donald Trump einen Platz haben.

© The Diplomat 2017