Das Klimaabkommen von Paris ist ohne Frage ein historischer Meilenstein in der internationalen Klimapolitik. Bei der noch immer vorherrschenden Euphorie ist allerdings Vorsicht geboten, denn Paris hat es zwar geschafft, internationale politische Leitlinien zu formulieren, die ein gemeinsames Handeln zur Bekämpfung des Klimawandels möglich machen, eine tatsächliche Umsetzung ist damit aber noch lange nicht garantiert.

Während das Klima bereits jetzt in einigen Ländern von Hitzerekord zu Hitzerekord eilt, haben sich Mitte Mai 2016 Klimadiplomaten bei der Bonner Climate Change Conference der Vereinten Nationen mit der Frage der Interpretation und der Umsetzung des Pariser Abkommens beschäftigt. Der Start in die neue Ära internationaler Klimadiplomatie „après Paris“ kann als holprig bezeichnet werden: Erst nach vier Tagen konnte man sich auf eine gemeinsame Arbeitsagenda verständigen. Die Verzögerungen in Bonn machen vor allem eines sehr deutlich: Die Überführung der im Pariser Klimaabkommen gesetzten Ziele in die Realität, also in die nationalen Klimaschutzstrategien und damit das Herunterbrechen der Zielsetzungen von der internationalen auf die nationale Ebene, ist ein schwieriges Unterfangen. Wir müssen also unbedingt über das Wesentliche reden. Aber was ist das eigentlich genau?

Näher bestimmt werden muss zunächst einmal das in Paris vereinbarte Ziel, die globale Erderwärmung auf „well below“ 2 Grad, besser noch auf 1,5 Grad, zu begrenzen. Symbolisch gesehen war und ist dieses Ziel sehr wichtig, als politische Orientierungsgröße taugt es allerdings nicht viel. Worum es im Kern geht ist nämlich das, was dadurch impliziert wird: eine Dekarbonisierung der Weltwirtschaft. Will man dies erreichen und dadurch das gesetzte Temperaturziel noch einhalten – und das ist sowohl noch möglich als auch für einige Staaten der Erde überlebenswichtig – müssen Kohle & Co schnellstmöglich unter der Erde gelassen werden. Klar ist, dass dies massive transformative Eingriffe in die staatlichen Energie- und Wirtschaftssysteme der Länder voraussetzt.

Aber auch in anderen Bereichen wie der Landwirtschaft, im Verkehrswesen oder in der Stadtentwicklung werden massivste Anstrengungen notwendig werden, um von emissionsintensiven auf emissionsarme Pfade umzuschwenken. Je länger wir warten, desto stärker werden die Kosten und Anstrengungen steigen, um die globale Erderwärmung in den Griff zu bekommen. Auch wenn der Prozess schwierig ist und sich nicht ohne Reibungen vollzieht, möchte das Umweltministerium in Deutschland übrigens mit gutem Beispiel und ambitioniert vorangehen. Der für den Sommer zur Abstimmung vorgesehene Klimaschutzplan 2050 soll den Weg in eine treibhausgasneutrale Zukunft weisen.

Worum es im Kern geht, ist eine Dekarbonisierung der Weltwirtschaft.

Unter die Lupe nehmen müssen wir außerdem die vorliegenden Absichtserklärungen der Regierungen in Bezug auf Emissionseinsparungen und Klimaschutz, die sogenannten INDCs (Intended Nationally Determined Contributions), die vor Paris abgegeben wurden. Diese sind bei weitem nicht ausreichend und setzen die Welt momentan eher auf das Gleis einer Erwärmung um 2,7 bis 3 Grad. Paris hat die Staaten verpflichtet, in einem Rhythmus von fünf Jahren über ihre nationalen Anstrengungen im Klimaschutz in Form von NDCs (Nationally Determined Contributions) zu berichten. Dies sollte mit sichtbar steigender Ambition geschehen.

Problematisch sind hier gleich zwei Dinge. Zum einen muss erst einmal geklärt werden, wie die Treibhausgas-Reduktionen der Länder berechnet und überprüft werden sollen. Außerdem ist es dringend notwendig, dass die nationalen Klimaschutzpläne noch vor dem von Paris gesetzten Zeitpunkt im Jahr 2020 ambitioniert angepasst und überarbeitet werden. Daher müssen die Standards und Regeln jetzt klar gesetzt und kommuniziert werden. Geschehen muss all das besser gestern als heute, denn Zeit ist etwas, was wir in der internationalen Klimaschutzpolitik nicht haben.

Bevor die nationalen Klimaziele nachjustiert werden können, muss das Pariser Abkommen aber erst einmal in Kraft treten. Dazu müssen 55 Länder den Vertrag ratifizieren, die mindestens 55 Prozent der globalen Emissionen ausmachen. Wenig überraschend ist, dass es bisher vor allem die besonders anfälligen Staaten sind, die sowohl ambitionierte INDCs vorgelegt als auch das Abkommen umgehend ratifiziert haben. Da sie aber nur für einen verschwindend geringen Teil der Emissionen verantwortlich sind, müssen nun vor allem die Industrieländer nachlegen. China und die USA haben die Ratifizierung noch für dieses Jahr angekündigt. Für die EU wird eine frühzeitige Ratifizierung schwierig werden. Zwar hat sie in Paris eine sehr produktive Rolle bei den Verhandlungen eingenommen, allerdings müssen hier die Parlamente aller Mitgliedstaaten sowie das Europäische Parlament dem Abkommen zustimmen. Da dies komplizierte Prozeduren erfordert, wird die Europäische Union ein frühes Datum wohl nicht einhalten können.

Ein Thema, das ebenfalls ganz oben auf der Gesprächs- und Handlungsliste steht, ist die Finanzierung. Vor der nächsten COP-22 in Marokko muss klar sein, wie die zugesagten 100 Milliarden US-Dollar an jährlicher Klimafinanzierung der Industrieländer auch wirklich garantiert werden können – und zwar ohne Umetikettierung oder „Greenwashing“.

Bisher nicht ausreichend berücksichtigt sind die Instrumente, wie all diese Forderungen und Ziele erreicht werden können.

Bisher nicht ausreichend berücksichtigt sind die Instrumente, wie all diese Forderungen und Ziele erreicht werden können. Wir müssen uns einigen, wie wir eine globale Energiewende gestalten und den „Siegeszug der Erneuerbaren Energien“ vor allem in den Ländern des Globalen Südens unterstützen können. Wir müssen konkrete Instrumente des Ausstiegs aus der Kohle definieren. Das schließt Debatten über den Sinn und Unsinn von „Carbon Pricing“ und „Carbon Taxation“ mit ein, die sicherlich kein Allheilmittel für eine Dekarbonisierung sind, aber auch nicht von vornherein pauschal verteufelt werden sollten. Gleichzeitig muss es aber auch Diskussionen über alternative Wirtschaftswege, über Konsum- und Verhaltensveränderungen im Globalen Norden und über die Abschaffung von Subventionen für Kohle & Co geben.

Viel zu lange herausgezögert wurde die Suche nach neuen, sicheren und vor allem klimafreundlichen Technologien zur CO2-Reduzierung. Dies ist umso wichtiger, als es beispielsweise im Transportsektor oder bei bestimmten industriellen Prozessen nicht möglich sein wird, vollständig treibhausgasneutral zu wirtschaften. Vor allem aber muss darüber gesprochen werden, wie der Strukturwandel und Übergänge von emissionsintensiven in emissionsgeringe Produktionsweisen gerecht und sozial inklusiv gestaltet werden können. Da die Uhr zu unser aller Nachteil gewaltig schnell tickt, dürfen wir uns keiner dieser Diskussionen aus Ideologiegründen verschließen. Regierungen, Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften, aber auch Wirtschaft und Finanzwelt sind dazu verpflichtet, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und in partizipativen Prozessen und Dialogen dafür zu sorgen, dass die jeweiligen nationalen Klimaschutzpläne ambitioniert gedacht und wirkungsvoll umgesetzt werden. Danach muss man schnellstmöglich vom Reden ins Handeln kommen.

Die nächste Klimakonferenz COP-22 in Marokko wurde in Bonn zur „Action COP“ deklariert, unter anderem soll in Vorbereitung auf diese und währenddessen die „Global Climate Action Agenda“ gestärkt werden. Internationale Kooperation wird hierbei essenziell sein. Auch und gerade in der Klimapolitik gilt: weg von „Our nation first“-Ansätzen und hin zu multilateraler Kooperation, denn nur durch diese können in gegenseitiger Solidarität und Unterstützung die massiven transformativen Aufgaben gelingen, die das Abkommen von Paris festgesetzt hat.