Der Sieger der tschechischen Parlamentswahl kommt wenig überraschend: Mit fast 35 Prozent der Stimmen wird Andrej Babiš und seine Bewegung ANO aller Wahrscheinlichkeit nach die nächste Regierung stellen. Der amtierende Premierminister Petr Fiala und sein Bündnis SPOLU hingegen steuern auf die Opposition zu – über die Zukunft des Bündnisses und seiner Führung herrscht Unklarheit. Die Wahlbeteiligung war eine der höchsten seit 1993, was vor allem auf die starke Mobilisierung der ANO-Anhänger zurückgeführt wird. Der Präsident Petr Pavel hat Babiš bislang noch nicht offiziell mit der Regierungsbildung beauftragt, doch es gilt als wahrscheinlich, dass er dies tun wird.

Die Wahl brachte jedoch auch einige unerwartete Entwicklungen mit sich. Das radikal linke Bündnis Stačilo! (Genug!) verfehlte trotz anderslautender Prognosen den Einzug ins Abgeordnetenhaus. Zusammen mit dem schwächer als erwarteten Ergebnis der rechtsextremen SPD deutet dies darauf hin, dass die tschechischen Wähler kein Interesse daran haben, die zentralen internationalen Institutionen zu verlassen – beide Parteien hatten für Referenden über den EU- und NATO-Austritt Tschechiens geworben. Wählerinnen und Wähler, die vor allem vom sozial- und wohlfahrtsorientierten Programm von Stačilo angesprochen waren, entschieden sich offenbar für die „sichere“ Variante – und stimmten für ANO.

Eine weitere Überraschung ist der Erfolg der Autofahrerpartei. 2025 trat sie zum ersten Mal bei den Parlamentswahlen an – nachdem sie im vergangenen Jahr bereits bei der Europawahl erfolgreich gewesen war. Lange Zeit bewegte sie sich nur knapp um die Fünfprozenthürde zum Einzug ins Abgeordnetenhaus, doch mit einem Ergebnis von 6,7 Prozent übertraf sie die Erwartungen deutlich.

Mehr noch: Die „Autofahrer“ könnten tatsächlich an der Regierung beteiligt werden. Nach der Mandatsverteilung kann ANO keine eigene Mehrheit bilden. Die Bewegung hat bereits erklärt, sie bevorzuge eine Minderheitsregierung, die von der SPD und den Autofahrern gestützt wird. Doch am Wochenende signalisierten letztere, dass sie nur dann Unterstützung leisten würden, wenn sie selbst direkt in die Regierung eingebunden werden – andernfalls sei keine Kooperation zu erwarten. Auch die SPD erklärte, sie wolle „ihre Experten“ für bestimmte Ministerposten nominieren. Die Verhandlungen haben jedoch gerade erst begonnen und könnten noch eine andere Richtung einschlagen – je nachdem, was Andrej Babiš und sein Team den Autofahrern und der SPD anzubieten haben.

Babiš wird vermutlich versuchen, eine Dreierkoalition zu vermeiden, da dies seine Rolle als Koordinator deutlich erschweren würde. Hinzu kommt, dass rund ein Drittel der künftigen SPD-Abgeordneten Mitglied kleinerer Parteien ist, die über die SPD-Liste ins Parlament einzogen – ein Faktor, der früher oder später für Instabilität sorgen dürfte.

Babiš wird vermutlich versuchen, eine Dreierkoalition zu vermeiden, da dies seine Rolle als Koordinator deutlich erschweren würde.

Zwar vertreten sowohl ANO als auch die Autofahrer europaskeptische Positionen – beide gehören im Europäischen Parlament der Fraktion Patrioten für Europa an –, doch fordert keine von ihnen den Austritt Tschechiens aus der EU. Die SPD hingegen vertritt in der Außenpolitik deutlich radikalere Positionen und stellt nicht nur die EU-, sondern auch die NATO-Mitgliedschaft des Landes infrage. An dieser Stelle kommt Präsident Pavel ins Spiel: Schon vor der Wahl hatte er erklärt, er hätte ein Problem damit, einen Minister zu ernennen, der die EU-Mitgliedschaft Tschechiens ablehnt.

Schließlich könnte Babiš die Autofahrerpartei als unerfahrene Neulinge in der Spitzenpolitik auch für einen leichter kontrollierbaren Koalitionspartner halten. In diesem Fall wäre eine Minderheitsregierung aus ANO und den Autofahrern, gestützt von der SPD, denkbar. Unterstützung für eine solche Regierung könnte zudem von den Bürgerdemokraten (ODS) kommen – der größten Partei innerhalb des Bündnisses SPOLU –, zu der die Autofahrer gewisse personelle und politische Verbindungen haben.

Sowohl ANO als auch die Autofahrer eint die Vorstellung einer EU starker Nationalstaaten und ihre Ablehnung einer weiteren Vertiefung der Integration. Eine gemeinsame Regierung würde großen Wert auf die Neubewertung des Green Deal und der Dekarbonisierungsmaßnahmen legen – insbesondere lehnen beide Parteien die Einführung des neuen Emissionshandelssystems (ETS2) kategorisch ab. Auch den EU-Migrationspakt weisen sie zurück.

In all diesen Fragen dürften sie sich eng an Ungarns Viktor Orbán orientieren. Unabhängig davon, wer letztlich ANOs Koalitionspartner wird, ist mit einer Vertiefung der Beziehungen zu Ungarn und zur Slowakei zu rechnen. Zugleich dürfte eine von ANO geführte Regierung anstreben, die bilateralen Beziehungen zu westeuropäischen Partnern stabil zu halten. Weder ANO noch die Autofahrer haben ein Interesse daran, das Verhältnis Tschechiens zu Russland zu verändern – und trotz ihrer politischen Nähe zu Orbáns Ungarn ist nicht zu erwarten, dass sie eine Blockade von EU-Sanktionen gegen Russland unterstützen würden.

Im Vergleich zur Amtszeit Fialas wird die Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Aggression unter der neuen Regierung deutlich an Bedeutung verlieren – sowohl rhetorisch als auch praktisch. Das gilt auch für eine mögliche Neubewertung der finanziellen und militärischen Hilfe, einschließlich der Munitionsinitiative.

Zwar zählt Tschechien zahlenmäßig nicht zu den größten Gebern der Ukraine, doch die Munitionsinitiative hat erhebliche Ressourcen auf tschechischer Seite gebunden und wurde sowohl von der Ukraine selbst als auch von anderen Partnern ausdrücklich gewürdigt. Andrej Babiš und ANO betonen zwar die Notwendigkeit größerer Transparenz innerhalb der Initiative und kritisieren das Ausmaß, in dem Rüstungsunternehmen – vor allem die Czechoslovak Group, deren Eigentümer Michal Strnad mit Babiš im Konflikt steht – davon profitieren. Sie fordern jedoch nicht ausdrücklich ein Ende der Initiative.

Unklar bleibt allerdings, inwieweit die von ANO angestrebten Änderungen eine effiziente Fortführung der Initiative überhaupt ermöglichen würden. Fachleute halten derweil den Vorschlag, die Koordinierung der Initiative auf die NATO-Ebene zu verlagern, für unrealistisch.

Sowohl ANO als auch die Autofahrer betonen die Bedeutung starker transatlantischer Beziehungen.

Sowohl ANO als auch die Autofahrer betonen die Bedeutung starker transatlantischer Beziehungen – und zeigen dabei besonders ihre Sympathien für Donald Trump und seinen Führungsstil. Als Premierminister würde Babiš zweifellos gerne erneut das Weiße Haus besuchen.

Allerdings könnte dies durch ANOs – und auch vieler ihrer Wählerinnen und Wähler – zwiespältige Haltung zu den NATO-Verpflichtungen bei den Verteidigungsausgaben erschwert werden. Zwar lehnt ANO das Zwei-Prozent-Ziel nicht direkt ab, doch argumentiert die Partei, dass der Anteil am BIP wenig aussagekräftig sei. Entscheidend sei vielmehr, wie effizient die Mittel eingesetzt würden und ob sie tatsächlich dazu beitrügen, die Verteidigungsfähigkeit des Landes zu stärken.

Dieser Ansatz dürfte vor allem darauf abzielen, unterschiedliche Wählergruppen zufriedenzustellen – denn viele der ANO-Anhänger unterstützen die Partei aus sozioökonomischen Gründen und sind in der Frage der Verteidigungsausgaben nicht einheitlich positioniert.

Was den israelischen Krieg im Gazastreifen betrifft, ist keine Abkehr von Tschechiens bisher uneingeschränkter Unterstützung Israels zu erwarten. Allerdings dürfte Babiš in dieser Frage offener für den Einfluss einer europäischen Mehrheitsposition sein als die Regierung Fiala – schlicht, weil das Thema für ihn nicht die gleiche Priorität hat.

Insgesamt werden sich die Außen- und Europapolitik der künftigen tschechischen Regierung deutlich von jener der vergangenen vier Jahre unterscheiden – vor allem, weil sie nicht mehr denselben Stellenwert auf der politischen Agenda haben wird.

Am sichtbarsten dürfte sich dies in einer zurückhaltenderen Unterstützung der Ukraine und einer offeneren Kritik an der Europäischen Union zeigen – Entwicklungen, die langfristig negative Folgen für die öffentliche Debatte in Tschechien haben könnten. Der Präsident wird voraussichtlich eine aktivere Rolle übernehmen, um das Bild Tschechiens als konstruktiven und verlässlichen Partner in der internationalen Zusammenarbeit zu bewahren und den Wert der EU-Mitgliedschaft in der tschechischen Gesellschaft zu betonen.

Um eine weitere Erosion der europäischen Einheit zu verhindern, sollten die europäischen Partner darauf bedacht sein, mit der künftigen tschechischen Regierung gute Arbeitsbeziehungen zu pflegen – statt sie vorschnell auf Distanz zu halten.