Die israelische Gesellschaft und Politik ist in mehrfacher Hinsicht tief gespalten. Zu nennen sind da vor allem die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich sowie der Friedensprozess. Aber in einer Frage herrscht große Übereinstimmung: im Misstrauen gegenüber dem iranischen Regime.

Deshalb lehnen mit Ausnahme der Parteien, die die in Israel lebenden Araber vertreten, und dem Wahlbündnis Meretz, die zusammen 18 der 120 Sitze in der Knesset innehaben, alle israelischen Parteien das kürzlich mit dem Iran geschlossene Atomabkommen ab. Die Regierung und die Mehrheit der Opposition sind sich also ausnahmsweise mal einig.

Die Reaktion des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu auf das Abkommen war keine Überraschung. Er ist der Auffassung, dass die Sanktionen dazu dienen sollten, Iran zur vollständigen Aufgabe seines Atomprogramms zu zwingen. Zudem fordert er, das Abkommen solle »eine klare und unmissverständliche Anerkennung des Existenzrechts Israels beinhalten«. Und nicht zuletzt ist er davon überzeugt, dass Iran mit seinen freigegebenen Vermögenswerten die Feinde Israels, wie die Hisbollah, finanziell unterstützen wird, was eine Bedrohung für Israels Sicherheit wäre.

Inzwischen haben sich aber auch die Oppositionsparteien des linken Spektrums und der politischen Mitte gegen das Abkommen ausgesprochen. Kurz nach dessen Unterzeichnung begründete der Oppositionsführer Yitzhak Herzog seine Ablehnung in einem Interview mit der amerikanischen Zeitschrift The Atlantic damit, dass »Iran unter den Bedingungen des Abkommens innerhalb eines Jahrzehnts zu einem nuklearen Schwellenstaat werden wird«.

Auch die israelische Öffentlichkeit hegt Misstrauen gegen Iran. Eine gleich nach dem Abschluss des Abkommens für den israelischen Fernsehsender Channel 10 durchgeführte Umfrage ergab, dass 70 Prozent der Israelis gegen das Atomabkommen sind und ein Drittel mit Angriffen auf militärische Anlagen im Iran einverstanden wäre.

 

Woher rührt all dieser Argwohn?

Warum sind sich Netanjahu und Herzog, die sonst nie derselben Meinung sind, plötzlich so einig darin, dass dieses Abkommen schlecht ist? Warum herrscht in der normalerweise gespaltenen israelischen Öffentlichkeit in dieser Angelegenheit Konsens?

Hier könnten zahlreiche Gründe zur Erklärung angeführt werden. Der Hauptgrund ist, dass die Israelis seit dem Beginn der iranischen Revolution 1979 von Seiten Irans immer wieder zu hören bekommen, dass Israel ein Krebsgeschwür sei und ausgelöscht werden sollte. Das iranische Regime feindet sowohl die Konservativen als auch die Liberalen in Israel an. Als Yitzhak Rabin noch lebte und den Palästinensern im Rahmen des Oslo-Abkommens Autonomie über ihr Land zurückgab, unterstützte Iran die Hamas dabei, israelische Busse in die Luft zu jagen, um den Friedensprozess zu stören. Das iranische Regime war einer der schärfsten Kritiker der Osloer Friedensvereinbarungen von 1992. Die von der Hamas mit iranischer Unterstützung verübten Bombenanschläge auf israelische Busse trugen dazu bei, dass die israelische Linke die Wahlen von 1996 verlor.

Die Bevölkerung Israels hat also berechtigte Vorbehalte gegen das iranische Regime. Sie hat jedes Recht zu fordern, die oberste Führung Irans, soweit wie möglich von einer Atombombe fernzuhalten. Allerdings sind die Methoden und Vorstellungen, mit denen die gegenwärtige israelische Regierung ihre Sorgen und Bedenken aus dem Weg räumen will, falsch und kontraproduktiv.

 

Die Beziehungen zu den Bündnispartnern müssen verbessert werden

Vor allem scheint Ministerpräsident Netanjahu in absehbarer Zeit nicht an einer diplomatischen Lösung interessiert zu sein. Ihm ist offenbar daran gelegen, dass die Krise noch möglichst lange anhält. Am deutlichsten zeigt sich das an seiner Forderung, Iran müsse sein gesamtes Atomprogramm aufgeben und alle Anlagen abbauen. Es spricht sehr wenig dafür, dass die iranische oberste Führung einer derartigen Forderung stattgeben würde, da das ihrer Glaubwürdigkeit bei ihren konservativen Unterstützern sehr abträglich wäre. Eine solche Forderung würde außerdem das moderate und konservative politische Lager in Iran einen, da beide sie als ungerecht empfinden würden, während das aktuelle Atomabkommen die beiden Lager spaltet, weil zumindest ein Teil des Regimes es für akzeptabel hält.

Die beste Lösung für Israel besteht darin, sich gegen das Abkommen zu wappnen. Ja, Iran wird sein eingefrorenes Geld zurückbekommen und einiges davon der Hisbollah geben. Aber es wäre unrealistisch zu erwarten, dass Iran keine Gegenleistung für sein Entgegenkommen erfährt. Dennoch muss Israel vorbereitet sein; und der erste Schritt besteht darin, die Beziehungen zur Regierung Obama zu verbessern. Die aktuelle Krise zwischen den USA und Israel ist ein Geschenk an das iranische Regime.

Ebenso muss Israel seine militärischen und nachrichtendienstlichen Beziehungen zu anderen Bündnispartnern verbessern, darunter vor allem auch zur befreundeten Bundesrepublik Deutschland, die mit dem Verkauf hochmoderner Waffen an Israel sehr zur Sicherheit des Landes beigetragen hat. Zur Verbesserung der Beziehungen gehört auch, die Partner nicht mit weiterem Siedlungsbau vor den Kopf zu stoßen, wie es die israelische Regierung in den letzten Jahren immer wieder getan hat.