Von linker Seite gibt es allerlei Einwände gegen die entschiedene Ablehnung von EU-Flüchtlingsquoten durch die slowakische Sozialdemokratie. Doch wir haben für unsere Position durchaus Argumente. Wir sind in unserer Haltung weder unsolidarischer noch unmenschlicher als Sozialdemokraten im Westen – nur realistischer.
Wir wehren uns gegen den Vorwurf der Islam- und Ausländerfeindlichkeit. In der Slowakei leben Tausende von Muslime und Angehörige anderer Minderheiten, darunter eine halbe Million Ungarn, eine halbe Million Roma und Zehntausende Menschen aus China, Vietnam und anderen Ländern. Die Slowakei vor diesem Hintergrund als fremdenfeindlich zu bezeichnen, ist eine Beleidigung.
Debatten, in denen Zentraleuropa als xenophob verdammt wird, gilt es definitiv zu vermeiden. Denn postwendend folgt ansonsten der Imperialismus-Vorwurf gegen den Westen - und schon ist eine vernünftige Diskussion nicht mehr möglich. Um die slowakische Position ranken sich dabei Fehlinformationen. So hat sich Ministerpräsident Robert Fico von der sozialdemokratischen Smer nie abfällig über Muslime geäußert, sondern lediglich die slowakische Situation realistisch geschildert. Er hat dabei fünf Punkte angeführt:
Erstens fürchtet die Slowakei unregulierte Migration, also eine Migration ohne Grenzkontrollen, weil damit erhöhte Sicherheits- und Gesundheitsrisiken einhergehen. Und zwar unabhängig davon, wer die Grenze überquert. Entscheidend ist dabei das Ausmaß: Rund 80 Prozent der slowakischen Bevölkerung lehnen Flüchtlingsquoten ab. Ihnen missfällt, dass an den Außengrenzen des Schengen-Raums keine Grenzkontrollen stattfinden. Das ist eine rationale Furcht, die ihre Wurzeln in Unsicherheit und echten Gefahren hat, keine irrationale Angst, die aus Hass und Fremdenfeindlichkeit erwächst.
Zweitens ist die Slowakei kein multikulturelles Land. Wenn sie es je werden will, ist ein gesellschaftlicher Diskurs im Vorfeld unerlässlich. Die Menschen müssen vorbereitet werden, genau wie in Westeuropa. Eine Schocktherapie könnte den Aufstieg der extremen Rechten nur befördern.
Drittens ist es selbstverständlich, dass wir unsere Kultur und unsere Werte verteidigen. Der Schutz der europäischen Kultur ist nichts grundsätzlich Konservatives. Das hat jüngst sogar der Guru der radikalen Linken, Slavoj Zizek, bestätigte: Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass es rassistisch oder protofaschistisch wäre, wenn die Bevölkerung des Gastgeberlandes ihren »Lebensstil« bewahren will.
Andernfalls ist der Weg frei für eine einwanderungsfeindliche Gesinnung in Europa, wie kürzlich in Schweden, wo in den jüngsten Umfragen die einwanderungsfeindlichen Schwedendemokraten die Sozialdemokraten als beliebteste Partei abgelöst haben. Die säkulare Linke kritisiert die ultrakonservativen Werte des Christentums (bei allem Respekt vor den Gläubigen). Das wird völlig zu Recht als progressiv bezeichnet. Warum gilt dann dieselbe rationale Kritik am Islam (ebenfalls bei allem Respekt) als fremdenfeindlich?
Das vierte Argument lautet, dass die Flüchtlinge selbst nicht in unser Land wollen. Wenn wir sie zwangsweise herschafften und internierten, würden wir ihre Rechte verletzen, soziale Spannungen erzeugen und das Schengen-Abkommen gefährden.
Fünftens wird die Entscheidung der Slowakei, Christen bevorzugt zu integrieren, häufig missverstanden. Fico ist völlig zu Recht davon ausgegangen, dass in der katholischen Slowakei Christen leichter zu integrieren sind als Muslime – keine kulturellen Kriege, keine religiösen Vorurteile. Das ist nur eine realistische Annahme.
Manchmal muss naiver und schlichter Idealismus vernünftigem und praktischem Realismus weichen, sonst kann die Sozialdemokratie in Zukunft keinen Erfolg haben – nirgends in Europa.
Natürlich würden wir Muslime nicht abweisen, wenn sie um Asyl bitten, doch die Slowakei bevorzugt Flüchtlinge, die sie integrieren kann, also Christen aus vom IS kontrollierten Gebieten. Das ist ein humanitäres Argument.
Wir haben einen anderen politischen Ansatz als westliche Länder: Wir wissen, wie wir mit unseren Bürgerinnen und Bürgern arbeiten müssen, um nach und nach ein Klima der Toleranz und der liberalen Werte zu schaffen. Ohnehin ist es undemokratisch, respektlos und unhaltbar, Entscheidungen über den Kopf der Menschen hinweg und gegen ihren Willen zu treffen. Die Sozialdemokratie in der Slowakei ist konservativer als die der Genossinnen und Genossen im Westen. Das aber ist den insgesamt eher konservativen Werten Zentraleuropas geschuldet. Von außen auferlegte Quoten würden in der slowakischen Gesellschaft schlecht ankommen. Sie könnten der europafreundlichen Gesinnung schaden und konservative Reaktionen stärken. Politik sollte keine leere Geste sein, sondern muss immer auch die Konsequenzen bedenken.
Flüchtlinge sind keine Mehlsäcke
Eine Reihe von Argumenten hat mit Normen und Werten zu tun. Erstens können wir Flüchtlinge nicht nach Quoten umverteilen als wären sie Mehlsäcke. Wir müssen ihre Menschenrechte achten und respektieren, dass sie in den Westen wollen. Deutschland hat sie eingeladen, ohne in der EU jemanden zu fragen. Es wäre unfair, sie nach Timisoara zu schicken, wenn sie ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um nach München zu gelangen.
Zweitens unterstützen wir die Einrichtung sogenannter Hotspots, weil sie die fairere Lösung sind. Es ist ein Fehler, dass wir Europäer indirekt die meist wohlhabenderen Flüchtlinge ermuntern, die gefährliche Reise nach Europa zu unternehmen, auf der sie ihren gesamten Besitz verlieren und zu Tode kommen können. Zugleich bleiben die Schwächeren in Lagern in der Türkei.
Drittens muss die Linke nach umfassenderen Lösungen suchen und die Ursachen beheben – darum ist es ihr immer gegangen. Wir sollten den Waffenhandel beschränken, unfairem Geschäftsgebaren multinationaler Konzerne Einhalt gebieten, in Afrika den fairen Handel fördern und stabile Regionen im Nahen Osten stützen.
Viertens darf die Linke die einfachen Leute nicht im Stich lassen. Sie muss mit ihnen sprechen und sich ihre Sorgen anhören. Universallösungen aus Brüssel können gefährlich sein – man sehe sich nur die Arbeiterschicht in Frankreich an, die mittlerweile statt den Sozialisten den ultrarechten Front National unterstützt. Wacht auf, Genossen!
Für die slowakische Solidarität gibt es empirische Belege. Wir haben 20 Millionen Euro (für die Slowakei eine hohe Summe) für den europäischen Grenzschutz FRONTEX beigesteuert; wir wollen unsere Entwicklungshilfeausgaben kräftig erhöhen; wir unterstützen tatkräftig alle Lösungen des Europarats und der EU-Kommission (bis auf Quoten). Wir beteiligen uns auch weiterhin an humanitären Transferaktionen und so weiter. Darüber hinaus haben wir das sogenannte österreichische Modell angestoßen. Das heißt, wir wollen die österreichischen Kapazitäten entlasten, indem wir deren Asylbewerber aufnehmen. Wir müssen auch den Italienern und den Griechen helfen, deren Asylzentren völlig überfüllt sind. Unsere Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen den Beschluss des Europarats ist nichts Ungewöhnliches, sondern ein formaler Vorgang. Die Klage sollte als legitime und normale Reaktion eines Landes auf eine Entscheidung betrachtet werden, die es für rechtlich unzulässig hält.
Wir haben vor allem etwas gegen die Vorgehensweise einzuwenden: Bei so einer großen und weitreichenden Entscheidung hat statt Mehrheitsentscheidungen immer das Konsensprinzip gegolten. Die Slowakei ist ein europafreundliches Land und die Smer-Partei tut alles, damit es dabei bleibt. Deshalb nutzt sie sämtliche taktischen und politischen Instrumente, die ihr zur Verfügung stehen. Es liegt in unserer Verantwortung, die Zukunft der Sozialdemokratie und den Euro-Optimismus in der Slowakei zu bewahren. Manchmal muss naiver und schlichter Idealismus vernünftigem und praktischem Realismus weichen, sonst kann die Sozialdemokratie in Zukunft keinen Erfolg haben – nirgends in Europa.
Erste Anzeichen für ein Zurückdrängen der Sozialdemokratie waren in den EU-Ländern in den vergangenen Jahrzehnten zu beobachten. Werden wir Sozialdemokraten die Don Quixotes des 21. Jahrhunderts? Werden wir den faschistischen Reaktionären Tür und Tor öffnen? Nicht in der Slowakei. Wir übernehmen Verantwortung. Wir lehnen daher verbindliche Quoten ab, akzeptieren aber vernünftige Lösungen, die unserer stark ausgeprägten Solidarität und Humanität entsprechen. Wir wollen Syrern, Afrikanern und anderen armen Menschen in der Welt helfen. Am besten geht das, wenn wir sie nicht alle nach Europa holen, sondern vielmehr dort, wo sie leben, für europäischen Standard sorgen. Das sollte die wahre Aufgabe von Sozialdemokraten sein.
Der Beitrag wurde gekürzt aus dem Social Europe Journal übernommen.
35 Leserbriefe
a) Ungarn hat eine EU-Außengrenze: Orban mag unsympathisch und autoritär sein, aber ihn für den Schutz der Außengrenze zu kritisieren ist Heuchelei.
b) Wie Blaha richtig sagt: die Verteilung auf Grund von Quoten innerhalb des Schengen-Raums ist unrealistisch: ohne Grenzkontrollen sind diejenigen, die nach Deutschland wollen, sofort wieder da.
c) Von Flüchtlingen zu sprechen, wenn diese bereits vorher (in der Türkei) nicht verfolgt wurden, ist sprachlich falsch: es handelt sich um Migranten. das ist nichts Illegitimes: dann aber die Grenzen illegal stürmen zu lassen, anstatt das geltende Recht anzuwenden, ist kein guter Einstieg für Menschen, die dann später an den Rechtsstaat gewöhnen sollen.
d) Wer -wie die Kanzlerin behauptet 300 km Grenze nicht schützen zu können, sagt den Bürger, dass sie 300.000 Straßen im Inland schon gar nicht schützen kann. So etwas treibt die Menschen nach rechts, auch bisherige SPD-Wähler, die sich bei Umfragen noch schämen (zu recht!) das zuzugeben.
e) Die bisherige Integrationspolitik überzeugt nicht. Es reicht nicht, wenn eine Mehrheit sich gut integriert, solange eine große Minderheit den Staat und unsere Gesellschaft verachtet. 2% Radikale rechts und links und jetzt auch noch aus der Islamistenszene reichen um ein Land zu destabilisieren.
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Genau das muss das Bestreben der Sozialdemokratie sein. Doch was inszenieren wir hier in Deutschland? Da werden Handelabkommen wie TTIP von Merkel und Gabriel als das Wichtigste erachtet. Es wird damit der Ausverkauf der parlamentarischen Demokratie betrieben. Die so genannten Schwellenländer oder auch die Länder Afrikas werden weiterhin versklavt. Und das alles nur zum Wohle weltweit agierender Konzerne, deren Chefetagen von Menschen besetzt sind, deren Gier ohne jede Grenzen ist. Von Menschen die als solche gar nicht mehr erkennbar sind. Diese Gier zerstört alles, was uns einmal lieb und teuer war.
Wir schaffen es, war wohl sehr nett aber auch sehr naiv.
Und das meint nicht nur unsere Bundeskanzlerin, sondern inzwischen auch eine Reihe von SPD - Oberen.
Freie Fahrt für rechtsradikale Strömungen in unserem Land.
Manfred Fischer
Ob dies auch nur ein/e Genosse/In in Berlin lesen wird?
Die beiden Meinungen sind auch genau so meine Meinung, auch nach über 40 Jahren Mitgliedschaft in der SPD.
Milton Friedman
Interessant sind die (vorsichtigen und oft apologetischen) Formulierungen des Autors angesichts von Positionen, die ja inhaltlich eigentlich nichts an Klarheit vermissen lassen. Die Apologetik lässt darauf schließen, daß die linken Moralisten in Deutschland Ihre Strategie der Diffamierung aller nicht-linken politischen Positionen als rechtsradikal, populistisch und volksverhetzend ausgeweitet haben vom innenpolitischen Totschlagargument zum Mittel deutscher Machtpolitik gegenüber den europäischem Partnern. Noch reagieren die meisten EU Länder darauf eher irritiert und professionell diplomatisch.
Wenn die deutsche Linke jedoch weiterhin unter Ignorierung demokratischer Gepflogenheiten und bar jeder Gesprächsbereitschaft versucht, wie die Wildsau durchs Gebüsch zu gehen, um Ihren Willen durchzusetzen, wird sie - innenpolitisch wie außenpolitisch - irreparablen Schaden anrichten.
Aber leider scheint die altbekannte deutsche Hybris, "am deutschen Wesen soll die Welt genesen" nicht auf Nationalisten beschränkt zu sein. Im Gegenteil, aktuell sind es gerade die Linken, die mit dieser Haltung uralte antideutsche Reflexe in Europa hervorrufen.
EurActiv.de vom 10.11.2015
SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte, aus Sicht ihrer Partei gebe es "zum jetzigen Zeitpunkt dazu keinen relevanten Handlungsbedarf". Der Familiennachzug sei eine Frage der Menschlichkeit.De Maiziere hatte Anfang vergangener Woche das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angewiesen, bei Syrern zu einer genauen Prüfung jedes Einzelfalls zurückzukehren, bei dem jeder Antragsteller mündlich angehört wird.
Mein Kommentar:
Wieder einmal zeigt sich in der Haltung der SPD (Fahimi ist schließlich deren Geschäftsführerin) unentschlossenes, zögerliches Taktieren. Hat man hier noch immer nicht begriffen, dass jetzt Entscheidungen nötig sind, um Morgen die gesetzliche Grundlage für rechtsstaatliches Handeln zu besitzen. „Menschlichkeit“ wie sie der Artikel 16 a GG zum Ausdruck bringt, hat sein Pendant in der Aufnahmefähigkeit unserer Kommunen . Dazu gehört auch die Akzeptanz, die Bereitschaft breiter Bevölkerungsschichten, die nicht einfach pegidisiert werden dürfen.
Es gibt gerade wg. des Umschlags von Quantität zu neuer Qualität infolge der wachsenden Zuwanderung Bedenken und Einwände mit guten Gründen. Auch auf Missstände und Versäumnisse muss hingewiesen werden können, ohne dass diese gleich als fremdenfeindlich konnotiert werden. Der unionsinterne Streit zeigt vielmehr, wie notwendig gesetzgeberische Klarstellung jetzt ist – und nicht erst Morgen. Auch wenn die quantitativ relevante Häufung der Nachzugsfälle von Familienangehörigen erst später anfallen mag.
„Kein relevanter Handlungsbedarf“ ist genauso eine verfehlte Feststellung wie umgekehrt: „Handlungsbedarf“.
Was Politik als Handlungsbedarf (an)erkennt, ist meist etwas, was schon aktuell und schleunigst gelöst werden muss – weil Zeit im Verzug ist.
Was also heißt: Kein relevanter Handlungsbedarf (Fahimi)?
Um welche jetzt notwendige Antwort will sich die Parteiführung denn hier drücken?
Die Frage stellen, heißt hier, sie bereits zu beantworten:
Wie hältst du’s mit dem Nachzug SPD?
Da kommen Leute aus dem Mittleren Osten, und sie ersaufen, verhungern, verdursten und erfrieren zu Hunderten auf dem Mittelmeer. Die ganze Diskussion, ob ein Anhalten der Fluchtbewegung wünschenswert sei, geht doch an den Realitäten vorbei: Die Leute kommen so oder so.
"Wir möchten, dass an den Aussengrenzen der EU, Grenzkontrollen stattfinden." Wie soll das genau aussehen auf Lesbos? Wir lassen nur auf den Strand, wen wir wollen, den Rest werfen wir wieder ins Wasser, oder wie? Hört bitte auf mit Quatschdiskussionen. Entweder wir helfen den Griechen oder wir helfen ihnen nicht. Welche Argumente soll es bitte geben, die Griechen mit den Flüchtlingen alleine zu lassen?
Ideal wäre, wenn Europa, wie Kanada, in Zusammenarbeit mit dem UNHCR die Bedürftigsten direkt aus den Flüchtlingslagern der Welt abholte, ein paar zigtausend pro Jahr, statt die Leute in Schlauchbooten aufs Meer zu schicken. Aber auch die Didkussion ist müssig, solange die Leute kommen.
Wenn alle Leute, die gegen Flüchtlinge wettern, die Zeit und Energie die sie in das Wettern stecken, in Hilfsleistungen gesteckt hätten, hätten wir die Aufnahme der Flüchtlinge schon geschafft.
Und PS: Soviele Roma und soviele Ungarn im Land, aber die Slowakei behauptet, kein multikulturelles Land zu sein. Die spinnen, die Slowaken.
Auch bei deutschen "Kritikern" frage ich mich, welche Kultur und Lebensstil sie eigentlich schützen wollen. Es ist in jedem Fall ein Lebensstil, der nicht nachhaltig ist und der im Sinne einer Globalen Gerechtigkeit nicht funktioniert. Jetzt können wir entscheiden, ob wir uns im Krieg auflösen oder im Klimawandel - es ist in jedem Fall nicht mehr von grosser Dauer. Hier nähern wir uns also der Frage, die die europäische Sozialdemokratie beschäftigen sollte. Welches "nachindustrielle" Modell, welcher Wohlfahrtsstaat soll es sein. Und welche Rolle spielt hier die internationale Solidarität.
Der Verweis auf die Suche nach Ursachen, konkret etwa der auf Export von Militärgütern, die gegen die eigene oder die Bevölkerung von Nachbarländern eingesetzt wird, und der auf Entwicklungshilfe ist zu begrüssen: Nicht nur in Syrien, auch in Nigeria hat die internationale Gemeinschaft noch nicht die notwendigen Mittel bereitgestellt, die zur Soforthilfe dienen. Und damit ist nicht mal davon gesprochen, was für dauerhafte Strukturen, also etwa Schulen, medizinische Versorgung, Infrastruktur zu leisten wäre.
Vielleicht also könnten die Beiträge der europäischen Ländern auch unterschiedlich betrachtet und bewertet werden: Ein Teil setzt sich stärker für die Bevölkerung in den aufgrund von Kriegen, Naturkatastrophen oder Nahrungsknappheit betroffenen Regionen ein, ein Teil nimmt dafür "mehr" Flüchtlinge auf. In jedem Fall wäre ein koordiniertes Vorgehen und klare Vorschläge ein erster Schritt. Dennoch hilft es den Menschen, die aktuell auf der Flucht sind und unseren Schutz suchen, noch nicht. Hier bleibt es dabei, dass als erstes eine europäische Lösung entstehen muss, die die Länder entlastet, die besonders viele Flüchtlinge aufgenommen haben... anteilig.
Tatsache ist: Ungarns Orban wollte eine sehr große Zahl von Menschen auf dem Budapester Ostbahnhof zu Grunde gehen lassen, sodass kein anständiger Mensch zusehen konnte. Das gilt für alle EU-Bürger. Das war unterlassene Hilfeleistung, die in Deutschland strafbewehrt ist und unserem Verständnis von Humanismus und Christentum widerspricht. Dass die Bundeskanzlerin diesen Menschen in dieser von Orban herbeigeführten Notlage die Tür aufgemacht hat, bleibt richtig. Dass sie nicht zgleich gegengesteuert hat, um die Lage wieder unter Kontrolle zu bekommen und die Tür auch wieder schließen, zumindest den Nachzug drosseln zu können, war kurzsichtig und bleibt falsch und dürfte sie die Kanzlerschaft kosten.
So wie es aussieht, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis Deutschland mittels weitreichender Gesetzesänderungen kaum noch Asylanten aufnimmt. Das könnte aus begründeter Angst vor dem Aufstieg der Rechten erfolgen oder durch die Rechten gleich selbst befeuert werden, zu deren Aufstieg Blahas Grund-Unwahrheit beiträgt, auch wenn er das gar nicht will.
Endlich mal ein Sozialdemokrat , der etwas realistisch an die Sache herangeht und nicht von Flüchtlingen , die allein ankommen, und ihre von "regnenden Fassbomben" bedrohten und im Stich gelassenen Familienmitgliedern spricht.
Die Regierung muss kurzfristig handeln und da die Sozialdemokraten in der Regierung sind, muss sie Handlungsoptionen aufzeigen: "Flüchtline besser in Europa zu verteilen" oder "Fluchtursachen bekämpfen" sind dabei langfristige Optionen (wenn überhaupt) aber helfen aktuell nicht einen cm weiter.
Auf ein paar Argumente will ich in aller Kürze eingehen:
1. Die Slowakei bzw. Blaha fürchtet eine Migration ohne Sicherheits- und Gesundheits(!)-kontrollen, ihr/ihm missfällt, dass an den Außengrenzen des Schengen-Raums keine Grenzkontrollen stattfinden. Damit ist dann Griechenland, Italien etc. gemeint; Deutschland hat doch gar keine EU-Außengrenzen!
2. Wenn die Slowakei mit tausenden Muslimen, Angehörigen anderer Minderheiten, hunderttausenden Ungarn und Roma sowie zehntausenden Chinesen, Vietnamesen u.a. kein multikulturelles Land ist - dann ist auch Deutschland kein multikulturelles Land.
3. Apropos Quoten: Wer will Flüchtlinge "zwangsweise herschaffen und internieren"? Deutschland jedenfalls nicht.
4. Die Slowakei/Blaha will (katholische) Christen bevorzugt integrieren, weil dies bei Muslimen schwieriger sei (keine kulturellen Kriege, keine religiösen Vorurteile). Sehr schöne Sortierung von Äpfeln und Birnen. Das hat nur einen Haken: Nahezu alle Flüchtenden sind Muslime. Diese Haltung als "humanitäres Argument" zu bezeichnen ist reiner Zynismus!
5. Die europäischen Nationen und auch die Slowakei könnten durchaus, gemessen an der jeweiligen Größe und Leistungsfähigkeit innerhalb der EU, Flüchtlinge aufnehmen - ohne dass man diese damit zu "Mehlsäcken" macht.
6. Und jetzt wird es ernst: Deutschland hat keine Flüchtlinge eingeladen, ohne in der EU jemanden zu fragen! Als die Regierungschefin entschieden hatte, dass Flüchtlinge, die sich bereits monatelang zu Hunderttausenden auf der Balkanroute (und zum damaligen Zeitpunkt vor allem in Ungarn) aufgestaut hatten, aufgrund der UN-Flüchtlingskonvention und der deutschen Asylgesetzgebung (vorläufig) nach Deutschland einreisen dürfen, hat sie ein akutes politisches und vor allem humanitäres Problem gelöst, ohne sich hinter monatelangen Verhandlungen mit anderen europäischen Ländern zu verstecken und eine menschliche Katastrophe auszulösen. Es wäre doch sowieso Ergebnis gewesen, dass Deutschland als größtes Land in Europa auch den größten Teil der Flüchtlinge aufnehmen würde. Das haben wir jetzt getan und in Zukunft werden eben auch andere Länder in der EU ihren jeweiligen Anteil übernehmen - aber das wird natürlich noch einige Verhandlungen brauchen.
Fazit: Blaha meint, dass die Deutschen (Genossen) naive und schlichte Idealisten sind. Er selber bezeichnet sich dagegen als praktischen Realisten, der Verantwortung übernimmt und deshalb "Quoten" für Muslime ablehnt. Am besten lösen wir also das Problem, "wenn wir sie (die Flüchtlinge) nicht alle nach Europa holen". Also: Niemand "holt" Flüchtlinge - die kommen einfach und nach einigem Recht und vielen Gesetzen haben sie auch Anspruch auf Hilfe.
Lieber Herr Blaha, wie wollen Sie als wahrer Sozialdemokrat Flüchtende denn aufhalten?
Dass die Partei Blahas "linkspopulistisch" sein soll erschließt sich mir nicht. 90 Prozent seiner Argumente sind an PEGIDA anschlussfähig.
Recht aber hat er, dass Osteuropa anders tickt, als wir. Mit den "europäischen Werten" ist es wohl nix. Hier strebt jetzt auseinander, was sowieso nicht zusammen passt.
Auch scheinen gewisse Wissenslücken über islamischen Gesellschaften zu herrschen. Der Islam ist kein womöglich freigewählter "Lebensstil", wie sich ihn der postmoderne Genosse gerne zurechtlegt. Er ist Zwangssystem, der patriarchale Familien und Clans zusammenbindet, archaische Herrschaftsformen legitimiert und seine Glaubensgrundsätze über weltliche Prinzipien des Rechts und der staatlichen Ordnung stellt. Das ist ein zentraler Grund für den Zusammenbruch der Gesellschaften des Nahen Ostens - neben vielen weiteren. Es gibt nicht den geringsten Grund, dieses Zwangssystem in seinen verschiedenen Abstufungen multikulturell willkommen zu heißen.
Die Analyse ist sicher nicht ganz falsch. Tatsächlich ist in vielen Ländern der EU ein Wiedererstarken des Nationalismus und rechtspopulistischer Strömungen zu beobachten, während gleichzeitig sozialdemokratische (oder sozialistische) Parteien entweder stagnieren (wie z.B. in Deutschland) oder atomisiert wurden (wie z.B. in Griechenland).
Aber wie lautet Blahas Antwort auf das Problem? Grenzen dicht machen und den Leuten dort helfen, wo sie herkommen und auch bleiben sollen. Hilfe zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in armen Ländern ist grundsätzlich der richtige Ansatz. Blaha verschweigt leider, dass unsere Bemühungen den Menschen vor Ort zu helfen nicht gerade beeindruckend sind. Die UN haben für 2015 das Ziel ausgegeben, dass die entwickelten Staaten 0,7% ihres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe bereitstellen. In Deutschland bringen wir es auf 0,4%. Die Slowakei nur auf 0,09%. (Siehe: http://www.euractiv.de/entwicklungspolitik/artikel/uebersicht-das-07-prozent-ziel-in-europa-007129.) Das Gerede ist wohlfeil. Wo sind die Taten? Und könnte Smer die Rechtspopulisten in Schach halten, wenn es den Entwicklungshilfeetat versiebenfacht? Schwer vorstellbar!
Es bleibt also das Dichtmachen der Grenzen. "Man kann offene Grenzen oder einen Wohlfahrtsstaat haben - aber nicht beides zugleich.“ Fasst Mark Merz das in seinem Kommentar zusammen. Sozialleistungen nur für das eigene Volk? Die anderen gehen uns nichts an? Wer diese Haltung kritisiert, ist naiv und stellt die anderen in die rechte Ecke? Aber was ist so ein Ansatz anderes, als ein National-Sozialismus? Auch wenn das noch kein Faschismus impliziert, kann es doch nicht die richtige Strategie gegen das Erstarken der „faschistischen Reaktionäre“ (Blaha) sein! Es ist doch deren Politik.
Sozialdemokrat sein heißt für mich: Solidarität unabhängig von Pass oder Herkunft. Es bedeutet für mich die Anerkennung von Menschenrechten und ein klares Bekenntnis zur Menschenwürde aller Menschen.
Für mich ist die Grundannahme in dem Artikel schon falsch! Es geht nicht darum, wie wir uns gegen arme Flüchtlinge wehren, die alle ein Sicherheits- und Gesundheitsrisiko darstellen, sondern wie wir die Solidarität der Reichen mit den Armen in unseren Ländern und der EU insgesamt wieder gewährleisten können. Wer Zeitung liest, weiß, dass in Deutschland Jahr für Jahr bis zu 10 Milliarden an Steuern hinterzogen werden (Schätzung des Bundesrechnungshof), dass in der EU Konzerne sich arm rechnen dürfen, in dem sie ihre Gewinne in Steueroasen umbuchen, dass kommerziell unglaublich erfolgreiche Vereine wie der Fußballverband steuerbefreit sind.
Eine Sozialdemokratie, die aufhörte mit denen zu kungeln, die sich ihrer Verantwortung für die Gesellschaft zu entziehen, die diejenigen zur Verantwortung zöge, die von der Allgemeinheit profitieren, aber ihren Beitrag zum Gemeinwohl vorenthalten, eine solche bräuchte sich vor der rechten Konkurrenz nicht zu fürchten. Und ein solches Europa hätte genug Geld, um Entwicklungshilfe und Integration von Flüchtlingen gleichzeitig zu stemmen.
Kann sein, dass so eine Position für praktische Realisten „naiv“ ist. Aber sie ist wenigstens sozialdemokratisch.
Große Teile der Bevölkerung sind mit der Regierungspolitik und der Position der SPD in dieser Frage nicht einverstanden. Leider kümmert dies unsere führenden Regierungspolitiker in keiner Weise. Bei den nächsten Wahlen wird es mit Sicherheit einen Rechtsruck geben. Die Verantwortung dafür tragen zweifellos die jetzigen Regierungsparteien mit ihrer von gesellschaftlichen Interessen losgelösten Elitenpolitik.
Im übrigen werden wir von den aus Not und Elend Fliehenden gar nicht gefragt, sie kommen einfach, egal was Dublin sagt, sie wollen auf Biegen und Brechen überleben. Und es werden noch sehr viel mehr kommen wenn diese Politik der Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete nicht aufhört. Wenn Flüchtlinge vor Ort nicht (oder zu wenig) unterstützt werden. Es ist die Saat der Destabilisierung des nahen Ostens bis Afghanistan - an der viele Länder Europas beteiligt waren, auch Deutschland - dass diese Saat jetzt aufgeht. Und wenn CETA, TTIP und andere Lustigkeiten kommen, werden noch viel mehr kommen, denen allen die Lebensgrundlagen entzogen wird in Afrika und anderswo, wie jetzt auch schon. Vom Klimawandel gar nicht zu reden, verursacht von den Industrienationen, wenn in Afrika die Bauern keine Ernten mehr einfahren können. Und die neoliberalen Abkommen Cotonou, Yaoundé, Lomé und wie sie alle heißen, die die Starken reich machen und die Schwachen auf die Verliererstraße schicken. Ja, Deutschland hat lange Zeit von diesem ungleichen Tausch und von diesen neoliberalen Kriegen der USA und seinen europäischen Unterstützern profitiert. Jetzt scheint diese Zeit so langsam zu Ende zu gehen, wenn nicht eine kluge, auf sozialen Ausgleich bedachte Politik gemacht wird. Eine Aufstockung der Entwicklungshilfeetats wird dazu nicht ausreichen. Die neoliberale und ungerechte Handelspolitik und die ganzen Rüstungsexporte müssen ein Ende haben. Definitiv. Basta, es reicht. Aber, wie schon ein Vorredner meinte, das gehört wahrscheinlich bereits ins Reich der Naivitäten.
Die EU wird es dann schon lange nicht mehr geben.
Das sind alles keine schönen Zukunfsaussichten ------ aber unfähige Politiker haben uns das Problem halt eingebrockt.
Wir sagte es Frau Dr. Merkel : "Wir schaffen das" und "egal, was ich gesagt habe, nun sind sie halt da" --- aber die Politik hat keine Lösung anzubieten.
Wenn die Ehrenamtlichen ihre Arbeit sofort einstellen würden, wäre das Chaos in Deutschland in kürzester Zeit vorhanden und die Regierung mit den sie tragenden Parteien Geschichte.
Die ganz großen Themen wie Aufrüstung, Umweltschutz und eine UN plus eine EU, die hierauf die richtigen Antworten für alle findet, lassen leider immer noch auf sich warten.
So tappen wir weiterhin von einem Elend ins andere.........
Manfred Fischer
Jetzt wissen wir es genau: der slowakische Ministerpräsident Fico betreibt mit seiner Flüchtlingspolitik der Abschottung ein Konzept der ‚Machtpolitik um jeden Preis‘ und Herr Blaha, sein Sprachrohr im Parlament, soll den EU-Bürgern das Ganze als sog. „pragmatischen Realismus“ verkaufen. Eine zynische Strategie aus mehreren Gründen:
Zu allererst, weil der neuerliche Terror und Massenmord in Paris mit brutaler Deutlichkeit zeigt, wovor die Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak Hals-über-Kopf fliehen: vor den Massenmördern des IS und der Aussichtslosigkeit, diese in naher Zukunft loszuwerden. Was in Paris passierte, müssen die Menschen in Aleppo und Baghdad wöchentlich erleben, seit Jahren! Um diese Flüchtlinge unter dem Vorwand eines sog. ‚pragmatischen Realismus‘ mit entsprechend fadenscheinigen Argumenten einfach abzuweisen (bis auf wenige, die Herrn Fico ‚genehm‘ sind), braucht es schon eine gehörige Portion Zynismus und Kaltschnäuzigkeit.
Arrogant bis zynisch auch der Vorwurf des H. Blaha, die ethischen und humanen Werte , die einwanderungsfreundliche Menschen und Regierungen vertreten - nicht nur deutsche Sozialdemokraten, auch der Papst und viele andere! - seien „naiver und schlichter Idealismus“. Kaschiert wird mit der so begründeten Abschottungspolitik nur das totale Versagen der Regierung bei der nationalen Integration der großen und schon lange ansässigen Minderheiten der Ungarn und Romas (zusammen mehr als 10% der Bevölkerung).
Und ganz vergessen hat die heutige Regierung die über 200.000 Slowaken und Tschechen, die nach dem 21.8.1968 im freien Europa ohne Ausnahmen und ohne Bedingungen aufgenommen und willkommen geheißen wurden. Hätte man damals die Flüchtlinge aus Ficos eigenem Land seinen heutigen Einwanderungskritierien unterworfen, hätte man Zehntausende hinter den Eisernen Vorhang zurückweisen und damit den sowjetischen Truppen und deren Helfershelfern ausliefern müssen – wäre ja nur ‚praktischer Realismus‘ gewesen.
Wir schaffen es, ist wirklich sehr nett, doch es wird an der Wirklichkeit scheitern.
Was wir brauchen ist Herz und Verstand.
Und uns immer wieder zu fragen - Ist es das?
Und es gibt nicht nur in allem das eine, sondern zugleich immer auch das andere.
Manfred Fischer - Mannheim
Manfred Fischer