In den östlichen Nachbarstaaten der EU finden derzeit massive demokratische Veränderungen statt. Wie nachhaltig diese sind, wird sich erst langfristig zeigen. In der Ukraine, in Moldawien und in Georgien äußert sich dieser politische Wandel in erster Linie in einer antioligarchischen Rhetorik. Besonders deutlich wird dies am Beispiel Moldawiens.

In Moldawien wurde die Umstrukturierung der politischen Szene hauptsächlich von einer weltoffenen Koalition betrieben. In der Folge gab die Demokratische Partei von Wladimir Plahotniuc ihre Macht ab. Die neue Ministerpräsidentin Maia Sandu versucht, den russischen Einflussfaktor zu entdramatisieren und sich auf eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland ohne geopolitische Konfrontationen zu konzentrieren.

Das politische Regime unter der Führung des Oligarchen Plahotniuc löst sich unterdessen immer mehr auf. Die Demokratische Partei kündigt an, sich in eine „sozialistische Partei im europäischen Stil“ verwandeln zu wollen. Die Koalition aus Sozialisten und dem proeuropäischen Wahlbündnis ACUM entkoppelt gleichzeitig die Institutionen vom Einfluss der Demokratischen Partei. Ministerpräsidentin Maia Sandu führt mit der Unterstützung der parlamentarischen Mehrheit eine „Reinigung“ durch, um das System von Funktionären zu säubern, die loyal gegenüber dem bisherigen oligarchischen System waren. Im Rahmen eines offenen Wettbewerbs sollen sie durch integere Politiker ersetzt werden.

Die Proteste in Moldawien wurden bereits als „Revolution“ bezeichnet, was ziemlich voreilig ist.

So gab es in den wenigen Wochen, die die Koalition nun an der Macht ist, bereits mehrere Rücktritte. Unter anderem gaben alle Antikorruptionsrichter am Verfassungsgericht, die Führungsspitze des Allgemeinen Polizeidirektorats, der Leiter des Büros für öffentliches Eigentum und der Chef des Informations- und Sicherheitsdiensts ihre Ämter ab. Generalstaatsanwalt Eduard Harujen, dessen Mandat im Jahr 2020 ausläuft, wehrt sich hingegen immer noch gegen den Rücktrittsdruck. Eine weitere Priorität der Regierung besteht darin, die Zusammensetzung der Zentralen Wahlkommission zu ändern und gleichzeitig das Wahlrecht anzupassen, um zu Verhältniswahlen zurückzukehren.

Die Koalition aus PSRM und ACUM ist sehr labil, da sie hauptsächlich durch ihre Opposition gegen den Oligarchen Plahotniuc zusammengehalten wird. Gleichzeitig wurden in etwa einem Drittel der Ministerien (im Finanzministerium, im Wirtschafts- und Infrastrukturministerium, im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und Europäische Integration sowie im Justizministerium) ziemlich apolitische Entscheidungsträger ernannt. Dadurch konnten die politischen Rivalitäten innerhalb des ACUM-Blocks und zwischen ihm und den Sozialisten besänftigt werden.

Diese Entwicklung muss nun so bald wie möglich in dauerhafte Maßnahmen münden, die die Institutionen gegen mögliche oligarchische Einmischungen schützen. Man bezeichnete diesen Prozess bereits als „Revolution“, was aber ziemlich voreilig ist. In Wirklichkeit wird in Moldawien die politische Macht neu verteilt, was ohne die Zusammenarbeit ausländischer Mächte und insbesondere die strategischen Interessen Russlands nicht möglich gewesen wäre. Im Kern ist der Prozess weniger eine Revolution, die von der Bevölkerung offen gefordert wird. Es geht vielmehr darum, die Funktionsfähigkeit der Institutionen wiederherzustellen. Während dieser ruhigen Periode einer untypischen Zusammenarbeit zwischen den Sozialisten und der ACUM müssen jetzt so bald wie möglich Änderungen am System durchgeführt werden.

Die politischen Entwicklungen in Moldawien entsprechen den regionalen Trends, wo nach dem friedlichen Machtwechsel in Armenien Ende 2018 auch die oligarchischen Regimes in Georgien und der Ukraine ins Wanken geraten sind.

Die politischen Entwicklungen in Moldawien entsprechen den regionalen Trends in den Ländern der Östlichen Partnerschaft, wo nach dem friedlichen Machtwechsel in Armenien Ende 2018 auch die oligarchischen Regimes in Georgien und der Ukraine ins Wanken geraten sind. In der Ukraine versprach der neu gewählte Präsident Volodymyr Selensky, die Politik des Landes zu erneuern. Dies bedeutet auch, dass sich seine Regierung vom Einfluss der Oligarchen distanziert, die vor und während der Präsidentschaft von Petro Poroschenko aktiv waren. Mit seiner Partei „Diener des Volkes“ will Selensky das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit wiederherstellen.

In Georgien wiederum musste der Oligarch Bidzina Ivanishwili zuletzt Zugeständnisse an die Demonstranten machen. Iwanischwili gründete 2012 das Parteienbündnis „Georgischer Traum“, um zur Parlamentswahl anzutreten. Diese gewann er und wurde Premierminister. Zwar trat er ein Jahr später zurück, doch stellt seine Partei nach der letzten Wahl Ende 2016 die Parlamentsmehrheit und den Regierungschef. Die jüngsten Straßenproteste wurden ursprünglich durch den Besuch russischer Politiker ausgelöst, haben sich jetzt aber zu einer radikalen Kritik an der oligarchisch dominierten Regierung entwickelt. Durch die Proteste vom Juni 2019 im georgischen Tiflis wurde das Regime gezwungen, im Vorfeld der nächsten Wahlen von 2020 das Verhältniswahlrecht wieder einzuführen.

Allerdings muss die Unterdrückung der oligarchischen Einflüsse in der Region ein dauerhaftes und ganzheitliches Ziel bleiben – und keine vorübergehende Aktion, die sich lediglich gegen einzelne Oligarchen richtet.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff