Bisher zeigte sich Deutschland zögerlich in puncto Annäherung an Kuba. Nun ist Außenminister Frank Walter Steinmeier nach Havanna gereist. Woher der Sinneswandel?
Die Beziehungen zwischen der EU und Kuba lagen aufgrund des sogenannten gemeinsamen Standpunkts der EU in den letzten beiden Jahrzehnten auf Eis. Dieser knüpfte Fortschritte in den Beziehungen zu Kuba an eine Verbesserung der Menschenrechtslage und die wirtschaftliche und politische Öffnung des Landes und wurde von der kubanischen Regierung als Einmischung in innere Angelegenheiten abgelehnt. Andere EU-Staaten haben diese gemeinsame Politik bereits viel früher durch den Ausbau bilateraler Beziehungen umgangen. Frank Walter Steinmeier selbst hat schon in seiner ersten Amtszeit als Außenminister einen Wechsel in der deutschen und europäischen Kubapolitik gefordert. Jetzt setzt auch die Bundesregierung auf Wandel durch Annäherung statt auf Sanktionen. Der Besuch des Außenministers ist Deutschlands Reaktion auf die Veränderungen, die auf der Insel seit der Amtsübernahme Raúl Castros im Zuge des Reformprozesses eingesetzt haben. Ausschlaggebend für die Reise war vor allem das veränderte internationale Panorama: Die USA und Kuba haben nach einem halben Jahrhundert das Ende der Eiszeit verkündet, und in diesen Tagen sollen Botschaften in Havanna und Washington eröffnen.
Die EU steht seit 2014 mit Kuba in Verhandlungen über Zusammenarbeit und politischen Dialog. Politische Gegner werfen Steinmeier einen deutschen Alleingang vor. Wie ist das zu bewerten?
Von einem Alleingang kann nicht die Rede sein. Im Gegenteil: für hochrangige Politikprominenz ist es gegenwärtig nicht leicht, noch einen freien Platz im Terminkalender der kubanischen Regierung zu bekommen. Steinmeier ist zwar der erste bundesdeutsche Außenminister, der die Insel besucht, aber in den vergangenen Jahren sind zahlreiche Minister und auch Außenminister europäischer Länder nach Havanna gereist. Mit Federica Mogherini war dieses Jahr die höchste diplomatische Vertreterin der EU zu Gast; mit François Hollande der erste Präsident eines EU-Mitgliedsstaats. Die EU strebt bis Ende des Jahres den Abschluss eines Kooperationsabkommens an. Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, dass der Außenminister nach Kuba reist, um in seinen Worten „auszuloten, was miteinander möglich ist“. Die Abkommen über politische, kulturelle und wirtschaftliche Zusammenarbeit, die im Zuge seines Besuchs unterzeichnet wurden, und die Etablierung eines Konsultationsmechanismus zwischen Havanna und Berlin stehen keineswegs im Widerspruch zum EU-Verhandlungsprozess, sondern haben eine erste Grundlage für weitere Kooperation geschaffen.
Die USA und Kuba nehmen nach Jahrzehnten der Abschottung wieder diplomatische Beziehungen auf. Das US-Embargo bleibt aber bislang bestehen. Wie lange noch?
Seit Raúl Castro und Barack Obama am 17. Dezember des vergangenen Jahres zeitgleich vor die Mikrofone getreten sind, um die Normalisierung der Beziehungen anzukündigen, haben sich die Ereignisse überschlagen. Wenn in dieser Woche die jeweiligen Botschaften in Havanna und Washington eröffnen und John Kerry nach Havanna reist, ist das ein weiterer historischer Schritt. Das Embargo kann allerdings nur vom US-Kongress aufgehoben werden, und in dem fehlen entsprechende politischen Mehrheiten. Doch auch in den USA und auch unter den früheren Hardlinern der Exilkubaner werden die Rufe nach einem Ende der Blockadepolitik immer lauter. Ein abruptes Ende würde den kubanischen Reformprozess allerdings wohl überfordern. Der kubanischen Führung geht es nicht darum, dass Ende des Sozialismus einzuläuten, sondern diesen durch die beschränkte Einführung von Marktmechanismen und internationale Öffnung nachhaltig zu gestalten. Ein gradueller Abbau der Sanktionen würde dies begünstigen.
Inwiefern birgt eine von Kuba angestrebte wirtschaftliche Öffnung auch die Hoffnung auf eine politische Öffnung und eine Verbesserung der Menschenrechtslage auf der Karibikinsel?
Der Reformprozess konzentriert sich vor allem auf die Wirtschaft. Erste politische Veränderungen aber zeigen sich in der Anfang 2013 eingeführten Reisefreiheit und des für 2018 angekündigten politischen Rückzugs Raúl Castros. Veränderungen bringen vor allem auch die gesellschaftliche Annäherung und die langfristig angekündigte Verbesserung des Internetzugangs mit sich. Nicht nur die Kubaner reisen ins Ausland: Seit das Weiße Haus die Reisebeschränkungen für US-Amerikaner gelockert hat, gibt es einen regelrechten Havanna-Hype. Junge Künstler, Musiker und Sportler kommen in Scharen, nicht nur aus den USA. Die Hotels der Stadt sind ausgebucht. Im Zuge des politischen Dialogs mit den USA und der EU hat die kubanische Seite Bereitschaft gezeigt, auch über Menschenrechte zu sprechen. Dieser Teil ist allerdings das schwierigste Kapitel der jeweiligen Verhandlungsprozesse. Steinmeier hat die Menschenrechtslage in seinem Gespräch mit Raúl Castro thematisiert. Die kubanische Regierung beharrt aber auf einer eigenen Interpretation der Menschenrechte, die soziale und wirtschaftliche Rechte in den Vordergrund stellt.
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3 Leserbriefe
Es ist im europäischen und deutschen Interesse, dass der Außenminister aktiv den Reformprozess in Kuba, auch in Bezug auf die Menschenrechtsfrage, begleitet.